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Stadt Offenbach

Erster Offenbacher DeutschSommer: Sprachförderung, die Spaß macht

18.07.2010 – 18. Juli 2010: Der erste Offenbacher DeutschSommer läuft seit dem 5. Juli in der Jugendherberge Büdingen. 45 Offenbacher Drittklässler erhalten dort für drei Wochen intensive Sprachförderung, bei der der Spaß nicht zu kurz kommt. Denn Theaterspiel und ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm sind fester Bestandteil des ersten Offenbacher DeutschSommers.

Ziel des DeutschSommers ist die deutliche Verbesserung des sprachlichen Verständnisses und Ausdrucks kurz vor dem Übergang in die - für die weitere Schullaufbahn wegweisende - vierte Klasse. Den DeutschSommer gibt es 2010 neben Offenbach auch in den Städten Hanau und Wiesbaden erstmalig. In Frankfurt wird das Projekt bereits zum vierten Mal von der Stiftung Polytechnische Gesellschaft mit Partnern durchgeführt. In diesem Jahr nehmen insgesamt 255 Kinder an vier Projektstandorten an den Sprachferien teil: 150 in Frankfurt, 45 in Offenbach und jeweils 30 in Hanau und Wiesbaden. Stadtrat und Bildungsdezernent Paul-Gerhard Weiß, der die Offenbacher Kinder in der zweiten Woche in Büdingen besuchte, sagte über den DeutschSommer: „Wir wurden aufmerksam auf das Projekt, das bereits seit mehreren Jahren erfolgreich in Frankfurt läuft und geradezu ideal auf die Offenbacher Situation passt. Die Kinder erhalten ein Sprachtraining in intensiver und anspruchsvoller Weise und damit eine gute Chance. Denn Deutsch ist die Schlüsselqualifikation für alles.“ Ergänzend dazu bemerkt Weiß, dass sich die Kinder in der Schule nicht nur im Fach Deutsch, sondern auch in den anderen Fächern behaupten müssten. Ein mathematisch begabtes Kind komme aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse vielleicht nicht weiter, nur weil es eine schwierige Textaufgabe nicht verstünde.

Auswahl der Kinder
Bereits seit dem Winter hat die Auswahl der Schülerinnen und Schüler stattgefunden. In den Schulen wurde das Projekt den Eltern vorgestellt. Ein Test, genannt „Kleiner Sprachausflug“, mit dem die Deutschkenntnisse der Kinder ermittelt wurden, und die Empfehlungen der Lehrkräfte waren die beiden entscheidenden Kriterien für die Auswahl. Dreh- und Angelpunkt für die Information und Ansprache waren nach Aussage von Christine Kemmsies von der Agentur Work in Project, die das Projekt im Auftrag der Stadt Offenbach koordiniert: „Die Lehrerinnen und Lehrer haben einfach den besten Zugang und Draht zu den Kindern und auch zu den Eltern.“ Es sei sehr viel Arbeit erforderlich gewesen, die Eltern von dem Programm zu überzeugen. Elternabende in der Beethoven- und Mathildenschule hätten aber schließlich das nötige Vertrauen aufgebaut. Für Kemmsies ist es verständlich, dass die Eltern nicht ohne Weiteres dem Projekt zugestimmt hätten. Schließlich gäben sie ihr Kind für drei Wochen in andere Obhut.

Aufbau des Offenbacher DeutschSommers
In den ersten drei Wochen der Sommerferien (5. bis 23. Juli 2010) erhalten die 45 Offenbacher Drittklässler in der Jugendherberge Büdingen täglich zwei Stunden Deutschunterricht und zwei Stunden sprachintensives Theaterspiel. Lesen, Schreiben, Wortschatz und Grammatik stehen im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit in kleinen Schülergruppen mit bis zu 15 Kindern, die im Tandem von einer Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und einem Theaterpädagogen unterrichtet werden. Am Nachmittag sind die Kinder in der großen Gruppe zusammen und werden von Sozialpädagogen in einem anregenden Freizeitprogramm betreut. Sprachintensive Workshops wie Kreatives Schreiben, Sprech- und Sprachspiele oder auch Ruhe- und Leseecken vermitteln den Kindern einen bewussten Umgang mit Sprache und fördern die Lesekompetenz. Sport und Spiele, Schwimmbadbesuche, Kletternachmittage oder Walderkundungen bieten ausreichend Bewegungsmöglichkeiten rund um die Jugendherberge Büdingen. So leisten die „Ferien, die schlau machen“ auch ein en Beitrag zur Persönlichkeitsbildung und der Entwicklung und Stärkung sozialer Kompetenzen.

Insgesamt sind elf Lehrkräfte aus drei Fachdisziplinen im Einsatz (fünf Sozialpädagogen, drei Deutschlehrkräfte und drei Theaterpädagogen). Auch die Dozenten haben im Vorfeld ein mehrstufiges Auswahlverfahren durchlaufen.

Grundlage für den Sprachunterricht ist ein eigens für das Projekt entwickelter Lehrplan, mit dem die Kinder spielerisch die Grammatik der deutschen Sprache gezielt trainieren. Schwerpunkt ist die Arbeit an den grammatischen Strukturen, die der Schlüssel für den Zweitspracherwerb sind: Präpositionen, Artikel, (Akkusativ- und Dativ-)Pronomen, unregelmäßige Verben und Satzbau. „Gespensterjäger auf eisiger Spur“ von Cornelia Funke ist in diesem Jahr die tägliche Lektüre und dient als Grundlage sowohl für den Deutsch- als auch für den Theaterunterricht. Das Gespenst Hugo und der kleine Tom, die Protagonisten des Buches, helfen sozusagen dabei, die Lesekompetenz und Leselust der Kinder zu fördern. Besonders für die Wortschatzerweiterung im Bereich der Adjektive sei das Buch bestens geeignet, so Kemmsies. In den drei Wochen schafften es die Kinder, das Buch komplett zu lesen.

In der ersten Projektwoche wurden die Schülerinnen und Schüler morgens an ausgesuchten Schulen mit dem Bus von den Pädagogen abgeholt und zur Jugendherberge Büdingen gebracht. Abends erfolgte ein Transfer zurück in die Stadt. In der zweiten und dritten Woche übernachten die Kinder von Montag bis Freitag in der Jugendherberge und kommen nur am Wochenende nach Hause. In der Jugendherberge haben sie einen eigenen Trakt für den DeutschSommer, so dass sie ungestört von anderen Gästen in der Jugendherberge lernen können.

Bei den Kindern kommt das Programm sehr gut an. Während des intensiven, abwechslungsreichen Programms ist keine Zeit für Heimweh. Die neunjährige Mariam, die die Wilhelmschule besucht, ist begeistert: „Mir gefällt es hier sehr gut, und es macht viel Spaß. Die Betreuer sind nett, und es gibt viele Spiele. Ich habe im DeutschSommer auch schon viel gelernt.“ Dem kann sich Marek, der ebenfalls neun Jahre alt ist und auf die Wilhelmschule geht, nur anschließen und fasst den DeutschSommer mit „alles gut“ zusammen.
Dass die Kinder sehr viel Freude haben und sich wohl fühlen, zeigt auch ihre Eigeninitiative und Identifikation mit dem Projekt: Sie haben ein „DeutschSommer-Lied“ auf die Melodie des WM-Songs „Wavin` flag“ getextet. Der Refrain lautet: „Hier im Sommer haben wir Spaß und lernen Deutsch!“ Wenn die Kinder das Lied, begleitet von einem Betreuer auf der Gitarre, singen, bebt die ganze Jugendherberge.

Theaterfest am letzten Abend
Am letzten Abend - Donnerstag, 22. Juli - führen die Kinder ein Theaterstück in deutscher Sprache auf, das sie im Theaterunterricht während des DeutschSommers selbst erarbeitet und einstudiert haben. Dann heißt es „Bühne frei!“ für die Kinder. Zur Aufführung des Theaterstücks sind auch die Eltern und Lehrer der Kinder eingeladen und erhalten so die Gelegenheit, den DeutschSommer kennen zu lernen und sich mit den DeutschSommer-Pädagogen über die Entwicklung der Kinder auszutauschen. Ein kostenloser Busshuttle bringt die Eltern von Offenbach nach Büdingen und zurück.

Fast alle Offenbacher Grundschulen beteiligt
Die 45 Kinder, darunter 26 Jungen und 19 Mädchen, kommen aus elf der 14 Grundschulen der Stadt. Sie sind zwischen neun und elf Jahre alt und kommen aus acht Stadtbezirken. Insgesamt sind 24 Herkunftsnationen im Offenbacher DeutschSommer vertreten.

Was die Anmeldungen angeht, war die Nachfrage weit höher als das Platzangebot. Es gab 45 Plätze, aber rund 60 Anmeldungen. Aufgrund der großen Nachfrage und des Erfolgs, der sich – so erwarten es alle Beteiligten – einstellen wird, soll es auch im nächsten Jahr wieder einen Offenbacher DeutschSommer geben.

