Jury vergibt Rudo Spemann-Preis für innovative Schriftkunst
19.08.2019
Alle zwei Jahre wird am Klingspor Museum der Rudo Spemann - Preis vergeben, im Gedenken an den herausragenden Schreiber und Kalligraphen R. Spemann (1905-1947), dessen nahezu gesamter Nachlass zum Kernbestand der Museumssammlung gehört. Die Idee zur Verleihung des Preises geht auf die Gründung der Klingspor-Spemann-Stiftung zurück, die zwischen Stifterfamilien und Stadt Offenbach die Gründung des Museums 1953 bewirkte.
Der Wettbewerb, aus dessen Einsendungen per Jury-Verfahren preiswürdige Arbeiten ermittelt werden, verfolgt das Ziel die Technik der Handschrift im weitesten Sinne zwischen ornamentaler Gestaltung und individueller Formgebung persönlicher Handschrift als lebendiges Äußerungsmittel zu fördern und nachzuweisen.
Mehr denn je, erreichten zum diesjährigen Wettbewerb 82 Einsendungen das Museum (Studierende, Auszubildende, Schüler). Sie forderten die Jury (alle Mitglieder sind langjährig mit dem Gebiet Schriftkunst befasst) mit einem breiten Spektrum inhaltlicher und formaler Arbeiten heraus. Alle Arbeiten folgten der Ausschreibungsvoraussetzung, die eine Stellungnahme zu einem Aspekt aktuellen Gesellschafts- und Kulturlebens, schriftgestalterisch in Form gebracht, verlangte. Handschrift sollte dabei eine maßgebliche Rolle spielen.
Preisträgerinnen
Der erste Preis (1200 €) ging an Susanne Mader, Hochschule Augsburg; zwei zweite Preise (je 400 €) erhielten Carolin Kasche und Sonja Schwab, Hochschule RheinMain Wiesbaden; eine begründete Anerkennung erhält Junjian Wang, Hochschule für Gestaltung Offenbach.
Preisverleihung
Die Urkunden wurden den Preisträgerinnen während der Eröffnung der Ausstellung AUSDRÜCKLICH SCHRIFT im Klingspor Museum am 18.9.2019 um 19 Uhr verliehen.
Erster Preis: Susanne Mader, Bayerische Schimpfwörter
„Himmi Herrgott – seids liab; Zum Deifi noa moi – liab sei jetzt; Liab sei zefix .“ Ob Himmel oder Hölle - in beiden Sphären sind Anhalte zur Beschwerdeführung sinnfällig und haben Tradition. Wut macht sich Raum. Auf drei braunen Pappen verteilt, stilisiert S. Mader die Dynamik und Heftigkeit der Schimpfformeln in Form von subtil aufgebrachten Lettern, die eng an Vorbildern der Fraktur anlehnen. Quer über diese Wortkaskaden verlaufen als lang ausgezogene Buchstabenschleifen die dem Lieben zuratenden Bemerkungen. Mader schreibt: „Ausgangspunkt war der von Natur aus/traditionell (daher auch die gebrochene Schrift), "grantelnde" und fluchende Augsburger bzw. Bayer, der mithilfe seiner eigenen Worte zu etwas mehr Empathie für eine respektvollere Gesellschaft aufgerufen wird. Die sehr moderne weiche Handschrift bildet dabei den nötigen zukunftsweisenden Kontrast.“ Die inhaltlich wie formal auf Gegenbewegung angelegten Figurationen bestechen durch ihr Spiel mit den Polen des Gestaltens im Gestern und Heute. Ein höchst stimmiges Schriftbild zeugt von Witz, Ironie und zugleich veritabler Beherrschung schriftgrafischer Ausgestaltung.
Zweiter Preis: Carolin Kasche, Jeder hat ein Recht auf Meinung
Aus blutrotem Grund prallt weiße grätige Schrift ins Auge des Betrachters. Eindringlich macht die schroff zackige Typo ihren Appell augenfällig.
Das Allgemeingut der Botschaft durchdringt die persönliche Haltung der Gestalterin - dafür stehen die vier blattfüllend in den Grund eingeschmolzenen Versalien des Wortes MEIN. Alle Textteile sind gekonnt über die Fläche verteilt, bestimmt von der Größe der Haupt - und der Kleinheit der Nebenaussage. Der Leser wird mitgerissen.
Zweiter Preis: Sonja Schwab, Mikroplastik
Ein Wasserfall, wie gestäubt, trägt die herabregnenden Streifen feiner, gestreckter Schriftzüge. Sie formen das Wort mikroplastik. Dass gleichsam unterschwellig, im Kleinen sich eine umso größere Verseuchung des Wassers als Lebensraum abspielt, wird aus der fein dosierten Abstimmung der formalen und farblichen Mittel visuell spürbar.
Begründete Anerkennung: Junjian Wang,Die Grenze im Herzen
Rudimentärste Elemente, Schwarzer Edding auf Graupappe, billigstes Klebeband aus durchsichtigem Plastik - so lässt der Schreiber ein Wörtermeer entstehen, das die aktuellen Dramen von Menschen einliest, die an Grenzen, Zäunen, Mauern, Verschlägen den Weg der Zusammenkunft, Zugehörigkeit, Zukunft angeschnitten bekommen. Kein Bild könnte deutlicher als dieses Arrangement der Wörter-Verklebung den Menschen unwürdigen Zustand in vielen Ländern vibrierend vor Augen führen. Die Litanei in simpler Radikalität trägt das aufrüttelnde schriftgrafische Signal.