Inhalt anspringen

Stadt Offenbach

Lastesel fordert Bundestagsparteien zur strukturellen Entlastung auf

12.10.2021

Mehrere große Parteien im Bundestag haben am Montag, 11. Oktober, Besuch von einem Esel bekommen. Das Lastentier war überlebensgroß auf einem Wagen zu sehen und trug gewaltige Säcke auf dem Rücken, die es in die Knie zwingen. Der Wagen stoppte im Laufe des Tages vor den Zentralen der Parteien. An der Seite des Esels waren mehrere Oberbürgermeister und Bürgermeister unterwegs, die den Vertretern der Parteien symbolisch einen Stein aus dem Lastensack überreichten. Damit verdeutlichten sie ihre Forderung nach einer besseren finanziellen Unterstützung für benachteiligte Städte und Kreise.

Offenbachs Stadtkämmerer Martin Wilhelm begrüßte diese Aktion, die das Bündnis „Für die Würde unserer Städte“ initiiert hat. Als Teil des Bündnisses unterstützt die Stadt Offenbach alle Aktionen, die Bund und Länder dazu aufrufen, die finanzielle Ausstattung der Kommunen dauerhaft zu sichern: „Wir leiden unter den gewaltigen Lasten, die die ungerechte Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommen verursacht hat“, betonte Wilhelm. „Als Stadtkämmerer kämpfe ich dafür, dass Bund und Land endlich ausreichend Mittel für die von ihnen beschlossenen Gesetze auch der Stadt Offenbach bereitstellen. Dazu gehört die vollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft. Wer bestellt, bezahlt! – diese Selbstverständlichkeit muss endlich umgesetzt werden.“

Im Bündnis haben sich 70 Kommunen zusammengeschlossen, die besonders unter der Finanzverteilung in Deutschland leiden. Sie verzeichnen aufgrund eines jahrzehntelangen Strukturwandels Probleme, die auch in Offenbach zu spüren sind: ein erheblicher Verlust an Arbeitsplätzen, ein Rückgang der Steuereinnahmen und stetig steigende Ausgaben für Kinder, Jugend und Soziales. „In Offenbach arbeiten wir außerdem mit Hochdruck daran, durch Unternehmensansiedlungen unsere eigenen Einnahmen langfristig zu erhöhen. Die strukturelle Unterfinanzierung können wir alleine aber nicht lösen: Würden der Bund und das Land ihre Gesetze selbst bezahlen, stünde der Offenbacher Haushalt positiv dar und wir hätten deutlich mehr Geld für freiwillige Leistungen. Solange wir aber einen erheblichen Teil der Kosten selbst tragen müssen, kämpfen wir weiter für eine gerechte Finanzverteilung in Deutschland“, so Wilhelm weiter.

Der Besuch des Lastesels bei den Berliner Parteizentralen war mit vier Forderungen verbunden:

Gerechte Finanzverteilung

Bund und Länder können den Kommunen Aufgaben zuteilen und festlegen, welchen finanziellen Ausgleich diese bekommen. Die Ausgaben sind aber höher und treiben die Kommunen in eine Schuldenfalle. Bund und Länder müssen bei den Kosten endlich fair mit den benachteiligten Städten und Kreisen umgehen.

Der Bund muss für die Aufgaben der Kinderbetreuung und der Inklusion, die er gesetzlich vorgibt, eine hinreichende Finanzierung sicherstellen. Um die Dynamik in diesem Bereich aufzufangen, ist eine konsequente Orientierung an den Fallzahlen notwendig.

Zur Bekämpfung der Kinderarmut ist eine Grundsicherung für Kinder einzuführen. Die Grundsicherung muss sowohl ein ausreichendes Existenzminimum sicherstellen als auch eine Zusammenführung der vielen unterschiedlichen Leistungen herbeiführen. Dies würde zur Entschärfung der sozialen Problemlagen in den Familien beitragen und könnte damit auch die Hilfe zur Erziehung indirekt entlasten.