Abschlusstest und „Endspurt“
Am Ende der drei Wochen findet noch einmal ein Test statt, der für die Kinder aber nicht benotet wird. Darüber hinaus füllen sowohl die Pädagogen vor Ort als auch die Lehrkräfte in den Schulen einen Fragebogen zu jedem Kind aus, um die Fortschritte zu dokumentieren. Die Kinder erhalten ein Teilnahme-Zertifikat, auf dem ihre besonderen Begabungen aufgelistet werden – eine wichtige Information für die Eltern und Lehrkräfte zu Hause, um die Kinder weiter in dem zu fördern, was sie besonders gut können.

Die Erfahrungen aus dem Frankfurter Modellprojekt zeigen, dass die Kinder mit besseren Deutschkenntnissen, großer Motivation und einem gestärkten Selbstbewusstsein wieder in die Schule zurückkehren. Die Erfahrungen zeigen aber auch, dass es zur Sicherung der Nachhaltigkeit angeraten ist, im weiteren Verlauf des 4. Schuljahres noch einmal ein Förderangebot zu machen, das sie zum bestmöglichen Zeitpunkt sprachlich stärkt und weiter motiviert. Deshalb wird in der dritten Woche der Weihnachtsferien, noch vor den Halbjahreszeugnissen und vor der Empfehlung der Klassenlehrer für die nachfolgenden Schulformen, ein weiteres, fünftägiges Deutschprogramm mit dem Titel „Endspurt“ angeboten. 15 DeutschSommer-Kinder werden vom 3. bis 6. Januar 2011 im Schullandheim Wegscheide bei Bad Orb erneut für fünf Tage die Gelegenheit erhalten, ihre Sprachkompetenzen in Deutsch mit den gleichen Fachkräften weiter zu vertiefen und auszubauen. Damit haben die Kinder anschließend in der entscheidenden Phase zum Ende des ersten Halbjahres der vierten Klasse die Möglichkeit, sich zu beweisen, bevor der Klassenlehrer die Empfehlung für die weiterführende Schule ausspricht.

DeutschSommer Offenbach: ein Projekt mit vielen Partnern
Dem DeutschSommer liegt ein erfolgreiches Modellprojekt aus Bremen zugrunde, das von der Jacobs Foundation, vom Max Planck-Institut für Bildungsforschung und vom Bremer Bildungssenat initiiert wurde. Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main ergriff 2006 die Initiative zur Durchführung des ersten DeutschSommers in Frankfurt und passte das Konzept gemeinsam mit öffentlichen und privaten Partnern den hiesigen Gegebenheiten an.

Die Stadt Offenbach am Main ist Träger des Offenbacher DeutschSommers und fördert diesen mit 30.000 Euro. Stadtrat Weiß hebt die besondere Rolle der Stadt als Schulträger hervor, betont aber auch die Wichtigkeit der Partner, ohne die das 108.000 Euro kostende Programm nicht umsetzbar wäre. Es ginge der Stadt nicht nur ums Bauen und Ausstatten der Schulen, sondern auch darum, Defizite in der Bildung zu beheben. „Es ist ein anspruchsvolles Projekt. Einer allein könnte es nicht schultern“, so Weiß. Jeweils 30.000 Euro tragen das Hessische Kultusministerium und die Dr. Marschner Stiftung bei. Die Deutsche Bank Stiftung übernimmt die Koordinationskosten (Kosten des Projektbüros) in Höhe von 18.000 Euro. Das Bildungsdezernat der Stadt Offenbach ist verantwortlich für den Kontakt zu den Projektpartnern sowie zum Lenkungsausschuss und für die Öffentlichkeitsarbeit. Das Stadtschulamt kümmert sich um die administrative Abwicklung und die Schülerbeförderung. Gemeinsam mit dem Staatlichen Schulamt hat es die Schulen ausgewählt und kontaktiert. Die vhs Offenbach beteiligte sich an der Rekrutierung der Lehrkräfte und an der administrativen Abwicklung der Honorarverträge. Die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Franfurt am Main hat dem Projektträger das DeutschSommer-Format bereitgestellt und unterstützt u.a. durch die Bereitstellung von Know-How und Informationsmaterial. Das Deutsche Jugendherbergswerk - Landesverband Hessen e.V. übernimmt ein Stipendium in Höhe von 1.500 Euro.

Auch der städtische Verkehrsdienstleister Offenbacher Verkehrsbetriebe GmbH (OVB) engagiert sich. Die OVB ist für den Transport der Kinder in die Jugendherberge verantwortlich. Darüber hinaus organisiert die OVB auch einen Bustransfer für die Eltern zum großen Theaterfest am 23. Juli nach Büdingen.

Ministerialrätin Charlotte Mori vom Referat Hessischen Kultusministerium, bewertet die Kooperation der vielen Partner in diesem Projekt besonders positiv: „Der DeutschSommer ist ein gutes Signal. Kommunen, Stiftungen, Eltern und das Land Hessen tun sich zusammen, um den Kindern zu helfen.“

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