„150 Jahre Anschluss an die Welt“: Die Ausstellung im Rathaus und eine Broschüre feiern den Hauptbahnhof Offenbach
16.11.2023
Buchstäblich großer Bahnhof herrschte am vergangenen Montag anlässlich der Ausstellungseröffnung im Rathaus. Dort ist noch bis 30. November die liebevoll aufbereitete Geschichte des Hauptbahnhofs Offenbachs zu sehen und in Texten nachzuvollziehen. „150 Jahre Anschluss an die Welt“ haben die Macher, „eine wahrhaft bunte Gruppe aus Bahnfreaks, Künstlern und Eingesessenen“, so Brigitte Bach-Graß von der Initiative Hauptbahnhof und der AG Erinnerungen die Ausstellung genannt und sich mit viel Herzblut dem 1873 eingeweihten Gebäude am Kopf der Kaiserstraße gewidmet.
Mit der Eröffnung wuchs das Verkehrsaufkommen an der Achse Frankfurt-Hanau beziehungsweise Bebra ständig und damit auch das Wachstum der Stadt, Schienenverkehr gab es bis dahin „nur“ mit der zwischen Frankfurt-Sachsenhausen und Offenbach-Oberrad verkehrenden Lokalbahn. 1927 wird das Empfangsgebäude umgestaltet, werden ein Restaurant und eine Gaststätte sowie ein bewirtschafteter Garten eingerichtet, sorgen Kioske, ein Friseursalon und eine Buchhandlung für Kurzweil der Reisenden. Vom ehemaligen Glanz und Leben ist wenig geblieben, heute steht das im Stil der Neorenaissance erbaute Gebäude unter Denkmalschutz und hat mit der Eröffnung der S-Bahn 1995 an Bedeutung verloren. Ende 2010 schließen Fahrkartenschalter und Reisegepäck-Annahme, 2014 zieht der letzte Ladenmieter aus. Der Bedeutungsverlust spiegelt sich schließlich auch im Zustand des Gebäudes wieder, seitens der Stadt Offenbach gibt es immer wieder Initiativen für eine Belebung, die aber am Eigentümer, der Deutschen Bahn, scheitern.
Frischen Wind bringt die 2017 gegründete Initiative Hauptbahnhof, bei der Luminale 2018 erstrahlt der Hauptbahnhof in bunten Farben und ist damit wieder im Gespräch. Erstmals wird wieder über neue Möglichkeiten für das Gebäude gesprochen, das die Initiative gerne in Teilen für Gemeinwohl genutzt wissen möchte. „Die von der Stadt 2020 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie war ein Meilenstein“, sagt Kai Schmidt von der Initiative. Denn sie habe den Weg zu weiteren Gesprächen geebnet und gezeigt, was möglich sei. Zu sehen ist dies im zweiten Teil der Ausstellung, der im Erdgeschoss des Rathauses steht. Auf großflächigen Plakaten hat Marina Kampka die Zukunft des Gebäudes illustriert. Die Geschichte des Hauptbahnhofs zeigt die AG Erinnerung im ersten Teil der Ausstellung im Obergeschoss, diese und den Katalog hat Petra Baumgardt konzipiert und gestaltet.
Hauptbahnhof ist Visitenkarte für die Stadt
Viel Herzblut und Engagement, ohne dass der Hauptbahnhof kaum die gebührende Aufmerksamkeit besessen hätte, weiß auch Oberbürgermeister Dr. Schwenke und dankte den vielen Ehrenamtlerinnen und –amtlern aus Initiative Hauptbahnhof und AG Erinnerung. Schließlich sei der Umgang mit dem Gebäude und der gesamten Anlage seitens der Hausherrin Deutsche Bahn lange Zeit unerfreulich gewesen. „Wir haben lange mit der Bahn und der Landespolitik über die Aufwertung des Bahnhofs verhandelt. Es ging um mehr Bahnhalte und die Neugestaltung des Bahnhofsumfelds sowie einen barrierefreien Zugang in dem denkmalgeschützten Gebäude.“ Das sei, mit Blick auf die ebenfalls anwesende Bürgermeisterin und Mobilitätsdezernentin Sabine Groß sowie Bau- und Planungsstadtrat Paul-Gerhard Weiß, die härteste Nuss in dem Gesamtpaket gewesen. „Die Zusammenarbeit in Bezug auf den Bahnhof ist jetzt eine andere, die Bahn hat ein Sanierungsprogramm erarbeitet und will 2026 zunächst die Barrierefreiheit angehen.“ so OB Schwenke. Das könne aber nur der Anfang sein. Denn davon, dass die Bahn derzeit den Fernbahntunnel in Frankfurt ausbaut, möchte auch Offenbach profitieren. „Wir fordern keinen ICE. Aber der Fernbahntunnel darf nicht nur Kapazitäten für andere und Lärm für uns bringen, sondern es müssen substantiell wieder mehr schnelle Züge in Offenbach halten. Als Wohnort und als Wirtschaftsstandort brauchen wir vom Offenbacher Hauptbahnhof aus eine Anbindung an den schnellen Verkehr. Gerd Dietrich Bolte, Chefplaner der Deutsche Bahn für den Tunnel, sagte schon am 28. November 2019 der Frankfurter Rundschau, Zitat: „Auch schnelle Regionalbahnen könnten mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde durch den Tunnel fahren“. In der Fahrplanvorschau der Deutschen Bahn für den Deutschlandtakt ist diese Möglichkeit aber nur für den Hessenexpress Fulda-Hanau-Offenbach-Fernbahntunnel-Flughafen Wiesbaden und nur einmal in der Stunde vorgesehen. Unsere glasklare Forderung lautet: wir brauchen alle zehn Minuten, mindestens aber alle 15 Minuten einen Regionalexpress vom Offenbacher Hauptbahnhof in den Frankfurter Fernbahntunnel. Dann profitiert Offenbach vom Fernbahntunnel. Andernfalls würden wir nur mit Lärm zugemüllt, das wollen wir natürlich nicht. Dann müsste der Fernbahntunnel unter Offenbach verlängert und durchgeführt werden. Wir halten aber die Anbindung Offenbachs für eine große Chance und fordern daher den zehn, mindestens jedoch 15 Minuten-Takt vom Hauptbahnhof Offenbach in den Fernbahntunnel Frankfurt.“ wiederholte OB Schwenke auf der Veranstaltung seine seit längerem vorgetragene Forderung nochmals deutlich.
Dass die Kapazitäten im Ballungsraum ertüchtigt werden müssen, ficht auch Stefan Schwinn nicht an. Er verantwortet als Leiter Deutsche Bahn Station&Service AG, Regionalbereich Mitte, seit 2019 auch den Hauptbahnhof Offenbach. Zur zukünftigen Linienführung ließe sich derzeit noch nichts Konkretes sagen, aber dass der Gesamtzustand des Hauptbahnhofs verbessert werden müsse, sei bekannt. „Das gehen wir an und werden in diesem Jahrzehnt einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag ausgeben, um das Gebäude wieder zu einer guten Visitenkarte zu machen. Ein Bahnhof lebt von Menschen und wir stellen uns der Verantwortung.“
Der Katalog zur Ausstellung „1873-2023 Hauptbahnhof Offenbach, 150 Jahre Anschluss an die Welt“ ist gegen eine Schutzgebühr von 7 Euro in der Steinmetz´schen Buchhandlung erhältlich.