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Stadt Offenbach

1928: Helene Mayer gewinnt olympisches Gold

Die goldene Medaille glänzt nicht mehr ganz so neu wie einst. Aber man hatte sie ein wenig poliert, bevor sie den Offenbache zum Jahresende 2010 im Offenbacher Rathaus zeigte, zwei Monate lang und gut geschützt. Denn ihr ideeller Wert überragt den Wert des Metalls bei weitem. Es ist die Goldmedaille, die die damals siebzehnjährige Fechterin Helene Mayer 1928 von den Olympischen Spielen in Amsterdam heim nach Offenbach brachte.

Die Medaille und ein Florett, mit dem die Weltmeisterin focht, sind Teil einer Ausstellung, die zum hundertsten Geburtstag der Helene Mayer aufgebaut wird. Wochenlang hat Anjali Pujari im Archiv des Hauses der Stadtgeschichte daran gearbeitet, die Exponate aufzuspüren, mit denen sie zehn Ausstellungs-Vitrinen zu bestücken trachtet. Sie hat Dokumente zu Kindheit und Jugend sortiert und zu den Höhen und Tiefen eines kurzen Sportlerlebens. Das spannt sich von Offenbach bis Kalifornien.

Man wird einen Blick in Helenes Elternhaus werfen, wird sie bei Ballettübungen sehen und im Fest-Training mit Meister Arturo Gazzera. Fotos aus dem Jahr 1928 machen den triumphalen Empfang anschaulich, den der Fechtclub Offenbach ihr am Hauptbahnhof bereitete. Und man wird sehen, wie Reichspräsident von Hindenburg ihr den Glückwunsch der deutschen Nation übermittelte. Zu den Prominenten, mit denen sie fotografiert wurde, gehörten auch der Boxmeister Max Schmeling und das Filmidol Marlene Dietrich.

Helene Mayer tauft ein Boot des Rudervereins Undine. Stadtarchivarin Pujari betrachtet das Bild und entscheidet: „Das kommt in Vitrine 5“. Andere Fotos rücken die Spiele von Los Angeles im Jahr 1932 in den Blick, und dann sie Berliner Spiele von 1936: Judenhasser Adolf Hitler gratuliert der „Halbjüdin“ zum zweiten Platz. Eine Vitrine öffnet den Blick auf Helene Mayers Leben in Amerika. Eine andere dokumentiert die Rückkehr nach Deutschland, das Grab auf dem Münchener Waldfriedhof, das Kondolenzschreiben des Offenbacher Oberbürgermeisters Hans Klüber.

Zehn Vitrinen erzählen von Stolz und Trotz, von Idealen und Wahn, von Liebe, Heimweh und Schamlosigkeiten: Ein Leben wie ein großes Gemälde. Anjali Pujari will die Zerrissenheit einer jungen Sportlerin in der Epoche des Rassenwahns anschaulich machen: Helene Mayer lässt sich von den Nazis benutzen, weil sie nicht akzeptieren will, des jüdischen Vaters wegen ausgegrenzt zu werden aus der Gemeinschaft der Deutschen, an der ihr so viel liegt. Ein paar Monate danach muss sie erkennen, dass die Rassenfanatiker sie lediglich zu einem taktischen Manöver missbraucht haben.

Die zehn Vitrinen der Anjali Pujari werden ergänzt durch eine Wanderausstellung der Universität Potsdam mit dem Titel „Vergessene Rekorde“. Sie erinnert an jüdische Leichtathletinnen aus der Zeit um 1933. Von Offenbach aus wird sie an St. Augustin bei Bonn weitergereicht, allerdings ohne die Dokumente zum Leben der Offenbacher Fechterin.


LOTHAR R. BRAUN

Erschienen in der OFFENBACH POST

 

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