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Stadt Offenbach

1834: „Parre Herrmann“ irritiert Offenbach

„Der Herrmann ist wieder frei!“ Wie ein Lauffeuer eilte die Nachricht durch die Gassen von Offenbach. Die Aufregung kreiste um den Landwirt Johann Peter Herrmann aus dem Großen Biergrund. Er ist eine der bizarren Figuren, die das alte Offenbach immer wieder in Atem hielten.

Parre Herrmann

In jenem Jahr 1834 benannte kaum jemand den Johann Peter Herrmann noch mit seinen Vornamen. „Parre Herrmann“ hieß er allgemein, weil er zu predigen verstand wie ein feuriger Pfarrer. Manchmal aus einem Fenster seines Hauses Großer Biergrund 33, manchmal auf dem Hof des Anwesens pflegte er gewittergleich gegen Kirche und Geistlichkeit zu wettern.

Dem lauschten dann seine Mitbürger in Massen, amüsiert die einen, ergriffen die anderen. Manchen mag er erschienen sein wie eine Wiedergeburt des Martin Luther oder auch des revolutionären Thomas Münzer. Aber vielleicht ersetzte er den Offenbachern von 1834 auch nur vieles von dem, das wir heute kennen: Das Massenerlebnis im Fußballstation, beim Rock- und Pop-Konzert, das Kino und wohl auch das Fernsehen.

Es kam, wie es kommen musste. Die Volksaufläufe im Großen Biergrund öffneten die Ohren der Obrigkeit für Herrmanns Attacken. Der redegewandte Bauer wurde festgenommen und ins Irrenhaus gesperrt. Freigelassen haben sie ihn erst, als er nach einigen Wochen Besserung gelobte. An den Stammtischen war das die zweite Sensation nach der Verhaftung.

Vielleicht wäre „Parre Herrmann“ dennoch in Vergessenheit geraten, hätte er nicht am Ende seines Lebens einen bemerkenswerten Bürgersinn gezeigt. Bevor er 1886 im Alter von 76 Jahren starb, vermachte er der Stadt Offenbach aus seinem Besitz eine Hofreite mit der Adresse Schlossstraße 17. Die Stadt nutzte dieses Erbe für eine Verlängerung der Ziegelstraße. Als die Hofreite abgerissen war, konnte die Ziegelstraße mit der Schlossstraße verbunden werden.

Einige in der Stadt fanden das dankenswert und regten an, der Ziegelstraße den Namen Herrmannstraße zu geben. Dazu kam es nicht. Aber ein Jahr nach dem Tod des Erblassers erhielt eine Straße im neuen Viertel südlich der Bahnlinie den Namen. Die Hermannstraße trägt ihn heute mit einem R statt mit zweien. Das wiederum gibt der Vermutung Raum, damit werde in Wahrheit Hermann der Cherusker geehrt, der vor zweitausend Jahren die Römer schlug.

Ob ein R oder zwei, ob Cheruskerfürst oder Bauer aus dem Biergrund, eine Gewissheit immerhin steckt in Parre Herrmanns Geschichte: In 180 Jahren sind die Sensationen der Gegenwart verdampft.

                                                                                                       Lothar R. Braun

Parree Herrmann

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