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Stadt Offenbach

Verbindungsstraße soll Verkehrsführung verbessern und das restliche Stadtgebiet entlasten

19.05.2022

Als eine von zehn Schlüsselmaßnahmen sieht der Masterplan 2030 die Entwicklung des Offenbacher Ostens vor. Dies betrifft insbesondere die Zulieferverkehre, die durch neue Gewerbeflächen auf dem ehemaligen Güterbahnhof sowie durch die Wiederbelebung des heutigen Innovationscampus entstehen. Deshalb untersucht die Stadt Offenbach die Möglichkeit für eine Entlastung der schon heute lärm- und abgasgeplagten Anwohnerinnen und Anwohner vor allem an der Bieberer Straße und in der Folge auch an der Unteren Grenzstraße. Ziel ist es, die Verkehrsführung durch eine Verbindungsstraße zwischen der B448 und der Mühlheimer Straße neu zu ordnen. Gleichzeitig werden vollumfängliche naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen wie Renaturierungen mitgeplant. Als Ergebnis einer Machbarkeitsstudie hat der Magistrat in seiner Sitzung am 20. April eine 900 Meter lange Trassenführung entlang der S-Bahnstrecke am Schneckenberg vorgeschlagen, für die nun – so der Grundsatzbeschluss – die Stadtverordnetenversammlung um Zustimmung für die notwendigen planungsrechtlichen Schritte gebeten wird.

Vertieft werden soll der zweispurige Ausbau des schon bestehenden asphaltierten Weges entlang des Lohwalds neben der S-Bahntrasse. Alleine im Quartier 4.0 am ehemaligen Güterbahnhof werden rund 300 neue Wohnungen, Versorgungseinrichtungen, Arbeitsplätze und eine große Schule entstehen. Zur Anbindung des Quartiers ist in erster Linie der ÖPNV mit Bus- und S-Bahnanschluss vorgesehen. „Hinzu kommt, dass dank unserer erfolgreichen Produktionsansiedlungen viel mehr Arbeitsplätze auf dem Innovationscampus entstehen werden, als ursprünglich auch nur ansatzweise erhofft wurde“, erläutert Oberbürgermeister und Wirtschaftsdezernent Dr. Felix Schwenke. Es ist mit zusätzlichem Lieferverkehr zu rechnen, was eine Optimierung der Verkehrsführung im Offenbacher Osten erforderlich macht. „Nachdem die neuen Firmen für den Innovationscampus bekannt sind, ist als Ergebnis zahlreicher Gespräche klar, dass diese im Gegensatz zu den Zeiten der Chemieproduktion auf dem Areal auf andere Lieferketten und Transporteinheiten angewiesen sind, die über Lkw und nicht über die Schiene oder Schiff erfolgen und ebenfalls für entsprechenden Verkehr sorgen werden“, so Schwenke weiter.

Umfangreiche Renaturierungs- und Ausgleichsmaßnahmen

Schon bei der Erstellung des Masterplans vor sieben Jahren spielten Verkehrsthemen in der breit angelegten Bürgerbeteiligung eine zentrale Rolle: „Noch bevor die Dimension absehbar war, in welcher Anzahl neue Arbeitsplätze im Offenbacher Osten entstehen würden, deutete sich an, dass vermutlich langfristig eine Lösung für das östliche Stadtgebiet benötigt wird, wenn es auf der Bieberer Straße und auf der Unteren Grenzstraße nicht zu einem Verkehrsinfarkt kommen soll“, betont Planungsdezernent Paul-Gerhard Weiß. Im Magistrat bestehe darüber hinaus parteiübergreifend Einigkeit, dass der naturschutzrechtliche Ausgleich für die Verbreiterung und Verlängerung der bestehenden Trasse am Schneckenberg innerhalb des Stadtgebietes Offenbach geschehen solle. „Wir nehmen die Bedenken einiger Bürgerinnen und Bürger sehr ernst und wollen einen bestmöglichen Ausgleich für das Vorhaben erzielen. Intensiv geprüft werden dabei auch die Voraussetzungen für eine mindestens teilweise Renaturierung des asphaltierten Anschlussknotens (sogenanntes Kleeblatt) am Ende der B448. Selbstverständlich würde bei dieser Variante auch die Frage geklärt, wie die Folgewirkungen für das Stadion aufgefangen werden müssen“, so Weiß weiter.

