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Stadt Offenbach

1859: Schäfer ließ das Wasser fließen

Am Waldenburger Weg ist ein Stück Boden abgesackt. Ahnungslose Siedler bauten dort vor Jahren im Bereich einer verfüllten und vergessenen Brunnenkammer, und die ist im Sommer 2012 plötzlich eingesunken. So schockierend dieser Vorfall im Süden der Carl-Ulrich-Siedlung auf die Betroffenen wirkte, er machte auch neugierig: Wie kommt eine Brunnenkammer dorthin? Das Ärgernis blättert die Geschichte der Offenbacher Trinkwasserversorgung auf.

Wasserwerk um 1905

Das führt zurück in eine Stadt, deren Bewohner ihr Trinkwasser in der Regel aus einem Brunnen am Haus bezogen. Dabei blieb es auch noch, als im 19. Jahrhundert Bevölkerungs-Wachstum und Industrialisierung das Offenbacher Grundwasser immer ungenießbarer werden ließen. Erst in der zweiten Jahrhundert-Hälfte kam der Fortschritt. Friedrich August Schäfer, der Bürgermeister der Jahre 1849 bis 1859, brachte das Wasser zum Fließen. Offenbach ehrt ihn mit dem Namen einer Straße südlich der Bahnlinie.

Mit einem Schreiben an die großherzogliche Regierung in Darmstadt stieß Schäfer am 15. Februar 1851 den Bau einer zentralen Wasserversorgung an. Gutes Trinkwasser sei in Offenbach „fast gar nicht vorhanden“, heißt es darin. Und: „Durch die vielen Fabrikanlagen dahier ist das wenige schlechte Wasser zum Teil ganz unbrauchbar geworden.“

Ein finanzieller Grundstock war gegeben. Für den Bau einer Wasserleitung verzichteten die Bürger auf die Auszahlung von Entschädigungen, die ihnen für militärische Einquartierungen im Revolutionsjahr 1848 zustanden. In Offenbach lagen damals Bundestruppen zum Schutz des Paulskirchen-Parlaments in Frankfurt bereit.

 

Bürgermeister Schäfer

1859 floss das erste Wasser aus der Quelle „Kalte Klinge“ in die Stadt. Gefördert wurde es im Wald hinter dem Ende der Schumannstraße. Über Senefelder- und Waldstraße, damals noch freies Feld, führte die Leitung zunächst zu einem Brunnen am Marktplatz. Nach dem weiteren Ausbau speiste das Netz 33 öffentliche Brunnen im Stadtgebiet.

Die Offenbacher erfreuten sich des Fortschritts. Als im September 1859 ein Jahr vergangen war, seit die Fassung der „Kalten Klinge“ den Schlussstein erhalten hatte, zog eine Festgesellschaft von dort zu Schäfers Wohnhaus, um den „Wasser-Bürgermeister“ hochleben zu lassen. Dabei war Schäfer zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr im Amt.

Nur in Ausnahmefällen gelangte das Wasser direkt ins Haus, und auch dort erreichte es allenfalls das Erdgeschoss. Der Druck des natürlichen Gefälles war zu schwach. Alte Chroniken erzählen, dass sich in den ersten Stunden nach Mitternacht Dienstmädchen und Hausdiener zum Wasserholen an den Brunnen versammelten, weil nur dann genügend Wasser floss. Dabei blieb es auch, als nach der „Kalten Klinge“ im Süden der Stadt weitere Quellen erschlossen waren.

Doch diese Versorgung genügte in der rasch wachsenden Stadt nicht lange. Die Stadtväter erwogen und verwarfen das Filtern von Mainwasser. 1871 fiel der Blick auf die Vordermark. Dort ließen sich neue Brunnen erschließen. An der Tempelseemühle entstand ein großer Speicher. Das innerstädtische Leitungsnetz verdichtete sich. Gleich acht neue Brunnen kamen um 1900 zwischen der heutigen Autobahn und Heusenstamm hinzu. Es sind die Jahrzehnte nach 1871, in denen die Brunnenkammer am Waldenburger Weg entstanden sein muss.

Die Neuzeit begann 1902 mit der Inbetriebnahme des Wasserwerks Hintermark. Nun brauchte man an der Tempelseemühle nicht länger mit der Kammer am Waldenburger Weg

Im Werk Hintermark fauchte eine Dampfmaschine. Das Werk Vordermark blieb jedoch betriebsbereit bis in die 1930er Jahre. Überflüssig wurde es erst durch den Bau des Wasserwerks Martinsee in der Gemarkung Heusenstamm. Vermutlich ist damals die Brunnenkammer verfüllt worden, deren Absenkung mittlerweile wohl behoben sein wird.

Heute bezieht Offenbach sein Trinkwasser von einem Zweckverband aus Stadt und Kreis. Für den erforderlichen Druck im Stadtnetz sorgen seit 1968 die weithin sichtbaren Hochbehälter auf dem Bieberer Berg. Dem Wasser, das von dort in die Haushalte und Betriebe fließt, bescheinigen Fachleute eine hervorragende Qualität.

                                                                                                           Lothar R. Braun

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