Inhalt anspringen

Stadt Offenbach

Flughafendezernent Paul-Gerhard Weiß appelliert am „Tag gegen Lärm“ zur Umstellung auf leisere Anflugsysteme

24.04.2017

Lärm ist in vielen großen Städten ein zunehmendes Umweltproblem. Zu den üblichen Lärmquellen kommt in Offenbach die besondere Belastung durch den über der Stadt gebündelten Anflug auf den Frankfurter Flughafen mit derzeit etwa 700 Maschinen am Tag hinzu. Offenbachs Flughafendezernent Paul-Gerhard Weiß nimmt deshalb den internationalen “Tag gegen Lärm“ am 26. April zum Anlass, von Politik und Luftverkehrswirtschaft verstärkten Einsatz für wirksamere und schnellere Entlastung einzufordern. Es sei bereits heute bei Technik und Flugverfahren viel mehr möglich. „Es könnte längst leiser sein, wenn das Thema auf allen politischen Ebenen und bei allen Beteiligten in Luftverkehrswirtschaft, Flugsicherung und Flugaufsicht mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung erhielte“.

Schon seit vielen Jahren engagiere sich die Stadt mit Expertenbeiträgen für den aktiven Lärmschutz und habe einiges von dem angeregt was jetzt diskutiert oder zaghaft umgesetzt werde. Wie viel Fluglärm am Boden ankommt, hänge auch wesentlich davon ab, welches Flugzeug eingesetzt und welches Flugverfahren angewendet wird. Ein Weg, die Menschen im Flughafenumfeld von Lärm zu entlasten, seien innovative Flugverfahren – zum Beispiel durch weniger Schubkraft der Triebwerke, durch Veränderungen der Flughöhe und durch das Umfliegen von dicht besiedelten Gebieten.

Stadtrat Paul-Gerhard Weiß, in Offenbach auch zuständig für die Initiativen der Stadt gegen negative Auswirkungen des Flughafenbetriebs, begrüßt deshalb grundsätzlich die Meldung der Deutschen Flugsicherung, der Fraport AG und der Deutschen Lufthansa AG der letzten Tage, dass zukünftig am Flughafen Frankfurt die Möglichkeit besteht, satellitenunterstützt zu landen. Das erlaube es nun einigen Fliegern, auch die Süd- und Centerbahn mit einem Winkel von 3,2 Grad statt bisher 3,0 Grad anzufliegen, was den Überflug im Offenbacher Süden um etwa 50 Meter steigern könne. Bisher gebe es diese Möglichkeit nur beim Anflug auf die Nordwestbahn mit Hilfe von zwei getrennten Instrumentenlandessystemen (ILS), um je nach Wetterlage beides fliegen zu können. Für die Süd- und Centerbahn gebe es nur ein ILS, das lediglich den Anflug mit 3 Grad vorsieht. Mit der Aktivierung des „Ground Based Augmentation System (GBAS)“ für die Süd- und Centerbahn sind nun hier technische Vorrausetzungen auf der Flughafenseite installiert, um den Flughafen präziser und steiler anzufliegen. Das GBAS, auf dt. bodengestütztes Ergänzungssystem, ist ein Verfahren zur Sicherstellung der benötigten Genauigkeit, Integrität, Kontinuität und Verfügbarkeit bei der Bestimmung von Ortskoordinaten für Präzisionsanflüge.

Aber: Was in der Theorie gut klingt, bringt in der Praxis einstweilen wenig, stellt Weiß klar. Denn die mögliche Lärmminderung, die sich aus diesem steileren Anflugverfahren ergibt, halte sich sehr in Grenzen, weil nur Flugzeuge, die mit GBAS ausgerüstet sind höher fliegen können. Derzeit seien das gerade mal gut 5 Prozent der Frankfurt anfliegenden Maschinen. „Hinzu kommt, dass bei Rückenwind die steileren Anflugverfahren aus flugtechnischen Gründen nicht geflogen werden können und sich damit die Entlastungswirkung für Offenbach in nicht wahrnehmbarer homöopathischer Verdünnung hält“, stellt Stadtrat Weiß dar. Bislang verfügen nur moderne Großraumflugzeuge wie die A380 und die Boeing 747-8 die entsprechende bordseitige Ausrüstung. „Wirklich wirksam wird dieses Verfahren erst dann, wenn mehr als 90 Prozent der in Frankfurt fliegenden Flugzeuge damit ausgerüstet sind. Damit aber ist nach Meinung von Experten erst in 25 bis 30 Jahren zu rechnen“, erläutert Weiß weiter.

„Die vom Flughafen betroffenen Menschen haben aber Anspruch darauf hier und jetzt vom Fluglärm entlastet zu werden, und nicht mit Versprechungen, deren Wirksamkeit in ferner Zukunft liegt“, äußert sich Paul-Gerhard Weiß deutlich. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass die Stadt Offenbach in der Sitzung der Fluglärmkommission (FLK) vom Juli 2016 beantragt hat, das sogenannte segmentierte Anflugverfahren als Standardverfahren einzuführen. Dabei können dichte Siedlungsgebiete umflogen werden, indem die Maschinen erst später im Geradeausflug Kurs direkt auf die Landebahn nehmen. Die Berichte des Deutschen Zentrums- für Luft- und Raumfahrt über Probebetriebe zeigen, dass diese Verfahren stabil seien und mit der vorhandenen Technologie geflogen werden können. Seit Februar 2011 werden diese „Segmented Approach-Routen“ auch bereits zwischen 23 und 5 Uhr genutzt und Siedlungsbiete umflogen, die unter dem Endanflugpfad in Richtung Süd- oder Centerbahn liegen. Da in dieser Zeit aber seit Oktober 2011 ein Nachtflugverbot gelte, seien das nur noch vereinzelte Verspätungsflüge. „Deshalb muss das auf andere Zeitfenster übertragen werden, wenn es Entlastung bringen soll.

„Seit der Beschlussfassung in der FLK haben wir dazu nichts mehr gehört,“ so Weiß. „Das ist unverständlich, weil dieses Verfahren außerhalb der Spitzenzeiten angewendet werden kann und zu sofort spürbaren Lärmentlastungen führt“. Weiß legt Wert darauf, dass es der Stadt Offenbach nicht darum gehe, andere zu belasten, sondern die Fluglärmbelastung in der Flughafenumgebung für alle Betroffenen unter die gesundheitlich relevanten Werte zu drücken. „Wenn man zumindest zeitweise mehr über Wald und Autobahn anfliegen kann statt über dicht besiedelte Wohngebiete, sollte man das auch endlich tun.“

Weiß zeigt sich überzeugt, dass dies möglich sei und fordert deshalb alle Verantwortlichen, DFS, Fraport, Luftverkehrslinien und auch das zuständige Ministerium in Wiesbaden auf, sich für eine zügige Umsetzung dieser Verfahren einzusetzen. Das segmentierte Anflugverfahren sei eine Vorstufe zum Anflugverfahren mit GBAS. Damit kann gerade östlich des Flughafens eine sofort spürbare Lärmentlastung umgesetzt werden.

Der „Tag gegen Lärm – International Noise Awareness Day“ findet seit 1998 in Deutschland statt. Die Sensibilisierung in Bezug auf die Lärmproblematik sowie die Verbreitung des Wissens um Ursachen und Folgen des Lärms, sozial und gesundheitlich, sind elementare Bausteine des „Tag gegen Lärm“. Darüber hinaus stellt die fortgesetzte Aufklärung der Bevölkerung über Schall und seine Wirkung sowie nachhaltige Maßnahmen zu seiner Reduzierung in den unterschiedlichen Lebensbereichen eine zentrale Aufgabe des Aktionstages dar. Anhand von Aktionen rund um den „Tag gegen Lärm“ wird die Öffentlichkeit nachhaltig über das Thema Lärm informiert, und zwar unter dem Aspekt der Veränderung von lärmbelastenden Lebenssituationen.

Der „Tag gegen Lärm“ ist in Deutschland durch seine Kontinuität über die letzten 20 Jahre und seine Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu einer Institution geworden, die einen festen Platz in Deutschlands Kalender hat. Er findet jeweils im April statt und richtet sich an alle am Lärm, seinen Ursachen, seiner Wirkung und seiner Bekämpfung Interessierten und vom Lärm Betroffenen einschließlich der fachlich interessierten Kreise und der politisch Verantwortlichen (Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft, Politik). Ziel des Aktionstages ist daher auch, die langfristige und nachhaltige Stärkung und Vertiefung des lärmbezogenen Umweltbewusstseins zu fördern.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise