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Stadt Offenbach

Gewaltprävention an Offenbacher Schulen: Schüler sollen angstfrei lernen

14.07.2010 – 14. Juli 2010: Gewalt an Schulen ist in Offenbach schon lange kein Tabu-Thema mehr. Seit fünf Jahren folgt die Gewaltprävention einem Rahmenkonzept, erstellt von Dr. Michael Koch vom Jugendamt. Zwölf Schulen nehmen inzwischen an dem Programm teil. Sie alle haben Angebote in den Unterrichtsplan integriert, um mit Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Jahrgangsstufen jeweils altersgerecht gegen Gewaltmechanismen vorzugehen. Die Angebote sind gebündelt im sogenannten „Methodenkoffer zur Gewaltprävention an Schulen“. Das Jugendamt hat alle auf Tauglichkeit für den Offenbacher Schulalltag geprüft. „Wir sind von diesem Konzept sehr überzeugt“, sagt Bürgermeisterin und Jugenddezernentin Birgit Simon. Nicht zuletzt deshalb, weil es auf wissenschaftlichen Erkenntnissen verschiedner Fachdisziplinen basiere.

Die Rudolf-Koch-Schule ist seit 2005 dabei. Zuvor war es dort, wie an vielen anderen Schulen auch: Es gab Einzelaktivitäten zur Gewaltprävention, doch laut Schulleiterin Christiane Rogler fehlte die Systematik. Inzwischen gibt es an der Schule eine Steuerungsgruppe. Dort laufen die Fäden zusammen, ob es nun um Suchtprävention, um Schulseelsorge, Krisenintervention oder Gewaltprävention geht. Der entscheidende Erfolg: Das Klima hat sich verändert. Heute wissen Schüler, Lehrer und Eltern: Die Schule schaut hin und greift ein, wenn Gewalt passiert. Das Thema wird nicht unter den Teppich gekehrt.

Die beteiligten Lehrer wenden dafür viel Zeit auf. Zusätzlich. Ein extra Stundenkontingent habe keiner von ihnen zur Verfügung, sagt die Lehrerin Ursula Frühauf. Sie hat an der Rudolf-Koch-Schule die kollegiale Fallberatung ins Leben gerufen. In dieser Runde können Lehrer Einzelfälle zur Sprache bringen und sich mit Kollegen austauschen. Die Teilnehmer profitieren von der Erfahrung und dem Fachwissen der anderen und können frühzeitig intervenieren. „Dieser Austausch bedeutet eine große Entlastung“, beschreibt Ursula Frühauf.

Hingucken und Handeln 

„Prävention im Team – PiT Hessen“ heißt ein Projekt der Landesregierung, das an der Rudolf-Koch-Schule ebenfalls schon seit Jahren läuft. Dank dieses Projekts verfügt die Schule über einen direkten Draht zur Polizei. Die Teilnahme am Offenbacher Rahmenkonzept sorgt außerdem für gute Kontakte zu anderen Schulen. So profitiert die Rudolf-Koch-Schule inzwischen von einem Netzwerk, das dafür sorgt, dass das nötige Know how im Einzelfall schnell verfügbar ist. „Hingucken bedeutet auch, dass die Lehrer wissen müssen, was zu tun ist“, verdeutlicht die Schulleiterin.

Das gilt auch für Cyber-Mobbing, ein Feld, das der Elterngeneration oft nicht mehr so leicht zugänglich ist. Wenn ein Jugendlicher in SchülerVZ gemobbt wird, muss man wissen: Was ist das überhaupt, welche Eingriffsmöglichkeiten gibt es, wie kann man sich schützen? „Wenn an unserer Schule ein Lehrer mit diesem Thema konfrontiert wird, hat er sofort einen Kollegen an der Hand, der sich damit auskennt“, sagt Ursula Frühauf. An der Rudolf-Koch-Schule werden außerdem Oberstufenschüler als Mediencoaches ausgebildet. Sie geben ihr Wissen an Eltern weiter oder referieren vor Klassen. Auch andere Schulen können die Mediencoaches anfordern. Wichtig sei, dass auch Eltern einen Zugang zum Thema soziale Netzwerke im Internet finden, so die Vertreterinnen der RKS.

