Auf einen Kaffee mit ...
Marie Grasse
Die vhs ist ein offenes Haus, bunt und vielfältig. Im neuen Format „Auf einen Kaffee mit ...“ plaudert vhs-Leiter Dirk Wolk-Pöhlmann in der Cafeteria mit Menschen, die er im vhs-Gebäude trifft, und fragt sie nach ihren Geschichten rund ums Lernen, Wissen-Teilen, Ausprobieren und Neuentdecken. Dieses Mal hat er Marie Grasse getroffen, eine Kursteilnehmerin, die einen Spanischkurs an unserer vhs besucht. Die beiden unterhalten sich über die vhs, über eine energiegeladene Kursleiterin, über das „Frau“ sein und vieles mehr. Aber lesen Sie selbst…
Frau Grasse, ich treffe Sie hier im ersten Stock bei Kaffee und Kuchen. Was führt Sie heute eigentlich in die vhs?
Marie Grasse: Mein Spanischkurs um 18:00. Spanisch bei Katarzyna Brudlo.
Dirk: Kennen Sie Frau Brudlo schon aus einem alten Spanischkurs? Oder ist es Ihr erster Spanischkurs mit Frau Brudlo?
Marie Grasse: Nee, nee, ich mache bei ihr Spanisch seit Februar letzten Jahres. Die Leute, die da im Februar zusammen angefangen haben Spanisch zu lernen, sind so eine schöne Gruppe, sowohl mit der Lehrerin als auch als Gruppe der Teilnehmenden. Wir sind alle so zusammengewachsen.
Dirk: Was macht die Gruppe denn so toll? Wer ist die Gruppe? Was macht die so nett?
Marie Grasse: Wir sind immer so 5 bis 8 Teilnehmende. Irgendwie verstehen wir uns alle sehr gut. Also es ist auch so ein Witz dahinter, irgendwie was mit denen zu machen. Und dann unsere Kursleiterin, sie kommt so energetisch rein. Und wohlgemerkt ich komme nach der Arbeit um 18:00 Uhr zum Kurs und das ist eine krasse Zeit. Dann kommt diese Frau rein und die arbeitet ja auch noch woanders. Und sie hat so eine krasse Energie, die hat so eine positive Ausstrahlung, die liebt, glaube ich, das Leben. Und die liebt auch diesen Unterricht. Und sie reißt die Leute mit und sie strahlt. Ich habe, glaube ich, noch nie eine Frau erlebt, die so viel strahlt. Einfach so.
Marie GrasseUnd dann unsere Kursleiterin, sie kommt so energetisch rein. ... Und sie reißt die Leute mit und sie strahlt. Ich habe, glaube ich, noch nie eine Frau erlebt, die so viel strahlt. Einfach so.
Dirk: Das klingt sehr lebensbejahend und nach einem entspannten Kurs. Und sie kommen aus Offenbach oder aus Frankfurt?
Marie Grasse: Ich komme ursprünglich aus München. Der eigentliche Weg ging erst von München nach Konstanz. Dann habe ich in Schweden gewohnt, dann in Stuttgart, dann nach Frankfurt für ein Jahr und dann bin ich nach Offenbach gekommen. Seit 1. März wohne ich jetzt in Frankfurt.
Dirk: Und wie gefällt Ihnen Offenbach?
Marie Grasse: Ich finde Offenbach ist eine sehr coole Stadt. Also schön kann man wirklich nicht sagen, wenn man aus München kommt. Aber es ist in dem Sinne eine coole Stadt für mich gewesen, als ich eine Studentin war, weil man hier auch viel erleben kann.
Dirk: Ja.
Marie Grasse: Aber man muss schon sagen, aus einer weiblichen Perspektive heraus, ist man manchmal, gerade so am Wochenende oder nachmittags, die einzige weiblich gelesene Person auf den Straßen. Also ich glaube, man merkt schon noch mal mehr, dass in Offenbach einfach andere Kulturen vielleicht stärker vertreten sind.
Dirk: Also eher männlich geprägte Kulturen würden Sie sagen?
Marie Grasse: Ja, und beispielsweise eher männlich gelesene Personen verbringen mehr Zeit auf der Straße.
Dirk: Mir fällt auf, dass Sie immer wieder sagen „männlich gelesene und weiblich gelesene Person“. Erklären Sie mir das Konzept noch mal? Ich habe das unlängst zum Ersten Mal selber so formuliert.
