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Stadt Offenbach

Von der Synagoge zum Multifunktionshaus

21.08.2023 – Das Capitol Theater in Offenbach feiert am 21. Oktober 2023 seinen 25. Geburtstag – bis dahin beleuchtet das Team des Hauses rund um den 21. jeden Monats einen Aspekt der einzigartigen Eventlocation. Im August geht es um die Historie des Capitol Theaters: Das heutige Multifunktionshaus wurde einst als Synagoge errichtet und galt damals als neues Zentrum des deutschen Judentums.

Der Wandel der Außenansicht..

Der imposante Kuppelbau an der Goethestraße entstand ab 1913 als Synagoge für die Israelitische Religionsgemeinde Offenbach. Nach Entwürfen der Offenbacher Architekten Fritz Schwarz und Karl Wagner wurde das Gebäude auf einer Länge von 80 Metern errichtet. Für den FAZ-Architekturkritiker Dieter Bartetzko ist die im April 1916 eingeweihte Synagoge ein „markantes Beispiel der um die Jahrhundertwende einsetzenden, letzten Hochblüte des Synagogenbaus in Deutschland“. Im Äußeren dominiere „die griechisch-römische Antike“ – dorische Säulen prägten den Vorhof (das heutige Atrium), und die aus Eisenbeton geschaffene Kuppel zitiere das Pantheon in Rom. Der damalige Rabbiner Goldschmidt erklärte in seiner Rede zur Eröffnung, man habe sich nun einen Platz an der Sonne erobert und wolle diesen behaupten. Heute ist das Capitol Theater in Offenbach ein Kulturdenkmal nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz.

Menschen trafen sich im Glauben – und zum Feiern

Wo sich seit 1998 Kunst, Kultur und Konzerne unter der 30 Meter hohen Kuppel treffen, kamen einst die Menschen zum Beten und Lernen zusammen – doch auch die Stadtgesellschaft durfte hier schon feiern. Der Festsaal im neuen Gemeindehaus der Israelitischen Religionsgemeinde spiegelte deren Selbstverständnis wider: Nicht nur zu Purim, dem fröhlichsten jüdischen Feiertag, fanden hier Revuen statt – der Raum im ersten Stockwerk stand auch der Stadtgesellschaft offen. Viele Offenbacherinnen und Offenbacher besuchten dort beispielsweise „Expressionistische Abendfeiern“, hörten Vorträge zu „Politischen Bildungsfragen“ oder nahmen 1932 an einer Gedenkstunde zu Goethes hundertstem Todestag teil. 

Von der Reichspogromnacht der Nationalsozialisten blieb auch Offenbach nicht verschont: Im November 1938 wurde die Synagoge geschändet, um das Gebäude als Theater zu nutzen. 1940 erfolgte die Einweihung als „National-Theater“, das an fast drei Tagen der Woche von der Stadt genutzt wurde, unter anderem für Kundgebungen und HJ-Feiern.

Die Bombenangriffe auf Offenbach hatte das Haus zwar ohne wesentliche Beschädigungen überstanden, doch die Juden, die im Sommer 1945 eine neue Jüdische Gemeinde gründeten, waren zu wenige, um die geschändete große Kuppelsynagoge instand setzen zu lassen und dauerhaft zu unterhalten. Zudem befand sich das Gebäude nicht im Besitz der neuen Gemeinde. Der 1948 gegründete internationale Treuhandverband „Jewish Restitution Successor Organization“ (JRSO) hatte es 1951 von der sogenannten Widerspruchskammer zugesprochen bekommen. In der Obhut dieses Verbandes befanden sich seinerzeit Liegenschaften und Besitz von jüdischen Gemeinden, die von den Nazis zerschlagen worden waren, so auch in Offenbach.

Nach langwierigen Verhandlungen verkaufte die JRSO gegen Mitte der 1950er Jahre das ehemalige Synagogengebäude und Gemeindehaus mit Zustimmung der neuen Jüdischen Gemeinde an die Stadt Offenbach - unter der Maßgabe, das Haus für kulturelle Zwecke zu nutzen. Danach diente der Kuppelbau als Stadttheater, das vor allem Opern, Operetten und Schauspiele auf die Bühne brachte. 1995 wurde das marode Theater in ein Musicalhaus mit 1.125 Plätzen umgewandelt: „Tommy“ von The Who fegte und flipperte über die Bühne, bis dessen Produktionsfirma im Juni 1996 in die Insolvenz ging. 

