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Stadt Offenbach

Neuer Blick auf die Situation von Frauen in Offenbach/ Gleichstellungsbeauftragte zieht Zwischenbilanz

23.08.2021

Offenbach am Main, 23. August 2021 - Wie steht es um Frauen- und Gleichstellungsfragen in Offenbach? Dr. Inga Halwachs leitet seit einem Jahr das Frauenbüro der Stadt, vorher war die promotivierte Soziologin als Referentin im Gleichstellungsbüro der TU Darmstadt beschäftigt. Die Aktivitäten und Ziele, die Frauen und Männer in Offenbach gleichstellen und fördern sollen, sind ihr vertraut. Wo also stehen Öffentlichkeit, Unternehmen und Institutionen in der Stadt, was ist gut und was kann vielleicht noch besser werden?  

„Ich habe von meiner Vorgängerin Karin Dörr ein aufgeräumtes Haus übernommen“, sagt Halwachs, „aber natürlich ist ein Wechsel immer auch die Chance, mit frischem Blick auf das Bestehende zu schauen und anzuknüpfen.“ Beispielsweise mit der Fortführung des etablierten Sophie von La Roche-Preises im August 2020 durch den Magistrat der Stadt Offenbach. Preisträgerin war Antje Hagel, die sich als Koordinatorin des Fanprojekts Kickers Offenbach für den Abbau von Stereotypen und gegen Sexismus, Rassismus und Diskriminierung im Fußball engagiert. Ein Novum war der feministische Spaziergang „Frauen* | Kunst | Raum“ anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März 2021, der sich mit fünf verschiedenen Installationen mit gestellungspolitische Themen wie Entgeltgleichheit, Rollenerwartungen und -klischees und Gewalt gegen Frauen beschäftigte.  

Gewalt gegen Frauen

Weil statistisch jede dritte Frau in ihrem Leben einmal Opfer von Gewalt wird, koordiniert Halwachs den Facharbeitskreis gegen häusliche und sexualisierte Gewalt, der sich aus Vertreterinnen und Vertretern des Hilfesystems in der Stadt Offenbach zusammensetzt. Denn auch hier waren laut Polizeistatistik im Jahr 2020 insgesamt 222 Frauen von häuslicher Gewalt betroffen. Studien sowie bundesweite Beratungsstellen wie das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ gehen von einer höheren Dunkelziffer durch die Corona-Pandemie aus, diese Vermutung bestätigen auch die gestiegenen Beratungsfälle beim Weissen Ring oder der Caritas in Offenbach. Um das Thema „Gewalt gegen Frauen“ aus der Tabuzone zu holen und die Bevölkerung weiter zu sensibilisieren, hatte der Facharbeitskreis am 25. November 2020, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, mit Schablonen und Sprühkreide sichtbare Spuren in der Stadt hinterlassen. „Es ist mir sehr wichtig, beim Thema Gewalt gegen Frauen immer wieder deutlich Position zu beziehen. Denn das Thema Gewalt gegen Frauen geht eben nicht nur Frauen, sondern insbesondere Männer an“, betont Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke. „Wir müssen als Gesellschaft daran arbeiten, dass alle Menschen ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben führen können.“.
Dazu gehört auch das etablierte Projekt für „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung in Offenbach“ im Projektverbund aus Offenbacher Kliniken, pro familia Offenbach und Frauenbüro, bei dem Vergewaltigungsopfer vertrauliche medizinische Hilfe, Versorgung und Beratung, unabhängig von einer Anzeige bei der Polizei erhalten. Schon in seiner Zeit als Sozialdezernent war es dem heutigen Oberbürgermeister Schwenke wichtig, dieses Projekt zu unterstützen.
Zurzeit koordiniert das Frauenbüro eine Bestands- und Bedarfsanalyse zur Umsetzung der vom Europarat beschlossenen Vereinbarung zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, kurz Istanbul Konvention, in Offenbach. Diese trat 2018 in Kraft und verpflichtet Bund, Länder und Kommunen neben der Gewaltprävention, dem Opferschutz und Bewusstseinsbildung zur Bereitstellung von Schutzunterkünften in Frauenhäusern in ausreichendem Maße. Als ausreichend gilt ein Familienzimmer pro 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner, daher müsste das Frauen- und Kinderhaus in Offenbach zwei weitere Familienzimmer erhalten.