Marie Grasse: Ich würde sagen, mich hat es sehr geprägt noch mal an der Uni in Frankfurt studiert zu haben. Das Thema hat für mich an Bedeutung gewonnen, weil ich mich unter anderem mehr mit Themen aus den Gender Studies etc. beschäftigt habe. Also wenn man eine Affinität für das Thema hat und vielleicht dann auch noch im Gleichstellungsbüro gearbeitet hat, was ich gemacht habe, dann hat man dazu einen leichteren Zugang, sowohl zum Gendern als auch nicht unbedingt eine geschlechtliche Zuschreibung zu machen. Es wäre mir gar nicht aufgefallen, wenn sie mir das jetzt gerade nicht gespiegelt hätten und dass ich das so sage, weil das schon seit Jahren in mir drin ist.
Dirk: Sehr interessant. Kommen wir nun zu einer Frage, die ich auf jeden „Auf einen Kaffee mit…“ stelle: Gibt es etwas in diesem Leben, das Sie unbedingt noch lernen wollen?
Marie Grasse: (...) Italienisch würde ich gerne noch lernen und entspannt kochen.
Dirk: Die zweite Frage, die ich in jedem Interview stelle, ist eine kleine Satzergänzung: Die Mitte der Welt ist für mich…?
Marie Grasse: Die Mitte der Welt ist für mich, … bei mir selbst.
Dirk: Mögen Sie das noch ein bisschen erläutern?
Marie Grasse: Meine Welt und mein Anspruch ist, meine Mitte zu sein oder vielleicht auch in meiner Mitte zu sein.
Dirk: Wann gelingt es Ihnen gut, in Ihrer Mitte zu sein?
Marie Grasse: Das ist zyklusabhängig würde ich sagen. Ehrlicherweise.
Dirk: Ehrliche Antworten von ihnen, aber für mich too much information – um auch ehrlich zu sein.
Marie Grasse: Nee, das ist eben nicht too much information! Das wäre auch ein Punkt, worüber man jetzt hier direkt reden könnte. Das ist nämlich ein Thema, was ja auch total verkrampft in der Öffentlichkeit behandelt wird. Also alles rund um die weibliche Periode ist ja immer so ein Tabuthema, aber letztendlich wäre es total sinnvoll, auch offen über Periode, PMS (Anmerkung: prämenstruelles Syndrom), Zyklusbeschwerden etc. zu kommunizieren, auch gerade um was zu ändern.
Marie GrasseMeine Welt und mein Anspruch ist, meine Mitte zu sein oder vielleicht auch in meiner Mitte zu sein.
Dirk: Ja, das ist schon richtig. Da gebe ich Ihnen voll recht. Das ist kein offenes Thema. Darüber reden wir nicht.
Marie Grasse: Es ist ja auch gesellschaftlich ein absolutes Tabuthema.
Dirk: Die Frauen erheben ja das Monopol auf die Zyklusbeschwerden. Aber auch wir haben ja Zyklen, Wechseljahre. Das gilt ja auch für uns Männer.
Marie Grasse: Und dann wäre es ja total sinnvoll, weil man quasi gesamtgesellschaftlich und auch in der vhs Offenbach, für alle Beschwerden von Frauen, Männern, allen Menschen allgemein, ein offeneres Ohr hätte. Aber ich würde trotzdem auch entschieden widersprechen wollen, weil männliche Zyklen sind wirklich hardcore etwas Anderes als weibliche Zyklen. Also, ich möchte mal kurz was sagen, weil das ist so ein Standardargument, da werde ich irgendwann sauer. Ich bin 29, seitdem ich zwölf war, habe ich meine Periode. Ich sage Ihnen was, kein Mann dieser Welt wird sich je vorstellen können, was es bedeutet, einmal im Monat seine Periode zu haben, oder was es bedeutet, schwanger zu sein, was es bedeutet, ein Kind zu gebären etc. Also, das sind einfach andere Beschwerden und Schmerzen. Und ich will ihnen damit nicht absprechen, dass sie nicht auch irgendwelche Beschwerden haben. Darum geht es nicht. Aber das ist auf einer anderen Stufe. Das ist, glaube ich, der springende Punkt. Da kann die vhs auch wieder eine Vorbildfunktion einnehmen, gerade für Menschen, die hierherkommen und vielleicht mit dem Thema noch nie in Berührung gekommen sind – aufgrund fehlender Aufklärung oder so.
Dirk: Genau. Ich könnte zunächst die Frage aufwerfen, ob städtische Einrichtungen wie die vhs mit Periodenprodukten ausgestattet werden. Was ich tatsächlich mache, das verspreche ich Ihnen, dass ich dieser Frage nachgehen werde.
Frau Grasse, ich bedanke mich für das tolle Interview und Ihre Zeit!
Das Gespräch "Auf einen Kaffee mit..." fand in der Cafeteria der vhs statt. Besuchen Sie uns dort doch mal.
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