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Stadt Offenbach

Geschichte der Volkshochschule

Mehr als 100 Jahre Bildung und Weiterbildung an der Volkshochschule Offenbach

Verfassungsrang

In der Weimarer Republik erhält 1919 die Erwachsenenbildung erstmals Verfassungsrang. In Artikel 148 (4) der Weimarer Reichsverfassung heißt es: „Das Volksbildungswesen, einschließlich der Volkshochschulen, soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert werden.“

Zu Beginn des Jahres [1919] hielt der Volksrat [in Offenbach] eine Besprechung über Bildungsfragen ab. Ziel der Beratung war es, Maßnahmen zu ergreifen, um die, nach dem Ende des ersten Weltkrieges, große Zahl an Erwerbslosen von der Straße wegzubringen und mit geistigen und beruflichen Fragen zu beschäftigen. [...] 

Am 28.05.1919 wurde in einer Versammlung, bei der Vertreter aus allen Kreisen der Bevölkerung anwesend waren beschlossen, eine Volkshochschule zu gründen. [...] Die Volkshochschule wurde dem Ausschuss für Volksvorlesungen als gesonderte Einrichtung angegliedert. Mit einem Volkskunstabend wurde am 14.10.1919 die Volkshochschule eröffnet [...].

Im ersten Jahr des Bestehens fanden neun, im zweiten bereits 15 Kurse statt. Die Themen waren: Soziologie, Philosophie, Verfassung und Steuern, Chemie, Physik, Kunstgeschichte, Kunstgewerbe, Volkswirtschaft, Buchhaltung und Bilanzwesen, Handelswissenschaft, Musik, Frauenfragen, Geschlechtskrankheiten. Sie wurden im Jahr 1921 von 2.839 (1963 männliche und 876 weibliche) Teilnehmern besucht. [...] Im Jahr 1922/23 stieg die Hörerzahl bis auf 4.642. [...]

Gleichschaltung

Der nationalsozialistische Staat verfolgte von Anfang an die politische Zielsetzung, die gesamte Nation zu überzeugten Anhängern des Nationalsozialismus zu formen und den „neuen Deutschen Menschen“ zu schaffen. Damit stand die Volksbildung im Nationalsozialismus in klarem Gegensatz zum freien, demokratisch und pluralistisch strukturierten Volkshochschulwesen der Weimarer Republik, das den Prinzipien der Freiheitlichkeit und politischen wie weltanschaulichen Unabhängigkeit verpflichtet war und in diesem Sinne der Allgemeinbildung auf wissenschaftlicher Grundlage diente. [...]

Am 08.11.1935 wurde die Eröffnung des „Deutschen Volksbildungswerks, Gau-Hessen-Nassau, Volksbildungsstätte Offenbach am Main“ gefeiert. Sein Programm bestand aus Vortragsreihen und Einzelvorträgen. Es fanden noch Veranstaltungen bis 1943 statt. Die Leitung übernahm der Stadtbibliothekar Adolf Völker. [...]

Neugründung

[Nach Ende des Nationalsozialismus wurde ein Programm entwickelt, welches die Wiederaufnahme der Tätigkeit von Kindergärten, Schulen, Religionsgemeinschaften, Kultur- und Sport-Vereinigungen und auch über Maßnahmen der Jugendpflege und Erwachsenenbildung thematisierte.] Dieses Programm galt als empfehlenswertes Beispiel für den ganzen Befehlsbereich der amerikanischen 7. Armee. [...] Am 20.11.1945 wurde der erste Arbeitsplan der Volkshochschule der Stadt Offenbach am Main vorgelegt. 

1949 wurden 30 Kurse pro Trimester veranstaltet. Neben der Volkshochschule arbeiteten mit ähnlicher Aufgabenstellung der Arbeiterbildungsausschuss, der Sozialistische Kulturbund, die Gewerkschaften, die Kolpingfamilie und das Frauenbildungswerk. Am 28.12.1949 wurde auf Anregung von Stadtrat Hermann Maas der Offenbacher Bund für Volksbildung e.V. gegründet, [vermutlich ein Zusammenschluss der Gruppierungen].

