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Stadt Offenbach

Die Industrialisierung

Offenbachs Entwicklung zur Industriestadt basiert auf der Gewerbetradition des 18. Jahrhunderts, wurde aber durch die vom Großherzogtum Hessen-Darmstadt im Jahre 1819 beschlossene »vollkommene bürgerliche Gewerbefreiheit« sehr begünstigt. Schon 1821 wurde unter großherzoglicher Förderung die Handelskammer in Offenbach ins Leben gerufen wurde. Straßenanbindungen nach Seligenstadt und Sprendlingen, aber vor allem auch die »Schiffsbrücke« über den Main, förderten die Entwicklung zum Produktionszentrum weiter.

Firma Karl Maier - eine der großen Lederwarenfabriken mit einem europaweit führenden Gerbverfahren.

Die Weigerung der Nachbarstadt Frankfurt, sich als Freie Stadt dem preußisch-hessischen Zollvertrag anzuschließen, führte zwischen 1828 und 1835 zur Etablierung einer »Messestadt Offenbach«. Die Ratifizierung des Zollabkommens durch Frankfurt beendete schließlich jene kurze Ära als Messeplatz, das Wirtschaftswachstum ging aber weiter, sichtbar in der Aufstellung der ersten Dampfmaschine in der Baumwollspinnerei Hauff im Jahr 1832.

In das gleiche Jahr fällt auch die Gründung einer Handwerkerschule, die als früheste Vorgängerin der heutigen Hochschule für Gestaltung (HfG) angesehen werden darf. Ebenfalls 1832 wurde das Bankhaus Siegmund Merzbach, 1833 die Städtische Sparkasse, 1844 eine Lokalsektion des Hessischen Landesgewerbevereins zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft gegründet.

Offenbach entging durch seine Gewerbestärke dem »Pauperismus«, der anderwärts in den Jahren zwischen 1820 und 1850 grassierte und die unterbeschäftigten Handwerker und überzähligen Landarbeiter zur Verzweiflung brachte.

Im 19. Jahrhundert entwickelten sich neben der florierenden Textilindustrie die Lederwarenindustrie und der Maschinenbau. Auch chemische Betriebe, die aufgrund Ihrer Geruchsbelästigung in Frankfurt nicht toleriert wurden, ließen sich in Offenbach nieder. So beispielsweise die Seifenfabrik Martin Kappus, die nach wie vor in Offenbach produziert.

Das wichtigste Feld der industriellen Produktion war die Lederwarenherstellung. Neben einigen Großbetrieben wie Mayer, Goldpfeil und Hassia gab es eine Vielzahl von Klein- und Mittelbetrieben. Viele dieser Betriebe waren Familienunternehmen, die sich langsam zu ihrer endgültigen Produktionsgröße entwickelten. So gab es im Jahr 1882 eine Gesamtzahl von 353 Betrieben in diesem Industriezweig und im Jahr 1907 bereits 291 Allein- und 340 Gehilfsbetriebe in Offenbach.

Die Lederwarenindustrie war auf die Zulieferung von Spezialteilen (Scharniere, Schlösser etc.) durch das metallverarbeitende Gewerbe angewiesen, welches dadurch ebenfalls eine aufsteigende Tendenz erhielt.

Eine besondere Rolle konnten das graphische und das Druckgewerbe einnehmen. Die aufstrebende Offenbacher Industrie bot auch der Bevölkerung des Umlandes viele Arbeitsplätze. Teilweise mit Fuhrwerken, vor allem aber zu Fuß, kamen frühmorgens Scharen von Arbeitern aus den umliegenden Ortschaften nach Offenbach. War der Weg zu weit, wohnten viele die Woche über in der Nähe oder sogar direkt in ihrer Fabrik. Durch die besseren Verkehrsverbindungen endeten diese Bräuche im Kaiserreich. Arbeitszeiten von 60 Stunden pro Woche waren bis in die frühen Jahre des 20. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich. 54 Wochenstunden an 6 Werktagen waren nur bei wenigen Betrieben üblich. Bezahlten Urlaub gab es bei der Fa. Kappus und bei der Stadtverwaltung, die unter sozialdemokratischer Ägide ein modernes Tarifsystem und deutlich verbesserte Konditionen erhielt.

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