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Stadt Offenbach

1890: Bau des Maindamms beginnt

Der Main reichte im 19. Jahrhundert bei normalem Wasserstand bis an das Isenburger Schloss (was einen fast daran erinnerte, dass es ursprünglich mal ein Wasserschloss gewesen war). Der Metzlersche Badetempel befand sich direkt am Main und die Herrnstraße ging nur bis zum Linsenberg. Zwischen Linsenberg und Fluss lagen die Maingärten (1). Neben dieser idyllischen Atmosphäre, die der Main den Offenbachern bot, war er für Offenbachs wirtschaftliche Entwicklung von grundlegender Bedeutung, spielte doch die Schifffahrt auf dem Main eine große Rolle.

Viele Waren wurden auf dem Main transportiert. Im 19. Jahrhundert erstarkte Offenbach als Industriestadt im Großherzogtum Hessen-Darmstadt und der Main war in jedem Fall ein – wie man es heute neudeutsch ausdrücken würde – ein starker Standortfaktor für die Stadt.

Der Main wurde dann zu einem Sorgenkind für die Stadt, wenn er über die Ufer trat. Und das tat er sehr häufig. In den Jahren 1882 und 1883 gab es in Offenbach immer wieder Hochwasser, das in der Stadt großen Schaden anrichtete. Um die Bevölkerung rechtzeitig zu informieren, teilte die Großherzogliche Bürgermeisterei Offenbach den Stand des Hochwassers am Vormittag und am Nachmittag mit (2).

Ein „Jahrhunderthochwasser“ im Jahr 1882 hatte allen Offenbachern vor Augen geführt, dass eine Befestigung des Mainufers dringend notwendig war. Besonders Bürgermeister Wilhelm Brink setzte sich für dieses Projekt ein. Um das Hochwasser in den Griff zu bekommen, waren die Kanalisierung des Mains und der Bau eines Dammes unumgänglich geworden.

Um den Schiffen eine bessere Fahrt auf dem Main zu ermöglichen, wurde der sogenannte Kaiserfelsen, der auf dem Grund des Mains lag, 1862 gesprengt. An ihn erinnert heute nur noch der Name des Offenbacher Stadtteils Kaiserlei. Die Sprengung reichte jedoch allein nicht aus, um den Main zu einer modernen Wasserstraße zu machen. Verwirklicht wurde diese moderne Wasserstraße erst durch die Mainkanalisierung. 1886 war der Main von der Mündung bis Frankfurt kanalisiert worden, die Weiterführung nach Offenbach scheiterte lange Jahre durch Frankfurter Blockaden. Hessen-Darmstadt war Offenbach in diesem Streitfall keine große Hilfe, da die dortige Regierung sich auf den Mainzer Hafen als wichtigsten Hafen im Großherzogtum konzentrierte (3).

Mainschleuse in den 1950iger Jahren

Am 15.Februar 1897 wurde zwischen Preußen und Hessen die Fortsetzung der Mainkanalisierung bis Offenbach und der Bau der Staustufe Offenbach vereinbart. Nach der Fertigstellung der Mainkanalisation von Kostheim bis Frankfurt stieg der Schiffsverkehr so sprunghaft an, dass die kleinen 85 m langen Schleusen dem gestiegenen Schiffsverkehr nicht mehr gewachsen waren, wodurch hier lange Wartezeiten entstanden.

Offenbacher Schleuse um 1941

Preußen ließ deshalb die fünf Schleusen in den Jahren 1892 bis 1895 von 85 auf 320 m verlängern. 1902 wurde die Mainkanalisation bis Offenbach fertig gestellt. Im gleichen Jahr (1902) wurde auch der Offenbacher Hafen eröffnet (4). Bayern drängte nunmehr auf eine Weiterführung der Großschifffahrtsstraße bis Aschaffenburg.

1914 begannen die Bauarbeiten zwischen Offenbach und Aschaffenburg. 1921 erreichte die Großschifffahrtsstraße die Stadt Aschaffenburg (5). Ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil für Offenbach war die Mainbrücke, die am 1. Oktober 1887 eingeweiht wurde. Extra aus Darmstadt angereist war dazu der hessische Großherzog (Ludwig IV. von Hessen-Darmstadt), von der anderen Mainseite der preußische Landrat Wilhelm von Bismarck, ein Sohn des Reichskanzlers. 

Brücke über den Main

Die neue Brücke verband Offenbach im Großherzogtum Hessen-Darmstadt mit der Gemeinde Fechenheim, damals zugehörig zum Königreich Preußen. Offenbachs Bürgermeister Wilhelm Brink erhielt anlässlich der Brückeneinweihung (heute Carl-Ulrich-Brücke) durch ein großherzogliches Dekret den Titel „Oberbürgermeister“ verliehen.

Offenbach war seit 1819 lediglich durch eine Ponton-Brücke am Isenburger Schloss mit dem jenseitigen Mainufer verbunden gewesen (6). Neben der Mainkanalisation war der Maindamm das andere große Projekt, das in Offenbach nun gestemmt werden musste, um die Hochwassergefahr zu bannen. Am 22. Mai 1890 ging in der Bürgermeisterei im Stadthaus am Aliceplatz ein Telegramm ein mit der erfreulichen Nachricht, dass die großherzogliche Regierung in Hessen-Darmstadt Zuschuss und Darlehen für den Bau des Offenbacher Maindamms genehmigt hatte. Wahrscheinlich machte Oberbürgermeister Wilhelm Brink einen Luftsprung vor Freude, denn nun konnte er endlich mit dem Projekt starten, das ihm schon lang am Herzen lag: der Bau des Maindammes.

Gerade das letzte Hochwasser hatte große Schäden in Offenbach angerichtet, das Wasser war auf den Marktplatz und bis in die Frankfurter Straße vorgedrungen. Als Brink sich im Jahr 1882 anlässlich eines Besuches in Offenbach aufgehalten hatte, war er Zeuge des verheerenden Hochwassers geworden, das 4 Todesopfer gefordert und Häuser zum Einsturz gebracht hatte (7).

Der Bau des Offenbacher Maindamms 1890 wurde zwischen der Stadt Offenbach und den Firmen Philipp Holzmann aus Frankfurt und Philipp Forster aus Offenbach ein Vertrag unterschrieben, der den Bau des Maindammes im wahrsten Sinne des Wortes wasserdicht machte. Am 27. August 1890 unterschrieben Oberbürgermeister Brink und die beiden Firmeninhaber den Vertrag (8). Im Mai 1890 bewilligte der Landtag des Großherzogtums Hessen die staatliche Beihilfe für die Offenbacher Mainufer-Gestaltung. Offenbach erhielt einen Zuschuss von 153.000 Mark und ein Darlehen in Höhe von 1,347 Millionen Mark.

Ein Teil des Geländes am Fluss wurde der Stadt überlassen, da die noch zu bauende Mainstraße sonst nicht auf städtischem Gelände, sondern auf dem Grund und Boden des Landes gelegen hätte. Als Gegenleistung hatte sich die Stadt Offenbach verpflichtet, Ufergrundstücke aus großherzoglichem Besitz zu kaufen und die laufenden Kosten für die Uferunterhaltung zu übernehmen.

Mainuferbau 1890-1893
Mainuferbau 1890-93

Von der Mainbrücke bis zur Bürgeler Grenze sollten die Bauunternehmen Holzmann und Forster für 840.000 Mark einen 1699 Meter langen Damm bauen und davor ein 30 m breites Vorgelände aufschütten, auf der die spätere Hafenbahn fahren sollte (9). Als Zufahrt von der Innenstadt zur Uferstraße sollte die Herrnstraße dienen, die entsprechend verlängert werden musste (10). Das geschah im Jahr 1892, als die heutige Mainstraße entstand.

Viele italienische Gastarbeiter halfen beim Dammbau mit. Die flachen Ufer wurden begradigt und es entstanden Aus- und Einladeplätze für die Schiffe. Außerdem wurde Platz für die Bahngleise der späteren Hafenbahn geschaffen. 1893 war der erste Abschnitt beendet (11). (Die Akte 1752/6 enthält einen gut erhaltenen Plan des Maindammes. Der Plan wurde anlässlich des Baues der Pegeltreppe angefertigt.) (12)