Die Kommunen sind weiterhin die letzte Hilfe bei Problemen der Pflegefinanzierung und decken damit ebenfalls einen Finanzbedarf ab, der aus Altersarmut entsteht, und stehen für die bisher im Rahmen der Pflegeversicherung nur unzureichend gelösten Probleme einer alternden Gesellschaft ein. 

Lösung des Altschuldenproblems

Die ungerechte Finanzverteilung hat viele Kommunen dazu gezwungen, Kredite aufzunehmen und Schulden zu machen. Deshalb müssen sich die benachteiligten Kommunen um Zinsen und Tilgung kümmern, während die wohlhabenden Kommunen in ihre Zukunft investieren können. Bund und Länder müssen einen Teil der Altschulden übernehmen, damit die Kluft zwischen den Kommunen nicht größer wird.

Der Abbau der kommunalen Altschulden ist in einer solidarischen Gesamtlösung in enger Kooperation von Ländern, Bund und Kommunen herbeizuführen. Das Altschuldenproblem belastet die finanzschwachen Kommunen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz weiterhin.

Mit Blick auf die aus der Pandemie neu entstehenden Schulden ist das Altschuldenthema zu erweitern. Insbesondere finanzschwache Kommunen werden aufgrund ihrer geringeren Resilienz mit höheren Belastungen aus der Krise hervorgehen und länger brauchen, diese wieder abzuarbeiten. Dies dürfte die Disparität unter den Kommunen weiter vergrößern. Zwar besteht angesichts der niedrigen Zinsen derzeit scheinbar kein direkter Druck auf die Haushalte. Mittelfristig ist aber mit steigenden Zinsen zu rechnen, zumal auch Risiken auf den Finanzmärkten bestehen (zum Beispiel durch Inflation oder Blasenbildung).

Hinweis der Stadt Offenbach: Das Land Hessen hat die Altschulden-Problematik über die Hessenkasse weitgehend gelöst. Allerdings stammen 69 Prozent der Mittel für die Entschuldung von den Kommunen selbst. Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke hatte hierzu im Sommer 2020 anlässlich einer virtuellen Kommunalkonferenz des Aktionsbündnisses Stellung bezogen:

Zur Situation der Stadt Offenbach führte Oberbürgermeister Schwenke außerdem mit dem bisherigen Finanzminister und Kanzlerkandidaten Olaf Scholz im November 2019 ein persönliches Gespräch:

Investitionen durch echte Förderprogramme ermöglichen

Wegen der Sparanstrengungen der vergangenen Jahrzehnte gibt es einen großen Nachholbedarf bei den Investitionen. Es gibt zwar zahlreiche Förderprogramme für Kommunen. Meist fehlen dort aber das Personal, um sich für die Programme zu bewerben, und die Eigenmittel, die Voraussetzung der Förderung sind. Die Kommunen brauchen Hilfe durch Reduzierung der Eigenanteile. Die benachteiligten Kommunen brauchen außerdem eine kontinuierliche Investitionsfinanzierung.

Steueroasen schließen

Bei den kommunalen Steuerhebesätzen wird das Dilemma der benachteiligten Städte und Kommunen noch einmal besonders deutlich. Angesichts hoher Sozialausgaben und unterproportionaler Einnahmen sind sie gezwungen, ihre Hebesätze zu erhöhen. Andere Kommunen dagegen können ein Steuerdumping betreiben. Sie nutzen die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Gewerbesteuer und haben Unternehmen dazu gebracht, den Standort zu wechseln. Der Bund muss daher im Steuerrecht den ruinösen Steueroasen die Grundlage entziehen.

Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ hat bereits im Sommer 2021 auf die gewaltigen Lasten der Kommunen und die Forderung nach einem fairen Neustart aufmerksam gemacht. Die Oberbürgermeister und Bürgermeister schilderten auf Facebook und Twitter, mit welchen Herausforderungen die Städte und Kreise zu kämpfen haben und wie Bund und Länder die Last verringern könnten. Auf der Homepage des Bündnisses sind die Versprechen der Parteien dokumentiert, die diese den Kommunen im Bundestagswahlkampf gemacht haben. Auch daran hat die Aktion am Montag in Berlin erinnert.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise