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Stadt Offenbach

Stellungnahme der Stadt Offenbach zur Baumfällaktion auf dem Wilhelmsplatz

26.03.2009 – 26. März 2009: Anfang 2008 wurde der Entwurf für die Umgestaltung des Wilhelmsplatzes erarbeitet. Zielvorgabe war ein zur Hälfte autofreier Platz und die Erhaltung des Marktes in der bisherigen Größenordnung. Durch ein externes Ingenieurbüro wurde eine Mengen- und Kostenermittlung erstellt sowie die ingenieurtechnischen Vorplanungen (Wasseranschluss, Strom, Entwässerung etc.) eingearbeitet.

Im Sommer 2008 wurde die Öffentlichkeit umfänglich informiert (Marktzeitung, Stand auf dem Marktplatz an 4 Wochenenden, Informationsveranstaltung etc.). Stand der Planung war zu diesem Zeitpunkt, dass auf dem Dauerparkplatz 3 Bäume (ein Götterbaum und zwei Kastanien) gefällt werden müssen, um dort die Zahl der Parkplätze zu optimieren. Gleichzeitig sollten 14 neue Bäume gepflanzt werden. Dieser Planungsstand wurde in dem Lageplan dargestellt und in eine Simulation projiziert. Beide Pläne waren Grundlage der Diskussion auf dem Marktplatz, in der Informationsveranstaltung sowie auch in den politischen Gremien. Auf dieser Basis wurde am 4. Dezember durch die STVV ein Grundsatzbeschluss gefasst. Hierin wurde der Magistrat beauftragt auf Basis der vorgestellten Pläne eine ÖPP-Ausschreibung durchzuführen und die Vergabe an einen geeigneten Bieter den Stadtverordneten zur Beschlussfassung vorzulegen. Zu diesem Grundsatzbeschluss wurde in Auswertung der Öffentlichkeitsarbeit eine ausführliche Informationsschrift erstellt, in der alle Details mit den diskutierten „für und wider“ enthalten waren.

Der Wegfall der drei Bäume wurde am Stand mit den Bürgern diskutiert. Simulation und Pläne wurden deutlich vorgestellt. Die Darstellung in den Plänen und in der Simulation, dass drei Bäume gefällt werden, ist in der Textfassung der Vorlage beziehungsweise in der Informationsschrift nicht erwähnt worden. Das Fehlen ist keinem der an der Textverfassung beteiligten Ämter (13, 60) aufgefallen. Die Verfasser sind schwerpunktmäßig auf die Fragen eingegangen, die in der öffentlichen Diskussion besonders erörtert wurden: Zahl der Parkplätze, Belag, Beleuchtung, Finanzierung, grundsätzliche Notwendigkeit der Maßnahme, Kastanien an den Längsseiten des Wilhelmsplatzes. Das notwendige Fällen von drei Bäumen wurde keinesfalls absichtlich verschwiegen. Es ist in der Simulation klar visualisiert worden.

Die politischen Gremien der Stadt wurden am ebenfalls umfassend über die vorliegenden Planungen informiert: 

Zu einem Symposium wurde am 17.10. 2008 eingeladen.

In allen Gremien wurden die Pläne und ihre Visualisierung vorgestellt, aber nicht explizit auf die nötige Fällung der Bäume hingewiesen. Auch hier lässt sich dieses Versäumnis nur mit dem anders gelagerten Schwerpunkt der öffentlichen Diskussion (s.o.) begründen.

Schnittstellenvereinbarung zwischen Amt 33, Amt 60, Amt 63 und dem ESO - Ablauf von Baumfällungen

Die Baumschutzsatzung findet für Bäume im öffentlichen Bereich keine rechtliche Anwendung (1), statt dessen ist eine verwaltungsinterne Dienstanweisung mit gleichem Schutzziel, jedoch anderen organisatorischen Abläufen, einzuhalten (2). Eine Fällgenehmigung im Sinne der Baumschutzsatzung war daher für diese Fällung nicht einzuholen. Jedoch ist eine verwaltungsinterne Abstimmung zwischen Amt 60, Amt 33, Amt 63 und ESO vorgesehen.

Hierzu wurde 2005 eine Schnittstellenvereinbarung zwischen den Beteiligten getroffen. Grundsätzlich sind in dieser Schnittstellenvereinbarung zwei Wege geregelt: a) Baumfällungen auf Initiative des ESO (i.d.R. kranke Bäume), b) Baumfällungen auf Initiative von Amt 33 und Amt 60. Im Fall a) sind Informationen über geplanten Umfang, Ort und Zeitpunkt der Maßnahme vom ESO an die beteiligten Ämter und Dezernate zu leiten. Im Fall b) hat das auftraggebende Amt eine entsprechende Antrags- und Informationspflicht.

Für die Informationsvermittlung wurde ein webbasiertes Informationssystem (sog. „Baumfällliste“) erstellt. Ein Auftrag an das ausführende Unternehmen erfordert die vorherige Abarbeitung der Informationskette und darf im Fall b) nur erteilt werden, wenn insbesondere eine Zustimmung von Amt 33 erfolgt ist. Erst wenn alle Ampeln „auf Grün stehen“, darf der Auftrag ausgelöst werden. Dieses System funktionierte bislang bei 727 Einträgen in den vergangenen drei Jahren ohne Beanstandungen, wobei im Fall b) von Amt 60 der ESO fallbezogen mit der Eintragung in die Liste beauftragt wurde. Im Fall Wilhelmsplatz hat die Sicherung über Eintrag in die Liste nicht stattgefunden. Hierbei ist festzustellen, dass es im Fall b) offensichtlich Unterschiede zwischen den in der Schnittstellenvereinbarung niedergelegten Verfahren und der gelebten Praxis gibt. Im Ablaufdiagramm zu Fall b) der Schnittstellenvereinbarung ist die Fällliste nicht aufgeführt, sondern erscheint nur im Punkt 5 („Mitgeltende Regelungen“).

Im Jahre 2008 war im Amt 60 nach Ausscheiden des zuständigen Bereichsleiters, des zuständigen Referatsleiters sowie einer erfahrenen Ingenieurin drei maßgebliche Stellen fast das ganze Jahr über nicht besetzt, ein Ingenieur war über ca. 4 Monate krank. Wegen der Stellenbesetzungssperre, Ausschreibungsprocedere etc konnten erst zum Ende 2008 bzw. Anfang 2009 die entsprechenden Stellen besetzt werden. Da die Umgestaltung des Wilhelmsplatzes ein zentrales Projekt zum Umbau der Stadt mit engen Zeitvorgaben ist, um den Marktbetrieb so kurz wie möglich zu beeinträchtigen, hat die Amtsleiterin mangels anderer Ressourcen die Projektleitung selbst übernommen und für die ingenieurmäßige Betreuung (auch der externen Büros) einen externen Leihingenieur, der über eine sehr gute Reputation verfügt, eingeschaltet. Die angespannte personelle Situation wurde zwischen der Amtsleiterin und dem Dezernenten wiederholt erörtert.

In Vorbereitung der ÖPP-Ausschreibung wurde im Amt 60 im Wesentlichen durch den Leihingenieur die Planung weiter konkretisiert und die Geometrie der gesamten Platzaufteilung, so auch des Dauerparkplatzes detailliert. Entsprechend dem üblichen Procedere in diesem Planungsschritt wurden die Plan-Geometrien mit den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort EDV-mäßig auf das Grundstück abgeglichen und die exakten Baumstandorte mit dem letzten Stand der Platzgeometrie überprüft. Hieraus ergab sich, dass 4 weitere Bäume in zweiter Reihe (innere Reihe im Bereich des Dauerparkplatzes, Fläche C) entfallen müssen. Dieser Sachverhalt wurde von o. g. Leihingenieur in Verbindung mit dem externen Ingenieurbüro festgestellt und in die Ausschreibungpläne eingearbeitet. Der Projektleitung kam diese Planänderung nicht zur Kenntnis. Sie hat erst am Mittwoch, 11. März 2009 (Tag der Fällung) am späten Nachmittag hiervon erfahren. Weder dem Leihingenieur noch dem externen Ingenieurbüro war offensichtlich die Brisanz einer solchen Planänderung bewusst.

In der öffentlichen Debatte wurde davon gesprochen, dass 7 gesunde Bäume gefällt worden sind. Entsprechend dem aktuellen, vom ESO geführten Baumkataster waren von den 7 gefällten Bäumen (bezogen auf die Vitalität der Bäume) ein Baum gesund, zwei Bäume schwer und vier Bäume leicht geschädigt. Keiner der Bäume stand jedoch aus Gründen der Vitalität zu einem Rückschnitt oder einer Fällmaßnahme an. Im Rahmen der Fällung wurde festgestellt, dass einer der Bäume in der Stammmitte faul war, d.h. im Laufe der Jahre wäre nach einer Restwandstärkenuntersuchung eine Fällmaßnahme notwendig geworden. Der Zeitpunkt selbst kann nur schwer prognostiziert werden.

Mitte Januar 2009 wurde die Projektleiterin von dem Leihingenieur angefragt, ob aufgrund der Zeitvorgaben (Baubeginn Ende Mai 09, Bauende Dezember 09) die zu fällenden Bäume (die Projektleiterin ging zu dem Zeitpunkt von den bis dahin bekannten drei Bäumen aus) noch vor der Sperrfrist wegen Vogelbrut (ab 15.03.bis Mitte August) zu fällen seien. Der Leihingenieur erhielt darauf den Auftrag, in Abstimmung mit dem Referat Stadtgrün das Nötige zu veranlassen.

Dem Leihingenieur wurde der Weg der Zusammenarbeit zwischen den Ämtern und dem ESO so dargestellt, dass der ESO die Bäume in eine Liste eintrage und die notwendige Abstimmung mit den Ämtern herstelle. Der Ingenieur hat Kontakt mit dem ESO aufgenommen und am 04.02.2009 per Mail und auch telefonisch Anzahl, Standort, etc. gemeldet. Per Fax hat die ESO am selben Tag einen Lageplan inkl. der Angaben zu den 7 markierten Bäumen zur Abstimmung an Amt 60 gesandt. Der Auftrag für die Fällung sollte an die ESO GmbH erteilt werden, ein entsprechendes schriftliches Angebot hat die ESO GmbH am 10.02.2009 abgegeben. Der externe Leihingenieur konnte die Beauftragung der Baumfällung selbst nicht mehr vornehmen, da seine Vertragszeit abgelaufen war. Deshalb hatte er eine Mitarbeiterin in Amt 60 gebeten einen Auftragerteilung für die Fällung an den ESO zu übernehmen. Die Mitarbeiterin ging davon aus, dass die vorgegebenen Abläufe eingehalten wurden, und hat dementsprechend den Auftrag erledigt.

Bedingt durch die formalen Vorläufe (Beantragung Mittelfreigabe, Freigabe, Vormerkung etc.) wurde der schriftliche Auftrag für die Fällarbeiten durch Amt 60 erst am 02.03.2009 erteilt und ging am 4.03.2009 bei ESO ein.

Ein schriftlicher Auftrag zur Eintragung in die Baumfälliste an den ESO erfolgte nicht. Die geplante Baumfällung wurde nicht in die Fällliste eingetragen. Der Leihingenieur konnte über mögliche Ursachen noch nicht befragt werden, da er zurzeit im Urlaub weilt. Der ESO Mitarbeiter, der die Fällliste normalerweise betreut und dem dies hätte auffallen können, war zum Zeitpunkt der Fällung ebenfalls im Urlaub. Die Urlaubsvertretung hielt sich an die Schnittstellenvereinbarung. Aufgrund der Presseanfragen und internen Recherchen erfolgte ein Eintrag in die Liste durch den ESO und ein Zustimmungsvermerk durch Amt 60 am Tag nach der Fällung.

Da kein Eintrag vor der Fällung erfolgte, wurde auch die o.g. automatische Mail an die Ämter nicht generiert, die ihre Zustimmung geben mussten. Somit konnte das Amt 33 nicht bemerken, dass Bäume gefällt werden sollten. Amt 60 hat es versäumt, eine entsprechende Presseinformation zu veröffentlichen.