1909 wurde auf dem Maindamm ein Schutzgeländer angebracht. Auch die Treppen erhielten entsprechende Geländer (13). Die Offenbacher Zeitung vom 21.3.1911 berichtete, dass die schönen Bäume der Maindamm-Promenade in Gefahr seien, da sie die Festigkeit des Dammes beeinträchtigen würden. Deshalb wurde von der Verwaltung angeregt, einige der zu stark gewachsenen Bäume zu beseitigen und durch kleinere zu ersetzen (14). Die Akte, in der es um die Errichtung einer Stützmauer am Maindamm (bis zur Bürgeler Grenze) zur Straßenseite hin (1913-1926) geht, enthält auch ein Schreiben vom 18. Juni 1920 an den Beigeordneten Eißnert von der Städtischen Anlagenverwaltung, in dem es auf der 1. Seite heißt: „Die Maindammpromenade mit ihren prächtigen, schattenspendenden, das Stadtbild verschönernden 2 Baumreihen soll doch wohl unter allen Umständen erhalten bleiben….“ (15).

Die Bürgeler und ihr „Portefeller-Damm“

Am 3. März 1910 sprach sich die Stadtverordnetenversammlung dafür aus, dass die Städte Mühlheim, Rumpenheim und Offenbach einen Deichverband gründen sollten, um in Zukunft das Hochwasser zu bezwingen. Der Maindamm sollte bis Mühlheim gebaut werden. Bis zum Ende der Gemarkung Bürgel sollte die Stadt Offenbach die Kosten des Deichbaues übernehmen. Im April 1913 sah es zunächst so aus, dass sich die Stadt Offenbach dazu entschlossen hatte, Bürgel ohne die Gemeinden Rumpenheim und Mühlheim einzudeichen. Grund für diese Entscheidung war, dass Rumpenheim sich an den Baukosten für den Deich nicht beteiligen wollte und Mühlheim nur zu einem geringen Teil.

Im Oktober 1913 war das Bauvorhaben wieder etwas abgeändert worden: Die Rumpenheimer sollten nun doch mit in das Deichbauvorhaben einbezogen werden. Da jedoch die Errichtung einer Schleuse in Rumpenheim geplant war und der dazugehörige Sachverhalt noch nicht geklärt war, wurde das Bauvorhaben Maindamm erst einmal wieder auf Eis gelegt, da nun doch geplant war, Bürgel, Rumpenheim und Mühlheim „in einem Aufguss“ zu verdeichen.

Der Erste Weltkrieg brachte alle weiteren Bauvorhaben zum Erliegen. In einem Schreiben vom 5. Juli 1915 an den Beigeordneten Eissnert heißt es: „Wenn auch eine Beschaffung der in der Notiz vom 27. Oktober 1913 genannten Unterlagen infolge des Baubeginns der Rumpenheimer Schleuse nunmehr möglich ist, wird es doch für empfehlenswert gehalten, die Verhandlungen erst nach Beendigung des Krieges weiterzuführen.“ (16) So wurde der Bau des Bürgeler Maindammes durch die Wirren des Ersten Weltkrieges weiter hinausgeschoben.

Das Jahr 1920 brachte erneut ein starkes Hochwasser. Bis zum 15. Januar 1920 war der Pegel des Mains auf 6,24 m gestiegen. Bürgel und Rumpenheim waren von Offenbach abgeschnitten. In Bürgel hatte das Wasser Schaden an Häusern, in Kellern und auf den Feldern angerichtet. Am 19. Januar kam die Entwarnung, das Wasser ging langsam wieder zurück.

Endlich konnte im August des Jahres 1920 damit begonnen werden, den Bürgeler Damm zu errichten. Diese Baumaßnahme war die Fortsetzung des Dammes in Offenbach, der zwischen 1890 und 1893 errichtet worden war (17). In den Jahren 1924 und 1925 wurde der Damm zusätzlich mit einer Stützmauer versehen. In einem ZA vom 11. Juni 1925 in der Offenbacher Zeitung war zu lesen, dass das Wasserbauamt Mainz die letzten Bau- und Erdarbeiten zum letzten Bauabschnitt des Bürgeler Maindammes vergeben hatte. Arbeitslose Portefeuiller wurden für dieses Bauprojekt (Dammbau) eingestellt, da die Arbeitslosigkeit der Feintäschner in und um Offenbach stark zugenommen hatte.