In der ersten Mitgliederversammlung, die am 19.01.1950 stattfand, wurde eine neue Satzung angenommen, deren Paragraph 2 lautet: „Zweck des Vereins ist die Förderung und Durchführung der Aufgaben der Volksbildung in allen ihren Zweigen im Stadtgebiet von Offenbach und die Pflege des Politischen Verständnisses der Bevölkerung im Sinne der Demokratie. Die Aufgabe des Vereins ist insbesondere die Durchführung aller Veranstaltungen volkstümlicher Bildungspflege, die Leitung der Offenbacher Volkshochschule, die freie Förderung der Berufsbildung, die Weckung und Kultivierung des Kunstsinnes durch Förderung von Theater, Musik und der sonstigen schönen Künste und die kulturelle Betreuung der Jugend.“ [...]

Kommunale Verankerung

Die Mehrheit der Stadtverordneten beschloss die Kommunalisierung der Volkshochschule zum 01.07.1984, [da sie trotz seit Jahren gestiegener städtischer Finanzbeiträge keinen entsprechenden städtischen Einfluss auf die Entscheidungen des Vereins Volkshochschule sah.] Da in der Frage der Übernahme hauptamtlicher Mitarbeiter als städtische Bedienstete keine Einigung zu erzielen war, klagte der Trägerverein und blockierte durch Gerichtsentscheid die Kommunalisierung. Das Verwaltungsgericht Darmstadt erklärte die Kündigung des Rechtsverhältnisses zwischen Stadt und Verein für unwirksam. Daraufhin legte der damalige Oberbürgermeister Suermann Berufung ein. Aufgrund der ungeklärten Situation zur Trägerschaft schlossen verschiedene hauptamtliche Mitarbeiter Arbeitsverträge mit der Stadt. 

Trotz aller sich auch in den weiteren Jahren hinziehenden Auseinandersetzungen um die geplante Kommunalisierung ging der Unterrichtsbetrieb der Volkshochschule ungestört und erfolgreich weiter mit nun über 500 Kursen und etwa 8.000 Teilnehmern. Für den Fachbereich Deutsch als Fremdsprache wurde 1985 eine hauptamtliche Mitarbeiterin eingestellt. Gleichzeitig begannen Kurse für ausländische Frauen, aus denen sich das sogenannte „Euro-Projekt“ entwickelte. [...]

Am 01.02.1992 übernimmt Dr. Gabriele Botte als erste Amtsleiterin die Leitung der kommunalen Volkshochschule Offenbach. Ihr Auftrag sind vor allem wirtschaftliche Konsolidierung, Qualitätssicherung und Vertrauen schaffende Integration in die Stadtverwaltung.

Bildungsmanagement und Weiterbildung für die Zukunft

Die vhs Offenbach erhält 2009 das Gütesiegel für die Ausbildung von Tagesmüttern und unterzieht sich erstmals einer Zertifizierung nach AZWV (Anerkennungs- und Zulassungsverordnung – Weiterbildung), heute AZAV (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung), zusätzlich zum stadtinternen Qualitätsmanagementsystem.

Nach Projektende von „Lernen vor Ort“ wird von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung der Beschluss gefasst, an der Volkshochschule die Fachstelle Bildungskoordinierung und Beratung einzurichten, die für die Fortführung der entwickelten Strukturen sorgt. Ihre Aufgabe ist es weiterhin, Transparenz in der Bildungslandschaft und Abstimmung unter den Bildungsakteuren durch Netzwerkarbeit sicherzustellen, außerdem die kommunale Bildungsberichterstattung fortzuführen.

