Gemeinnützig im Integrationsbereich – Ehrenamtliche erzählen
17.09.2020 – Viele Menschen in Offenbach sind neben ihren täglichen Pflichten zusätzlich ehrenamtlich aktiv. Sie schenken Zeit, hören zu, helfen, übernehmen Tätigkeiten und engagieren sich selbstlos zum Wohle der Allgemeinheit.
In loser Folge stellen wir Ehrenamtliche in der Stadt vor. Nach Dr. Adriana Marinescu, Mitglied des Ausländerbeirats der Stadt Offenbach und Integrationslotse Khairalla El-Cheikh, folgt nun Sarbast Al-Khder, Mitglied der Yezidischen Gemeinde OF. Die Geschichten von Integrationslotsin Yodit Embaie-Zekarias und Semra Yilmaz, Gründerin einer Fraueninitiative, bilden den Abschluss der Reihe. Alle Interviews finden sich dann auf:
Die 48-jährige Yodit Embaie-Zekarias engagiert sich in verschiedenen Projekten: Sie unterstützt beispielsweise Familien bei „Elmo – Eltern lernen mit in Offenbach“ und ist im Freiwilligenzentrum als Integrationslotsin aktiv. Hier hilft sie Migrantinnen und Migranten, sich in der neuen Heimat zu orientieren.
In loser Folge stellen wir Ehrenamtliche in der Stadt vor, den Anfang machten Dr. Adriana Marinescu, Mitglied des Ausländerbeirats der Stadt Offenbach, Integrationslotse Dr. Khairallah El-Cheikh und Sarbast Al-Khder, Mitglied der Yezidischen Gemeinde Offenbach. Abschließend folgt die Geschichte von Semra Yilmaz, Gründerin einer Fraueninitiative. Alle Interviews finden sich dann auf www.offenbach.de/Integrationshelden
Manchmal braucht es einen Schubser
„Ich denke mir immer, wie schön, dass ich weiterhelfen konnte. Schließlich hat eine Person, eine Sorge weniger und fühlt sich besser. Das gibt auch mir ein gutes Gefühl“, bringt Yodit Embaie-Zekarias ihre Motivation für ein freiwilliges Engagement auf den Punkt. Dabei weiß sie aus eigener Erfahrung, dass auch kleine Dinge eine große Bedeutung haben können und erinnert sich, als sie einmal mit ihrem Mann eine Fahrradtour unternahm und dabei sehr unglücklich stürzte. Fahrradfahren war eigentlich immer etwas Schönes für sie gewesen, doch nun hatte sie Angst davor. In einem Fahrradkurs für Frauen des Umweltamtes der Stadt Offenbach lernte Yodit Embaie-Zekarias schließlich wieder Vertrauen zu fassen. „Dass es so einen Kurs gab, hat mir sehr geholfen. Heute fahre ich überall mit dem Fahrrad hin und genieße das richtig. Das war genau der Schubser, den ich brauchte“, sagt sie. Durch ihre ehrenamtliche Arbeit könne sie auch anderen einen solchen Schubser zur Selbsthilfe geben.
So erzählt Yodit Embaie-Zekarias von einer älteren Dame, die nicht mehr alleine aus dem Haus gehen wollte. Sie begannen, gemeinsam spazieren zu gehen, jedes Mal ein Stückchen länger. „Heute geht die Dame jeden Morgen alleine eine Runde“, berichtet sie stolz. Oder der Mann, der neu nach Deutschland kam und sich anfangs fühlte, als ob er vor einer Mauer stand. Yodit Embaie-Zekarias begleitete ihn in dieser ersten Zeit und half ihm zugleich dabei, die Menschen in seiner Nachbarschaft kennen zu lernen. Auf diese Weise bekam er langsam die Kontrolle über seine Situation zurück. „Inzwischen braucht der Mann keine Hilfe mehr, er bewegt sich wieder selbstständig durchs Leben.“
Begegnungen wie diese ergeben sich häufig und meistens zufällig im persönlichen Alltag und auch ihr Engagement in unterschiedlichen Projekten entwickelte sich von einem zum anderen: Vor ein paar Jahren lernte die zweifache Mutter zufällig das ElternCafé für Eltern, Kinder und Lehrkräfte der Goetheschule Offenbach kennen und begegnete dort dem Team von `Von Ich zu Ich´. Yodit Embaie-Zekarias gefiel, wie sich die Mitglieder auf vielfältigen Wegen für ein gutes Miteinander stark machen und schloss sich kurzerhand an. Dort erfuhr sie von dem Integrationslotsen-Projekt des Freiwilligenzentrums, bei dem die Ehrenamtlichen bei Amts- oder Behördengängen helfen und unterstützen. „Im Grunde habe ich diese Dinge ja schon vorher gemacht. Deswegen habe ich mich gerne als Lotsin gemeldet und kann mich nun sogar ganz offiziell eine Ehrenamtliche nennen“, sagt Yodit Embaie-Zekarias lachend.
Ein Teil Eritrea, ein Teil Deutschland
Yodit Embaie-Zekarias lebt schon lange in Offenbach und kennt viele Menschen: „Diese Stadt ist mein zuhause, aber genauso gehört auch ein großes Stück Eritrea fest zu mir“, sagt sie. Beides definiere ihre Person und ergebe nur zusammen ein Ganzes. Daher ist sie auch als Mitglied des Deutsch-Eritreischen Vereins OF aktiv und gibt in ihrer Freizeit Sprachunterricht für Kinder mit eritreischen Wurzeln.
Sie hat Eritrea als junge Frau verlassen. Das Land war geprägt von Unruhen durch den Konflikt mit dem Nachbarn Äthiopien und bot keine sichere Zukunftsperspektive. Yodit Embaie-Zekarias erste Station in Deutschland war Gießen, hier fand sie auch gleich ihre erste Beschäftigung in einer Wäscherei. „Natürlich hatte ich Heimweh, aber eigentlich gab es nicht viel Zeit, um sich Gedanken zu machen.“
Ein Erlebnis aus ihren ersten Jahren ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben. Sie hatte gerade geheiratet und mit ihrer Familie in Eritrea gefeiert. Zurück in Deutschland, erkundigte sich ein Arbeitskollege nach der Hochzeitsfeier und wollte wissen, ob sie denn überhaupt ein Kleid getragen hätte und ob die Feier in einem richtigen Haus mit Dach stattgefunden habe. Der Spott in seinen Fragen war kaum zu überhören. Am nächsten Tag zeigte sie ihm Fotos ihrer Hochzeit, Bilder mit einem großen Baum über den ein weites Stück Stoff gespannt war und unter dem die Feier stattgefunden hatte. Ein Foto zeigte eine Limousine. Als der Kollege das sah, wurde er ganz aufgeregt, erinnert sich Yodit Embaie-Zekarias, weil er sich auch so ein Auto für seine Hochzeit wünschte. „Etwa so ein afrikanisches Auto? “, habe sie ihn gefragt, woraufhin er sich bei ihr entschuldigte. „Es ist schon komisch“, sagt sie, „weder ist ganz Europa einheitlich, noch ist es Afrika. Ich glaube, dieser Mensch hat irgendetwas im Fernsehen gesehen und das war dann sein Bild von dem gesamten afrikanischen Kontinent.“ Ob nun Unwissen oder gemeine Absicht hinter solchen Aussagen steckt, „es trifft, weil es herabwürdigt.“
Deshalb ist ihr bei allen ihren Tätigkeiten wichtig, den Menschen Kraft zu geben. „Ich bin ich. Ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe. Das sollte man sich immer sagen, wenn man sich mal ganz klein fühlt“, sagt sie. Auf diese Weise begegne man auch Schwierigkeiten im Leben anders. Es ginge darum weiterzumachen und die Dinge Schritt für Schritt anzugehen. Den Menschen, die sie betreut, sagt sie stets: „Stell dir vor, alles um dich herum ist dunkel. Dann musst du schauen, wo Licht ist, egal, wie klein, und dorthin gehen. Sage immer, du schaffst es bis dahin. Dann wird automatisch alles wieder hell.“