Das Landesarbeitsamt Hessen stellte 2 Millionen Mark für Notstandsarbeiten für die arbeitslosen Feintäschner zum Bau des Maindamms in Bürgel zur Verfügung (18). Am 15. Dezember 1925 war der Bau des Bürgeler Maindammes, der im Volksmund auch „Portefeller-Damm“ oder „Babbscher-Damm“ genannt wird, vollendet (19). Insgesamt war er 3 km lang [1949] (20).

Und last but not least kamen auch die Rumpenheimer endlich zu ihrem Damm: In einem Schreiben vom 30.11.1928 berichtete Bürgermeister Weil, dass der Gemeinderat der Eindeichung Rumpenheims zugestimmt hatte. [Das war damals noch nicht Offenbacher Angelegenheit, da Rumpenheim ja erst 1942 nach Offenbach eingemeindet wurde.] In einem Schreiben vom 5. Dezember 1930 an Herrn Bürgermeister Weil wurde berichtet, dass die Eindeichungsarbeiten in Rumpenheim fertig seien (21). Ausblick Der Damm hat das ursprüngliche Gesicht des Offenbacher Mainufers grundlegend verändert. Vorher waren dort die Maingärten und das Restaurant „Schlossers Liegenschaft“. Der gastronomische Betrieb lag zwischen Bernardbau und Schlosskirche und verlor durch den Damm mehr und mehr an Bedeutung, da er jetzt nicht mehr direkt am Mainufer lag (22).

Was damals als große Veränderung im Stadtbild empfunden wurde, wird heute als harmonisches Stadtbild interpretiert. Jetzt erregt die starke optische Veränderung oder gar der Komplettabriss des Maindamms wieder die Offenbacher Gemüter. Ob 1890 oder 2011: Der Maindamm ist in Offenbach für die Bürger jedenfalls damals wie heute ein aktuelles Thema.

Anmerkungen: 1) OP, 27.3.1990, Verfasser: Lothar Braun.

2) Akte 1757/2.

3) OP, 12.10.2007, Verfasser: Lothar Braun.

4) OP, 13.10.2007, Verfasser: Lothar Braun.

5) www.main-netz.de/nachrichten/region/spessart/berichte/art15353,978738, Stand: 18.1.2011.

6) OP, 10.10.2007, Verfasser: Lothar Braun.

7) Männer unserer Heimatstadt: Oberbürgermeister Brink. Maschinenschriftliches Dokument. o. J. Y-Slg. Nr. 40.

8) Akte 1752/2.

9) Hans-Georg Ruppel: Vom Umschlagplatz zum Aufschlagplatz. Der Offenbacher Hafen. In: Offenbach, was für eine Stadt. Hg. von Winfried B. Sahm und Christina Uslular-Thiele im Auftrag der vhs Offenbach. Hanau 2004. S. 180-183.

10) Christina Uslular-Thiele: Erhabenheit und malerische Schönheit: Der Metzlersche Badetempel. In: Offenbach, was für eine Stadt. Hg. von Winfried B. Sahm und Christina Uslular-Thiele im Auftrag der vhs Offenbach. Hanau 2004. S. 36-41.

11) FR, 14.4.1990, Verfasserin: Helga Franke.

12) Akte 1752/6.

13) Akte 1753/1.

14) OZ vom 21.3.1911, Exzerpt von Frau Uslular-Thiele.

15) Akte 1753/4.

16) Akte 1754/2.

17) OP, 28./29.1.1995, ohne weitere Angaben.

18) FR, 27.11.1993, Verfasser: Werner Eckardt.

19) L. Brunner, Peter Schall: Der Maindamm in Bürgel. Eine dringende Notwendigkeit für den Ortsteil Bürgel. In: 1908-2008. 100 Jahre Eingemeindung Bürgel. S. 42-44. Offenbach am Main 2008.

20) Adolf Völker: Main, Maindamm, Hafen und Industrieanlagen. In: Adolf Völker: Offenbacher Stadtgeschichte. Band 1. Maschinenschriftliches Dokument. Offenbach 1949, S. 44-63.

21) Akte 1754/1. 22) OP, ohne weitere Angaben, Verfasser: Lothar Braun. Zurück zur Übersicht Artikel drucken Als PDF anzeigen Mehr zu diesem Thema: Präsentation zur Geschichte des Maindamms

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