Mit Blick auf das Auslaufen des Mietvertrages im Jahr 2020 und den mittlerweile nicht mehr angemessenen Zustand der Räumlichkeiten wird 2014 anlässlich des 95-jährigen Jubiläums auf die Klärung der räumlichen Zukunft für die vhs gedrängt. War man im Jahr 2000 noch davon ausgegangen, dass das Lernen in Kleingruppen mit ca. zehn Teilnehmenden wachse, sind nun wieder für den mittlerweile zahlenmäßig dominanten Deutschbereich große Räume notwendig, für den weiter wachsenden Gesundheitsbereich Räume mit besonderer Ausstattung.  Schließlich erfolgen im Januar 2018 die Umzüge aus allen Dependacen in die nun erweiterten endgültigen Flächen in der Berliner Straße 77. Die Volkshochschule belegt seitdem die unteren sechs Geschosse des Gebäudes und verfügt damit über eine angemessene und zukunftsfähige Raumausstattung, sowohl hinsichtlich der Anzahl wie der digitalen Ausstattung auf der Höhe der Zeit. Der 5. Stock steht dem Jugendbildungswerk und der Produktionsschule Start-Projekt zur Verfügung. Die Produktionsschule Gastronomie, Hauswirtschaft, Dienstleitung wird ab August 2019 in die Volkshochschule integriert.

Hessencampus Offenbach geht mit den Schwerpunkten Bildungsberatung, Herkunftssprachliche Sprachstandserhebungen und Grundbildung in den Regelbetrieb. 

Ab 2019 ist die Volkshochschule Mitglied im Netzwerk „Stiftung Haus der kleinen Forscher “.

Das durch das Netzwerk Elternschule geförderte Projekt „Elternorientierte Bildungsarbeit – Eltern stärken ihre Kinder“ beginnt 2019. Hier werden Multiplikatoren über das deutsche Schulsystem fortgebildet, um es für zugewanderte Eltern in deren Herkunftssprachen zu erklären. Für die hervorragende und engagierte langjährige Arbeit erhält das Projekt der Volkshochschule den Integrationspreis der Stadt Offenbach des Jahres 2022.

Die mittlerweile über 100-Jährige hat sich in dieser langen Zeit ständig verändert, sich immer wieder „neu erfunden“ und wird dies auch weiterhin tun. Denn neben all den notwendigen und sinnvollen Gründen für Beteiligung an Bildung im gesamten Lebenslauf wie Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft, die ständiger Wandlung unterliegen, Aufklärung und Teilhabe für Menschen im demokratischen Gemeinwesen, Verbesserung der Karrierechancen, Verbesserung von Gesundheit, Kreativität und Internationalität, ist Bildung ein menschliches Grundbedürfnis, auch in Zeiten größter Not – wie die Gründung bzw. Neugründung der Volkshochschule direkt nach den beiden Weltkriegen des letzten Jahrhunderts belegen.

Auch heute noch gelten die wesentlichen Grundprinzipien: Die Volkshochschule ist eng mit der Kommune verbunden, deren Bevölkerung, ganz unabhängig von Gruppenzugehörigkeit, wird ein möglichst breites, schwerpunktmäßig eher allgemeinbildendes Weiterbildungsangebot unterbreitet, die Dozentinnen und Dozenten sind meist freiberuflich tätig und für die Teilnahme gilt das Freiwilligkeitsprinzip. 

Die Grundversorgung der Erwachsenen mit allgemeiner Bildung ist gemäß Hessischem Weiterbildungsgesetz kommunale Pflichtaufgabe. Und so erfüllt die Volkshochschule als öffentliche Weiterbildungseinrichtung der Stadt Offenbach die Aufgabe, ein umfassendes Weiterbildungsangebot für die gesamte Bevölkerung zu sichern.


Text aus „Geschichten & Gesichter - 100 Jahre vhs Offenbach, herausgegeben vom Magistrat der Stadt Offenbach Volkshochschule Offenbach – Weiterbildung und Bildungsmanagement, Mai 2019


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