Klimagutachten Teil der weiteren Planungen

Wie viel Gewerbeverkehr zusätzlich allein durch den für die Stadt enorm wichtigen Innovationscampus zu erwarten ist, ist Gegenstand eines Verkehrsgutachtens, das die Innovationscampus GmbH derzeit auf Basis der Verkehrsdaten von Samson und Biospring erstellt. Planungsdezernent Weiß betont: „Wir müssen alles dafür tun, damit Lastwagen von der Autobahn kommend eine bessere Alternative haben als künftig die Bieberer Straße oder die Mainstraße zusätzlich zu verstopfen.“ Bürgermeisterin Sabine Groß: „Klar ist aber auch: Die Stadt wird nicht leichtfertig Bäume fällen! Vor einer endgültigen Entscheidung für oder gegen den Ausbau der Straße wird es auf jeden Fall weitere verkehrliche Untersuchungen geben. Zu den Auswirkungen auf Frisch- und Kaltluftströme wird nach dem Grundsatzbeschluss ein Klimagutachten erstellt.“

Finanzielle Bedeutung einer positiven Wirtschaftsentwicklung

Die Verkehrszunahme im Stadtgebiet ist Folge einer positiven Wirtschaftsentwicklung, die der Stadt insgesamt nutzt, betont Stadtkämmerer Martin Wilhelm. Er erinnert an das Ziel, den jahrzehntelangen Strukturwandel zu stoppen, der einen dramatischen Verlust an Arbeitsplätzen zur Folge hatte. „Dadurch hatten wir gleichzeitig mehr Sozialausgaben und weniger Gewerbesteuereinnahmen. Aus den Einnahmen müssen aber alle Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger finanziert werden, dazu zählen unter anderem die Schulbausanierungen, Kitaplätze, die Finanzierung des ÖPNV, die Sanierung der Sportstätten wie beispielsweise des Schwimmbads und viele weitere Leistungen etwa für Vereine und Kultur. Deshalb ist es für die Offenbacherinnen und Offenbacher wichtig, dass der Magistrat weiterhin bei Bund und Land dafür streitet, dass diese ihre Sozialgesetze bezahlen und dass der Magistrat gleichzeitig alles dafür tut, damit Offenbach wieder ein attraktiver Wirtschaftsstandort wird“, sagt Wilhelm.

Wie hart Offenbach weiterhin unter dem Strukturwandel leidet, untermauern exemplarisch die jüngsten Zahlen des hessischen Landesrechnungshofes. Demnach lagen die Einnahmen Offenbachs aus der Gewerbesteuer im Jahr 2021 mit rund 657 Euro pro Kopf und Jahr niedriger als in den anderen hessischen Großstädten. Kassel verzeichnete Einnahmen von 852 Euro pro Kopf und Jahr, Wiesbaden 963 Euro, Darmstadt 1.214 Euro und der Nachbar Frankfurt 2.778 Euro. „Man kann das ganz konkret auch so betrachten: Für jeden Euro, den die Stadt Frankfurt pro Bürgerin und Bürger als Einnahme verzeichnet, stehen der Stadt Offenbach gerade einmal 24 Cents pro Bürgerin und Bürger als Einnahme zur Verfügung“, rechnet Stadtkämmerer Wilhelm vor.

So viele Einnahmen aus Gewerbesteuer hat Offenbach im Vergleich 
1 Euro pro Einwohner/in entspricht in Offenbach in Euro 
Frankfurt am Main 0,24
Darmstadt  0,54
Wiesbaden  0,68
Kassel 0,77
Quelle: Kämmerei Stadt Offenbach am Main, auf Basis der Kassenergebnisse der Gemeinden und Gemeindeverbände (1.-4. Quartal 2021), veröffentlicht durch das Hessische Statistische Landesamt 2022 (letzte Aktualisierung 24.03.2022)

Festlegung der bevorzugten Trassenführung

Für eine Lösung der Verkehrsführung im Offenbacher Osten haben die beteiligten Ämter die Ergebnisse einer umfangreichen Machbarkeitsstudie und die begleitenden natur- und artenschutzrechtlichen Gutachten ausgewertet – Werke von insgesamt mehreren hundert Seiten. „Ziel aller Untersuchungen war und ist es, eine Trassenführung auszuarbeiten, die so wenig wie möglich in die Natur eingreift“, erläutert Bau- und Planungsdezernent Paul-Gerhard Weiß.

