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Stadt Offenbach

1879: So kam der elektrische Strom nach Offenbach

Im Jahr 2009 hat das Licht ein Jubiläum. Das elektrische Licht, um präzise zu sein. 130 Jahre sind vergangenen, seit es zum ersten Mal in Offenbach aufblitzte. Es war im Sommer des Jahres 1879.

Wo heute der Dreieichpark grünt, flammten damals die ersten Bogenlampen auf, von Siemens & Halske montiert, um für die neue Technik zu werben. Als interessante Spielerei galt das den Skeptikern. Andere sahen die Tür in eine helle Zukunft geöffnet. Darüber ließ sich diskutieren auf der „Landesgewerbeausstellung“, mit der sich Offenbach 1879 im Großherzogtum Hessen-Darmstadt an die Spitze des Fortschritts drängte. Großherzog Ernst Ludwig ließ es sich eine Ehre sein, dazu die Schirmherrschaft zu übernehmen.

Straßenbeleuchtung Mainstraße um 1901

Von der damals weithin beachteten Präsentation industriellen Leistungsvermögens zeugen noch heute die zwecklos erscheinenden Betonelemente im nördlichen Teil des Parks: ein Brückenbogen über nichts, ein wandloser Pavillon mit leicht gewölbter Decke. 1879 wollten sie anschaulich machen, welche Möglichkeiten dieser neue Baustoff bietet. Das mochte Architekten und Baumenschen faszinieren. Für die Mehrheit der Offenbacher bestand die Sensation aus dem elektrischen Licht und aus der elektrischen Alarmanlage, die dabei vorgeführt wurde.

Einen anonymen Poeten regte gerade sie zum Dichten an. Man kann es in einer Broschüre lesen, die der Verlag C. Forger damals unter dem Titel „Ein Gang durch die Ausstellung“ verbreitete. So schwärmt der unbekannte Dichter: “Die mysteriöse Zauberkraft / birgt jener lange, dünne Draht, / der bei verbotenen Geschäften / bewirkt den klingenden Verrat. / Die Lust nach eurem Golde hegen / sind nun gefährdet früh und spät. / Ihr mögt euch ruhig schlafen legen, / es wacht die Elektrizität.“

Die Elektrizität, das war die Botschaft aus dem Dreieichpark, hatte die physikalischen Laboratorien verlassen. Sie drang in den Alltag von Herrn Jedermann vor, dienend aber auch herrisch. Freilich, ein stürmischer Vormarsch war das noch nicht. Als die hölzerne Ausstellungshalle im Park abgebaut wurde, wich auch die Elektrizität wieder aus der Stadt. Erst 1884 kehrte sie zurück, auf den Schienen der Straßenbahn zwischen Frankfurt und Offenbach. Ihren Antriebstrom lieferte eine Dampfmaschine in Oberrad.

Einige Offenbacher Gewerbetreibende erkannten in der neuen Energie eine Chance. Sie erkauften sich von der Betreibergesellschaft das Recht, die Leitungen der Straßenbahn anzapfen zu dürfen. Größere Fabriken gingen dazu über, ihre ohnehin vorhandenen Dampfmaschinen auch für eine Stromerzeugung zu nutzen, die den geringen Eigenbedarf zu decken vermochte.

Strom als Nebenprodukt, diesen Weg ging auch das Unternehmen, das an der Ecke Kaiserstraße und Große Marktstraße Druckluft erzeugte, mit der ein innerstädtisches Kommunikationsnetz betrieben wurde. Es nutzte seine Dampfmaschine zur Stromerzeugung und konnte damit auch angrenzende Häuser versorgen. Von dort kam schließlich der Strom, der 1890 Offenbachs erste städtische Straßenlaterne speiste. Sie stand vor dem „Stadthaus“ an der Frankfurter Straße. Dort, wo sich am Nordende des Aliceplatzes heute der Stadthof zum Rathaus hin öffnet.

Aber noch waren dem Strom nicht alle Tore geöffnet. Als in den 1890er Jahren nun auch über den Bau eines städtischen Kraftwerks diskutiert wurde, blieben viele Stadtverordnete skeptisch. Die Bedenkenträger wandten ein, in Offenbach gebe es nur Bedarf für etwa 400 Lampen, zu wenig für eine rentable Produktion.

Nur knapp siegten die Fortschrittsgläubigen mit dem Hinweis, beim Strom gehe es nicht nur um Licht, sondern auch um Kraft, mithin um eine Investition in die Zukunft. Das städtische E-Werk entstand dann an der Ecke Schlossstraße und Frankfurter Straße, in einem Nebengebäude der Gastwirtschaft „Erbacher Hof“. Mit ihm ging Offenbach ins 20. Jahrhundert, viele Jahre nach dem ersten Rendezvous im Dreieichpark.

Bleibt noch anzufügen, dass von der Landesgewerbeausstellung des Jahres 1879 mehr blieb als die Betonelemente und die Erinnerung an das elektrische Wunder. Die Veranstaltung schloss mit einem Überschuss von rund 40.000 Mark ab. Mit dem Geld erstellte die Stadt am Mathildenplatz einen Neubau für die Kunstgewerbeschule. Das Haus steht noch immer. Die Schule verließ es jedoch schon 1913. Sie wechselte in einen Neubau am Isenburger Schloss, nannte sich dort „Technische Lehranstalten“ und firmiert heutzutage an dieser Stelle als Hochschule für Gestaltung. Man sehe: Im Dreieichpark wurzeln nicht nur Bäume.

Von Lothar Braun

Veröffentlicht in der Offenbach Post (Öffnet in einem neuen Tab)

 

Straßenbeleuchtung Frankfurter Straße um 1910
Georeferenzierung

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