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Stadt Offenbach

Klage gegen die Binnenoptimierung

Klagt die Stadt Offenbach gegen die Binnenoptimieung? Der Offenbacher Oberbürgermeister Gerhard Grandke läßt durch den Berliner Anwalt Dr. Reiner Geulen eine mögliche Klage gegen eine weitere Binnen-Erweiterung des Frankfurter Flughafens prüfen. Grandke möchte, wenn der Rechtsvertreter der Stadt Offenbach Erfolgsaussichten sieht, gerichtlich überprüfen lassen, ob die Offenbacher Bevölkerung die wachsenden Lärmbelastungen durch startende und landende Jets hinnehmen muss.

Bereits Anfang Juni hatte Grandke deutlich gemacht, was er von einem Ausbau der Nordbahn hält.

Zahl der Flugbewegungen steigt

Seit Jahren steigt, auch bedingt durch den Bau der Startbahn West und geänderten Anflugverfahren, die Zahl der Flugbewegungen über der Lederstadt. Dieser Lärmteppich wird noch dichter, wenn im Rahmen des Flughafenausbaus, unabhängig von einer neuen Startbahn, die Kapazitäten, so eines der Szenarien, des bisherigen Start- und Landebahnensystems erweitert werden sollten.

Dr. Geulen: „In den vergangenen Jahren wurden die ständig steigenden Flugbewegungen von der Flughafen AG durch interne Optimierungen – in erster Linie durch eine Verdichtung der Start- und Landebewegungen - erreicht. Dies führte zu zunehmendem Fluglärm, insbesondere über den südlichen Stadtteilen Offenbachs: Lauterborn, Tempelsee und Rosenhöhe, aber auch über Bieber, was eigentlich der Intention des Baus der Startbahn 18-West widerspricht.“ Denn zweifellos, so Dr. Geulen, sei die damalige Landesregierung davon ausgegangen, dass die Lärmbelastung der Region mit dieser Erweiterung ihre Grenze erreicht hat und der Bau der Startbahn 18-West die letzte Erweiterung des Flughafens um eine Start- oder Landebahn sein werde.

Begründung zum Planfeststellungsbeschluss für die Startbahnwest zeigt die Konsequenzen

Was nun den Bau weiterer Kapazitäten betrifft, ist in der Begründung zum Planfeststellungsbeschluss für die Startbahn West aus dem Jahr 1971 festgehalten: „Die Befürchtungen, dass später eine weitere Start- oder Landebahn – etwa parallel zur Bahn 18-West – errichtet werden könnte, entbehren jeder Grundlage. Die Genehmigung einer solchen Maßnahme wird auf keinen Fall erteilt.“

Nach Geulens Auffassung könnten diese Ausführungen für ein weiteres Planfeststellungsverfahren von erheblicher Bedeutung sein. Die besagte Aussage sei zwar nicht Teil der Verfügung, sondern „lediglich“ der Begründung; dennoch gebe sie in der Konsequenz genau das wieder, was seinerzeit die Landesregierung beabsichtigte – nämlich die Beschränkung der Lärmbelästigung auf ein Mindestmaß. Von diesen, vor dreißig Jahren gefassten Beschlüssen, könne die jetzige Landesregierung nur abrücken, wenn wesentliche Änderungen und Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten dies rechtfertigten. Dies, so Dr. Geulen, sei jedoch nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht der Fall. Im Gegenteil sei aufgrund der aktuellen Rechtslage eher eine Verschärfung des Schutzes der Bevölkerung vor Lärmimmission geboten.

Eine generelle Ablehnung des Ausbaus könne so jedoch nicht argumentiert werden, denn mit der Verlagerung beispielsweise von Fracht- und Postflügen nach Hahn, dem Betrieb von Erbenheim und gegebenenfalls weiterer Kapazitäten, könnte durchaus eine Verringerung des Lärm über bereits jetzt stark betroffenen Städten erreicht werden. Die beiden in der Diskussion stehenden Nordbahnen als auch der Binnenausbau hätten aber nur ein Ergebnis - zunehmenden Fluglärm über Offenbach.

OB Grandke betont in diesem Zusammenhang, dass diese Rechtsauffassung Grundlage seines Postulats der „Demokratisierung des Fluglärms“ ist: „Nur durch die gerechte Verteilung der Belastungen, die mit dem Betrieb des Frankfurter Flughafens verbunden sind, ist eine adäquate Lebensqualität der Bewohner des gesamten Rhein-Main-Gebietes und die wirtschaftliche Prosperität der Region zu erreichen.

Ausbau würde im Gegensatz zu den gefassten Beschüssen stehen

Ein Ausbau auf dem jetzigen Areal – sozusagen durch die Hintertür – wird zu einer drastischen Erhöhung des Fluglärms über Offenbach führen wie auch die Nordbahn-Varianten, die in krassem Gegensatz zu den 1971 gefassten Beschlüssen, einer Begrenzung der Belastungen, stehen.“
Grandke und Geulen werden in den kommenden Wochen ihre Argumentation juristisch aufbereiten und diese sowohl dem zuständigen Ministerium als auch der Flughafen AG vortragen. „Wir scheuen uns nicht, den Klageweg einzuschlagen, wenn sich diese Gremien unserer Rechtsauffassung entgegenstellen. Das werden wir ihnen auch so schriftlich formulieren. Unser Ziel ist und bleibt, dass jegliche Kapazitätserweiterung des Flughafens nur unter der Prämisse der Belastungsgerechtigkeit stattfinden kann“, so Grandke abschließend

Grandke gegen die Nordbahn

Ein klares Nein im Zusammenhang mit jeglichen Nordbahn-Varianten bekundet der Offenbacher Oberbürgermeister Gerhard Grandke.

Jüngsten Presseberichten zufolge beabsichtigt der Hessische Ministerpräsident Koch eine Festlegung auf die endgültige Ausbauplanung noch im Sommer dieses Jahres. Dabei scheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine neue Nordbahn bei Kelsterbach Priorität zu genießen. Grandke: „Ich halte das Kriterium des Ministerpräsidenten, dass möglichst wenig Menschen zusätzlichen Lärm bekommen sollen für eine untragbare Vorstellung. Sie bedeutet in der Konsequenz Lärmkonzentration anstatt Lärmverteilung. Jedem Befürworter des Flughafenausbaus muss klar sein, dass mehr Flugbewegungen auch mehr Lärm bedeutet. Dieser zusätzliche Fluglärm darf aber auf keinen Fall denen zugemutet werden, die bereits jetzt übermäßig stark betroffen sind. Deshalb halte ich an meiner Position fest, dass seitens der Stadt Offenbach sowohl ein Ausbau im Schwanheimer als auch im Kelsterbacher Wald verhindert werden muss.“

Dr. Reiner Geulen, Berliner Anwalt und juristischer Berater der Stadt Offenbach hält vor dem Hintergrund der Beeinträchtigungen der Offenbacher Bevölkerung eine solche Bahn ohnehin für nicht genehmigungsfähig. Nur die Verteilung der Belastungen auf alle, die im Ballungsraum auch vom Flughafen profitieren mache nach Aussage von Grandke Sinn. Deshalb werde er im weiteren Verfahren darauf drängen, dass alle Varianten untersucht würden, die eine Erweiterung des Flughafens unter der Prämisse der Belastungsgerechtigkeit ermöglichen. Dabei dürfe es keine Einengung auf die im Mediationsbericht untersuchten Varianten geben.

Bereits in einer ersten Stellungnahme habe Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa dargelegt, dass der Zeitraum für die Entwicklung des Flugaufkommens mit 15 Jahren viel zu kurz gegriffen und eine Erweiterung mit der Prämisse der Verringerung von Fluglärm für die seither schon belasteten Regionen überhaupt nicht untersucht worden sei. Deshalb, so Granke, müsse eine langfristige Prognose über cirka 30 Jahre erstellt werden, in der alle Möglichkeiten eine Kapazitätserweiterung und Fragen der Verlagerung auf andere Verkehrsmittel sowie Kooperationen mit anderen Flughäfen berücksichtigt würden.

Grandke: „Wenn das Schlagwort „Demokratisierung des Fluglärms“ und meine These von der Belastungsgerechtigkeit von dem einen oder anderen als St. Floriansprinzip bezeichnet wird, so kann man diesen Leuten immer nur entgegnen, dass es Arbeitsplätze, wirtschaftliches Wachstum und Lebensqualität nur im gegenseitigen Abwägungsprozess gibt. Es ist also gerade nicht St. Florian wenn ich fordere, daß die Stadt, die jetzt schon die höchsten Belastungen trägt, zukünftig nicht noch mehr drauf gesattelt bekommt, während unbelastete Gemeinden auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger Offenbachs den Rahm abschöpfen.“

10. Juli 2000

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