Aus zahlreichen Variantenbetrachtungen wurde im Zuge der detaillierten Untersuchungen eine „Vorzugsvariante“ herausgearbeitet, die auf den Bau einer völlig neuen Straße verzichtet. Stattdessen soll die bestehende Straße „Am Schneckenberg“ für den Autoverkehr von derzeit 5,50 Meter (beziehungsweise südlich des OVO-Geländes 3,00 Meter) auf rund sieben Meter verbreitert werden. Mit der Ergänzung eines Rad- und Fußgängerweges und einer begrünten Entwässerungsrinne würde die ausgebaute Trasse dann 14 Meter breit sein. Ausgelegt auf bis zu 20.000 Fahrzeuge pro Tag würde die neue Strecke den Verkehr auf der Bieberer Straße um täglich rund 8.000 Fahrzeuge verringern.

„Die beschlossene Vorzugsvariante minimiert den Eingriff in den bestehenden Baumbestand des Lohwaldes“, erläutert Marion Rüber-Steins, Leiterin des Referats Stadtentwicklung im Planungsamt. Gelänge es, Renaturierungsmaßnahmen auch an der nie als Straße genutzten Anschlussstelle der B448 am Lohwald zu ermöglichen, würde mindestens ein Teil der erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen direkt vor Ort im selben Naturraum erfolgen können. „Auch unter Gesichtspunkten des Artenschutzes ist diese Trasse eine sehr schonende Variante.“

Auch für den erforderlichen Neubau der maroden Laskabrücke, die nicht unter Denkmalschutz steht, wurden zwei Varianten untersucht. Denkbar ist der Neubau der Brücke, einschließlich Fahrrad- und Fußwegen. Die zweite Variante sieht den Bau einer zweiten Brücke für den Kraftfahrzeugverkehr vor. Die bestehende Brücke könnte dann saniert und ausschließlich für den Rad- und Fußverkehr genutzt werden. Die Planungsvarianten sehen eine attraktive Radverkehrsstrecke zum zukünftigen Park im Quartier 4.0 und weiter bis zum Kuhmühltal vor. Die Kosten für das gesamte Vorhaben sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht genau zu beziffern. Es ist Aufgabe des weiteren Planungsverlaufes, hier erste halbwegs belastbare Zahlen zu liefern.

Weitere Planungen beinhalten auch klimatische Untersuchungen

Wenn die Stadtverordnetenversammlung dem Grundsatzbeschluss des Magistrats zustimmt, können die weiteren vertiefenden Planungen zur Verkehrsführung und zur Entlastung der Bieberer Straße begonnen werden. Wie viele Bestandsbäume und Gehölzer genau weichen müssten, ist ebenfalls Gegenstand der nachfolgenden Detailbetrachtungen. Größere Beeinträchtigungen des am Rande betroffenen Landschafts- sowie des Trinkwasserschutzgebietes können und sollen ausgeschlossen werden: „Die gewählte Trassenführung schont die schützenswerten Eichenbestände und durch das Maßnahmenkonzept lassen sich die verbleibenden Eingriffe kompensieren, das haben die Landschaftsgutachten aufgezeigt“, so Rüber-Steins. „Insgesamt werden von den Gutachtern keine Beeinträchtigungen der Schutzgüter, zum Beispiel Artenschutz, Boden und Klima erwartet.“

Entschädigungen für betroffene Anlieger

Wenn es zum Ausbau der neuen Verbindungsstraße kommt, werden einzelne Kleingärten weichen müssen. Der Vorstand des Kleingärtnervereins Süd e. V. 1919 hat der Stadt bereits signalisiert, dass die Pächter auf Wunsch andernorts im Bestand des Kleingartenvereins untergebracht werden können. Den vom erforderlichen Abriss des Nebengebäudes auf dem OVO-Gelände betroffenen Vereinen sollen von der Stadtverwaltung innerhalb des Stadtgebiets Ersatzräume angeboten werden. Erste Kontakte mit den Vereinen wurden aufgenommen und die Grundanforderungen erfasst. Für die Bewohner der Anwesen Am Schneckenberg 3-17 soll geprüft werden, durch welche lärmmindernden Maßnahmen die Anwohner künftig zusätzlich entlastet werden können. Zwischen zwei Bahntrasse und innerhalb der Einflugschneise zum Flughafen gelegen, werden dort heute schon die zulässigen Immissionswerte überschritten. Die neue Straße würde hier nach bisherigen Erkenntnissen die Belastungen nicht mehr wesentlich erhöhen. „Es sind, wie bei einem solchen Großprojekt nicht anders zu erwarten, also auch noch zahlreiche Fragen offen, weshalb es sehr wichtig ist, dass die Stadtverordnetenversammlung dem Magistrat jetzt grünes Licht für den Bebauungsplan mit seinen vertieften Planungen gibt“, so Baudezernent Weiß abschließend.

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