Insgesamt gesehen fällt die maßgebliche Bearbeitungszeit in diesem Projekt in ein Zeitfenster, in dem Amt 60 durch fehlendes Fachpersonal mit entsprechend risikobehafteten personellen Übergangslösungen arbeiten musste.

Amt 60 und ESO sind gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass die Baumfällung durch eine Verkettung äußerst unglücklicher Umstände erfolgte und dass die normalerweise sehr gute Zusammenarbeit der beteiligten Personen aufgrund von Personalwechseln (Amt 60) und Vertretungsvorgängen(Amt 60, ESO) letztlich nicht gegriffen hat.

Konsequenzen:

Im Zuge der Aufarbeitung stellte sich heraus, dass bisher ausschließlich ESO die Möglichkeit hatte, Bäume in das Websystem einzutragen, obwohl der ESO im Ablaufschema für den Fall b) (Baumfällungen im Auftrag von Amt 60 oder 33) nicht erwähnt wird. Dies erklärt, warum sich Amt 60 in diesen Fällen über den Umweg eines Eintragungs-Auftrages des ESO bediente, um seine Informationspflicht zu erfüllen.

Die beteiligten Ämter werden die genannte Schnittstellenvereinbarung und die Praxis einer intensiven Revision und Evaluation unterziehen. Hierbei soll durch eine genaue Festlegung der Verantwortlichkeiten und Aufgaben sichergestellt werden, dass auch bei einer Verkettung von außergewöhnlichen Umständen (Urlaubsvertretung, Personalknappheit, fehlendes Bewusstsein der Brisanz durch Externe) ein Ablauf wie oben beschrieben zukünftig nicht mehr vorkommen kann.

Das Amt für Stadtplanung und Baumanagement wird im Wege einer Anweisung der Amtsleitung an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherstellen, dass die Fällung von Bäumen im Zusammenhang mit geplanten Projekten jeweils ausdrücklich festgestellt und entsprechend kommuniziert werden muss. Jegliche Änderungen der Planung sind diesbezüglich dem Dezernat sofort mitzuteilen.

Zu allen städtischen Bau- und Gestaltungsmaßnahmen in der Gemarkung Offenbach wird ab sofort eine Beurteilung des Umweltamtes hinsichtlich der Auswirkungen auf Natur, Umwelt und Klima zu allen Grundsatz- und Projektbeschlüssen beigefügt.

Von dienstrechtlichen Maßnahmen soll abgesehen werden, da ein prinzipiell mögliches Disziplinarverfahren gegen Beamte nur angezeigt erscheint, sofern schuldhaft Dienstpflichten verletzt wurden. Dies ist der Fall, wenn grobe Fahrlässigkeit oder ein Vorsatz erkennbar sind. Dies ist nach dem hier beschriebenen Ablauf der Ereignisse jedoch nicht erkennbar.

Offenbach am Main, 23.03.2009

H. Schneider
Oberbürgermeister

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(1) „Der Schutz von Bäumen in öffentlichen Grünanlagen, auf Friedhöfen und auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen werden im Sinne dieser Satzung durch eine verwaltungsinterne Dienstanweisung geregelt“ (Satzung zum Schutz der Grünbestände in der Stadt Offenbach am Main vom 22.01.2004 § 3, Abs. 5)

(2) Hier ist geregelt, dass die Schutzvorschriften vorgenannter Satzung sowie Vorschriften über Ersatzpflanzungen auf alle im räumlichen Geltungsbereich der Satzung befindlichen Grünbestände an öffentlichen Straßen etc. anzuwenden ist. Unter Punkt 2 ist geregelt: „Einzelmaßnahmen in geschützten Grünbeständen im Sinne dieser Satzung sind zwischen Bau- und Planungsamt und Umweltamt einvernehmlich abzustimmen“. (Organisationsverfügung Nr. 149 „Schutz städtischer Grünbestände“ vom April 2004)

Erläuterungen und Hinweise