Als den Metzlersche Badetempel im Lilipark noch der Main umspülte und die Herrnstraße noch an herrschaftlichen Gartenanlagen endete.
Zum Main hin verlängert wurde die Herrnstraße erst 1892, als die heutige Mainstraße entstand. Es steht im Zusammenhang mit dem Bau des Hafens und den Erinnerungen, zu denen uns das Jubiläum der vor 120 Jahren eingeweihten Carl-Ulrich-Brücke Anlass gab.
Schiffsverkehr, wir erzählten davon, kannte Offenbach von altersher. Wer im 19. Jahrhundert Holz und Kohlen benötigte, versorgte sich aus den Schiffen in Sichtweite des Isenburger Schlosses. Das war billiger, weil die Zollgebühren erst bei Anlandung fällig wurden. Vor allem Floßhölzer waren dicht am Ufer gestapelt und gewährten Kindern einen unvergleichlichen Abenteuer-Spielplatz. Unkraut wucherte zwischen Stapeln fränkischem Sandsteins.
An der Westseite des Isenburger Schlosses konnte man in „Schlossers Garten“ unter alten Bäumen seinen Apfelwein trinken. Auf der Höhe der Speyerstraße lag eine Insel im Fluss, auf der seit 1815 die
Badeanstalt Klein sommerliche Erfrischung bot. Flöße aus dem Spessart und weiter her trieben rheinwärts. .
Das idyllische Bild änderte sich, als am Ende des 19. Jahrhunderts die Mainkanalisation endlich Offenbach erreichte. Der Hafen entstand, ein Damm übernahm den Schutz vor den häufig verheerenden Hochwassern. 1882, beispielsweise, drang es bis zu Marktplatz und Frankfurter Straße vor, die Altstadt wurde zu einem Klein-Venedig. Der Damm war Befreiung und Segen, aber er wirkte auch als Barrikade, die Offenbach von seinem Fluss trennte. Fortan wandte die Stadt sich ihrem Süden zu.
/>Verschwunden ist bei diesen Arbeiten die Maininsel mit der Badeanstalt vor der Speyerstraße. Wo sie einst aus dem Wasser ragte, parken heute Autos. Das Ufer war tief in den Fluss hineingezogen worden, sodass der Metzlersche Badetempel nicht mehr am Main, sondern an einer Straße stand. Den um 1900 gegründeten Rudervereinen verschaffte das den Raum für Bootshäuser und die Ausübung des neuen, aus England importierten Sports.
Scharen italienischer Gastarbeiter haben am Dammbau und der Neugestaltung des Ufers gearbeitet. Einige sind geblieben und wurden Offenbacher. An der Stadtgrenze freilich machte der Dammbau halt. Bürgel gehörte um 1900 noch nicht zu Offenbach. Das erklärt, warum dort erst in den 1920er Jahren ein Hochwasserdamm gebaut worden ist. Weil dabei viele Arbeitslose aus der Lederwarenindustrie Beschäftigung fanden, nennt der Volksmund noch heute den Bürgeler Abschnitt den „Portefeuillerdamm“ oder „Babbscherdamm“.
Talwärts von der Mainbrücke entwickelte sich der 1902 eröffnete Offenbacher Hafen zu einem bedeutenden Umschlagplatz. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte sich das Schwergewicht auf den Umschlag von Mineralöl. 1962 zum Beispiel löschten die Schiffe in Offenbach zwar noch 124.000 Tonnen Kohle, aber bereits 612.500 Tonnen Mineralöl. Es floss in Lagertanks, die das Bild der Hafeninsel beherrschten. Von dort gelangte es auf Schiene und Straße in einen weiten Umkreis.
Zwei Zahlen zeigen an, wie sich in dieser Zeit die Bedeutung des Hafens veränderte. 1962 legten in Offenbach 1387 Schiffe mit Fracht an, aber nur 33 holten hier Fracht ab. Als das Mineralöl andere Vertriebswege einschlug, rutschte der Hafenbetrieb ins Siechtum. Das Aus kam in den 1990er Jahren. Die Öltanks wurden demontiert. Die Hafenbahn, die die Ladekais mit einer lokalen Industriebahn und der Fernbahn verband, stellte ihren Betrieb ein.
Der Hafen wurde Brachland, auf dem Umkraut und Zukunftshoffnungen aufblühten. Dabei mögen einige Freizeiteinrichtungen auf der Hafeninsel alte Offenbacher daran erinnern, dass bis zum Zweiten Weltkrieg an der Hafenspitze die Sportschwimmer Raum für Training, Spiel und Wettkampf hatten. Dann erzählen alte Herren, wie sie sich als Buben von den Schleppzügen stromauf ziehen ließen, immer auf der Hut vor der Besatzung, die beim Verscheuchen der blinden Passagiere auch schon mal gewalttätig wurde. Auf dem Wasser des Mains schwimmen viele Erinnerungen.
Von Lothar R. Braun