Stadtwerke-Tochter GBO übernahm 1996 das Gebäude

Um den geschichtsträchtigen Komplex für die Bürgerinnen und Bürger zu erhalten, übernahm die GBO Gemeinnützige Baugesellschaft Offenbach mbH das Gebäude von der Stadt. „Die Verantwortlichen haben damals erkannt, dass der Kuppelbau mit seiner einmaligen Atmosphäre ein großes Potenzial als städtisches Veranstaltungshaus hat“, sagt der heutige GBO-Aufsichtsratsvorsitzende und Stadtkämmerer Martin Wilhelm. „Seitdem trägt das Capitol Theater mit seinen Gästen aus nah und fern zur Wertschöpfung in Offenbach ebenso bei wie zum Image der Stadt.“ 

1998 fand die Stadtwerke-Tochter ein Investorenteam und private Partner, die das Capitol zu einem multifunktionalen Veranstaltungshaus inklusive Diskothek und moderner Sound- und Lichttechnik umbauten. Am 21. Oktober des Jahres fand die feierliche Eröffnung statt, mit David Lieberberg als Geschäftsführer (zuständig für die Disco) und Birgit von Hellborn als Veranstaltungsleiterin (zuständig für Events und Konzerte). Gut ein Jahr später kam es in dem Haus zu einem tragischen Unfall: Im großen Saal, der auch als Disco genutzt wurde, stürzte eine Spiegelkugel von der Decke und verletzte zwei Frauen schwer. „Das war für mich der mit Abstand schlimmste Moment in meiner beruflichen Laufbahn, der mich bis heute beschäftigt“, sagt Birgit von Hellborn. Die Veranstaltungsbranche weltweit habe aus dem Vorfall gelernt: „Natürlich entsprach der Aufbau den damals gültigen Sicherheitsvorschriften. Durch das schreckliche Unglück wurden sie verschärft: Nun müssen solche Disco-Kugeln und auch alle anderen Objekte überall mit einer doppelten Absicherung aufgehängt werden.“ 

Im April 2001 übernahm Birgit von Hellborn die Capitol-Geschäftsführung, schloss die Diskothek und entwickelte das Haus zum idealen Veranstaltungsort für große und kleine Events. Der Name des Hauses wird immer mehr zum Programm: Die auch für die Stadthalle zuständige Event Center GmbH Offenbach unter dem Dach der Stadtwerke heißt seit 2015 Capitol Theater GmbH, und aus der Neuen Philharmonie Frankfurt, die seit 2006 die Capitol Classic Lounge aufführt, ging 2019 das hauseigene Capitol Symphonie Orchester hervor. 

Erinnerung an Vordenker des jüdischen Liberalismus

Auch die Erinnerung an frühere Zeiten bleibt bestehen: Am 24. Dezember 1938, kurz nach der Schändung der Synagoge, hielt Gemeinderabbiner Dr. Max Dienemann seine letzte Predigt an der Goethestraße. Kurz darauf zwang die Gestapo den international renommierten Vordenker des jüdischen Liberalismus, Deutschland zu verlassen. Ihm zu Ehren heißt der Veranstaltungsraum im ersten Stock des Capitol Theaters, der zu Pandemiezeiten den „Kleinen Kultursalon Offenbach“ beherbergte, offiziell Max Dienemann Saal.

Mehr Informationen zur ehemaligen Synagoge an der Goethestraße samt einem Blick auf die Räumlichkeiten damals und heute bietet ein Flyer zur Capitol-Historie, der aktuell erstellt und ab dem Tag der Offenen Tür am Samstag, 21. Oktober 2023, erhältlich sein wird. Dann sind alle Interessierten eingeladen, das geschichtsträchtige Gebäude bei Backstage-Führungen und Mitmachaktionen zu erleben. 

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