Fachtagungen mit steigenden Teilnehmerzahlen

Dort beginnt das Programm bereits in den fünften Klassen. Mit den Kindern wird Gewalt im öffentlichen Raum thematisiert. „Cool sein, cool bleiben“ heißt das Angebot für Sechstklässler. Das Jugendkulturbüro Sandgasse und die Koordinationsstelle Gewaltprävention bieten gemeinsam Fortbildungen für Lehrkräfte und Sozialpädagogen. Seit der Einführung des Rahmenkonzepts und des Methodenkoffers vor fünf Jahren wurden insgesamt 572 Lehrkräfte zum Thema Gewaltprävention qualifiziert, mehr als 900 Lehrkräfte und über 500 außerschulische Pädagoginnen nahmen an den jährlichen Fachtagungen des Jugendamtes teil. Für Dr. Michael Koch ist die steigende Zahl der Teilnehmer ein Beleg für das gewandelte Bewusstsein: Gewalt unter Jugendlichen wird nicht länger verdrängt, sondern als Problem erkannt und bearbeitet.

Arbeitsgruppen zu Gewaltprävention gibt es an allen zwölf Schulen, die sich dem Rahmenkonzept angeschlossen haben. An diesen Schulen wurde Präventionsarbeit ins Schulprogramm aufgenommen. Dadurch, so Koch, seien die Aktivitäten an den Schulen inzwischen deutlich besser verzahnt.

„Es geht hier in Offenbach gar nicht so sehr um die ganz harten Fälle“, sagt Koch. Vielmehr gehe es um die Widrigkeiten des Alltags, um Mobbing oder Ausgrenzung, um Belästigungen auf dem Schulweg. Der Methodenkoffer beinhaltet zum einen Angebote, die auf eine Verhaltensänderung abzielen. Jugendliche können zum Beispiel lernen, wie sie sich aus dem Magnetfeld einer latenten Gewaltsituation fernhalten. Zusätzlich sei es aber auch wichtig, Jugendlichen positive Erfahrungen zu vermitteln. Sportangebote tragen dazu ebenso bei wie das musikpädagogische Projekt „offRock-Mobil“, das von Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen in Anspruch genommen werden kann. Sozialtrainings an Schulen fördern zudem soziale Kompetenzen. Ansprechpartner sind die Schulsozialarbeit an der Mathildenschule und an der Eichendorffschule sowie das Trainingsraum-Team an der Bachschule. As Jugendbildungswerk trainiert mit Jugendlichen den interkulturellen Dialog.

Förderverein Sicheres Offenbach trägt zwei Drittel der Kosten

All diese Aktivitäten wären nicht möglich ohne die finanzielle Unterstützung durch den Förderverein Sicheres Offenbach. Der Verein unter dem Vorsitz von Wilhelm Uhl, Amtsgerichtspräsident a.D., sponsert den Methodenkoffer mit jährlich 35.000 Euro, davon 10.000 Euro speziell für Projekte zu Medienrisiken und Sucht. Die Stadt beteiligt sich jährlich mit rund 17.000 Euro an den Kosten. 12.000 Euro davon stammen aus dem Präventionsetat des Jugendamtes. Die Motivation seines Vereins, der auf Fördermitgliedschaften von Firmen und Einzelpersonen basiert, beschreibt Wilhelm Uhl so: „Kinder sollen ohne Angst zur Schule gehen.“ Und Dr. Michael Koch ergänzt: „Angst bedeutet Stress und Stress ist eine der schlimmsten Lernblockaden.“

Er wünscht sich eine bessere Finanzausstattung, denn dann könnte das Programm auf weitere Schulen ausgedehnt werden. „Zwei Schulen scharren schon mit den Hufen“, sagt er. Und auch an anderen Schulen wird über die Einführung des Rahmenkonzepts beraten. Das Programm ist also noch ausbaufähig. Doch Kochs Zwischenbilanz ist eindeutig positiv: „Wir haben in den fünf Jahren viel erreicht. Das nimmt dieser Stadt keiner mehr.“

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