Bewusstsein für Ungleichheit schaffen und Selbstbewusstsein stärken

Aber auch darüber hinaus ist viel passiert. So beschäftigt sich im Auftrag von Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Stadtverwaltung Martina Jöst und dem Leiter des Personalamts Thomas Heberer mit Fragen einer diskriminierungssensiblen Ansprache. „Wir wollen, dass sich jede Person, egal welchen Geschlechts, von Texten in Formularen und anderen Schriften angesprochen fühlt“, erklärt Jöst. „Mitgedacht“ reicht heute nicht mehr aus und wir hoffen, dass unsere Empfehlung auch über die Stadtverwaltung hinaus auf Nachahmung stößt.“
Dazu gehört auch die vom Frauenbüro bereits 2016 vorgelegte Liste mit den Namen von 31 Frauen, die Offenbach geprägt haben, um weibliche Vorbilder bei der Neu- oder Umbenennungen von Straßen oder Schulen zu berücksichtigen. Davon zeugenbeispielsweise der Elisabeth-Selbert-Steg im Hafen oder die Ottilia-Carolina-Moufang-Straße im Stadtteil An den Eichen. Dass auch hier noch „Luft nach oben“ ist, bewies die AG Mädchenarbeit, die stellvertretend die Albert-Schweitzer-Schule, August-Bebel-Schule und Beethovenschule anlässlich des Internationalen Mädchentages am 11. Oktober vergangenen Jahres kurzerhand in Katherine-Johnson-Schule, Dorothy-Vaughan-Schule und Mary-Jackson-Schule umbenannte, um an die afroamerikanischen Mathematikerinnen zu erinnern, die trotz Rassentrennung und Geschlechterungleichheit zum Erfolg der Erdumrundung 1962 beitrugen. Dieses Jahr plant die AG übrigens eine große Jubiläumsveranstaltung anlässlich des 20. Bestehens der Leitlinien Mädchenarbeit im Oktober, bei der die Teilnehmenden, neben vielen anderen Aktionen, mit auf eine Zeitreise genommen werden.

Starke Netzwerke für Frauen- und Mädchenrechte

Die Gleichstellung von Mädchen und Frauen im Berufsleben zählt zu den wichtigsten, weil sichtbarsten Themen: Auf dem Gehaltszettel sollten alle gleich sein, aber noch immer sind Frauen stärker armutsgefährdet als Männer, pflegen Frauen Angehörige, arbeiten in Minijobs und versorgen Kinder und Partner. Deshalb machen sich Halwachs und ihr Team weiter stark für gleiche Chancen von Frauen und Männern: So vergibt die Stadt Offenbach seit 2017 die Auszeichnung UFF – Unternehmen familienfreundlich in Offenbach an solche Unternehmen, die ihren Beschäftigten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Der Preis wird im Oktober 2021 zum dritten Mal verliehen, aber „schon jetzt ist klar, dass die Corona-Pandemie auch Unternehmen so stark wie nie zuvor forderte, kreative, schnelle und flexible Lösungen für Eltern und pflegende/betreuende Personen zu finden“, so Halwachs. Aber auch darüber hinaus gilt es, die Rechte und das Selbstbewusstsein von Frauen und Mädchen zu stärken, Tag für Tag. Dies gelingt in Offenbach in einem Netzwerk aus Institutionen, Trägern, Vereinen und engagierten Personen, die sich in ihrer Arbeit für Gleichstellung einsetzen und zum Teil vom Frauenbüro gefördert werden. Dies hat beispielsweise unlängst den Hauptpreis bei einem Wettbewerb bei Songmoo - Frauenkampfkunst Offenbach e.V. gespendet. Die Gewinnerin darf nun ein Jahr kostenlos bei Steph Taibi trainieren. Außerdem unterstützt das Frauenbüro den Filmklubb, um starke Frauen auf Leinwand und Bühne zu präsentieren.

„Es wurde schon viel erreicht in den letzten Jahren, aber der Weg ist noch lang“, weiß Halwachs. Aber zuversichtlich stimmt sie das Wissen und die Unterstützung von Gleichgesinnten. „Es ist politische Absicht, dass wir in der Stadt ein Frauenbüro haben. Das war lange keine Selbstverständlichkeit, doch Gleichberechtigung ist noch immer nicht überall Realität. Deshalb ist es richtig, dass wir jeden Tag weiter an der Gleichstellung arbeiten,“ so OB Schwenke abschließend.      

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