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Stadt Offenbach

Wie sich das Nordend und der Hafen Offenbach gegenseitig bereichern

29.12.2014 – Die positive Entwicklung am Hafen hat das Nordend in diesem Jahr in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Die Stadt erhofft sich positive Impulse für das Traditions-Quartier in der Innenstadt, das sich in den vergangenen Jahren auch zum Standort von Kreativunternehmen gemausert hat. Das Nordend hat große Potenziale, ist aber nach wie vor auch ein Stadtteil, in dem sich soziale Probleme konzentrieren, wie eine aktuelle Untersuchung des Amtes für Arbeitsförderung, Statistik und Integration zeigt.

Auf rund 65 Hektar, gelegen zwischen Hafenviertel im Norden, Berliner Straße im Süden, den Goethering im Westen und der Kaiserstraße im Osten, zählt das Nordend zu den statistisch relevanteren Stadtteilen Offenbachs. Mit der Entwicklung des Hafens rückt das verkehrsgünstig gelegene Gebiet zunehmend in den Mittelpunkt der strategischen Standortbestimmung. Hier lebt ein relativ großer Anteil an Menschen, die die Innenstadt ihr Zuhause nennen, und zahlreiche Menschen gehen hier ihrer Arbeit nach. Die Bevölkerung ist jünger, multikultureller und stärker von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen als die Offenbacher Bevölkerung im Durchschnitt.

Als gewachsenes Quartier prägen das Nordend Wohngebäude und Gewerbeimmobilien. Zwischen der vorherrschenden Blockrandbebauung mit Wohngebäuden aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg existieren vereinzelt auch Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Mit etwa 800 Beschäftigten ist der Energieversorger EVO mit seinen Unternehmenstöchtern der größte Arbeitgeber im Quartier. In der angrenzenden ehemaligen Heyne-Fabrik arbeiten 200 bis 250 Menschen, überwiegend im Bereich der Kreativwirtschaft. Daneben gibt es zahlreiche weitere Gewerbe- und Dienstleistungsunternehmen sowie gastronomische Betriebe. Hier hat auch die Messe Offenbach ihren Standort, die vor allem bekannt ist für die mehrfach im Jahr stattfindende Lederwarenmesse I.L.M.

Während im Hafen Offenbach ein attraktiver und moderner Wohn- und Arbeitsstandort neu entsteht, bietet das Nordend die Struktur eines gewachsenen Stadtteils, auf dessen Angebote die Wenigsten verzichten möchten. Spannend bleibt vor diesem Hintergrund, ob und wie das neue Viertel mit dem alten künftig verwachsen wird. Während bereits das Schreckgespenst der Gentrifizierung durch die politische Landschaft geistert, beobachten die Verantwortlichen im Offenbacher Rathaus die Entwicklung des Nordends aufmerksam, denn aller Voraussicht nach wird sich hier einmal abzeichnen, ob die Strategie der Stadt Offenbach aufgegangen ist, mehr kaufkräftige Einwohner zu gewinnen, gleichzeitig aber die angestammte Bevölkerung nicht aus ihren Quartieren zu verdrängen.

Eine emotional geführte Gentrifizierungsdebatte wäre für Oberbürgermeister Horst Schneider in diesem Zusammenhang jedoch die falsche Herangehensweise an Fragen, die die strategische Entwicklung Offenbachs aufwirft. „Von Gentrifizierung kann, wie die statistischen Daten eindrücklich aufzeigen, keine Rede sein. Vielmehr brauchen wir positive Entwicklungsimpulse, um den Stadtteil in der Balance zu halten und ihm neue Perspektiven zu erschließen.“ Schneider erinnert an die Strategie der Stadt, die auf eine ausgewogenere Sozialstruktur der Offenbacher Bevölkerung abzielt. „Wir wollen dabei niemanden vertreiben, vielmehr müssen alle Bevölkerungsschichten das passende Angebot in Offenbach finden.“

Für das Nordend sieht er darin genau die richtigen Ansätze: „Ohne das Nordend mit seinen kulturellen und gastronomischen Möglichkeiten wird der Hafen Offenbach sicher nicht funktionieren. Die Menschen werden abends fußläufig ausgehen, sich unter die Menschen mischen, beim Gemüsehändler einkaufen, ihr neues Stammlokal finden oder mal das Capitol-Theater aufsuchen wollen. Genau das sind die Angebote, die der Stadtteil bietet.“ Umgekehrt bedeute das hinzukommende Einzugsgebiet im Hafen auch neues Potenzial für das Nordend. In diesem Zusammenhang spiele die geplante Hafenschule mitsamt Kita eine wichtige Rolle, die vor allem für die schon geborenen Kinder im Nordend vorgesehen ist und die Goetheschule entlasten soll.

Auch nach Einschätzung von Dr. Matthias Schulze-Böing, Leiter des Amtes für Arbeitsförderung, Statistik und Integration, kann von Gentrifizierung derzeit keine Rede sein. „Ein typischer Indikator wie etwa die Mietpreisentwicklung lässt diesen Schluss nicht zu“, sagt er. „Ganz im Gegenteil: So liegt die Spanne im Nordend derzeit zwischen 5,20 und 12 Euro. Und 5,20 Euro sind ein Mietpreis, der auch für untere und mittlere Einkommen absolut erschwinglich ist.“ Angesichts von aktuellen Kaufpreisen zwischen 2200 und 3000 Euro pro Quadratmeter könnten sich dort auch Personen mit mittlerem Einkommen und Arbeitnehmerhaushalte Wohneigentum leisten.

Dessen ungeachtet seien positive Veränderungen im Nordend durchaus notwendig, meint Schulze-Böing: „Auch wenn das Nordend in vieler Hinsicht ein typischer Innenstadtteil mit hoher Bevölkerungskonzentration, baulicher Verdichtung und Fluktuation ist, weisen sozialstrukturelle und wirtschaftliche Merkmale auf hohe Belastungen und Ungleichgewichte hin.“ Deshalb erscheine es sinnvoll, die Entwicklung des Stadtteils im Sinne einer Stabilisierung und Reduzierung der vorzufindenden besonderen Konzentration sozialer Probleme und Risiken aktiv zu fördern, so der Fachmann.

Statistische Bewertung des Nordends:

Wie der statistische Vierteljahresbericht der Stadt aufweist, zählt das Nordend mit insgesamt 12.102 Personen, die hier ihren Hauptwohnsitz (Stand 30.06.2014) angemeldet haben, zu den größeren Stadtteilen Offenbachs. Das Nordend ist jung und lebendig, der Anteil der 18- bis 44-Jährigen liegt mit 46,0 Prozent vergleichsweise hoch (Offenbach gesamt: 38,8 Prozent). Hierfür ist insbesondere die deutsche Bevölkerung maßgeblich verantwortlich (Anteil der 18- bis 44-Jährigen im Nordend: 38,8 Prozent, Offenbach: 31,3 Prozent). Rund 56,6 Prozent aller Haushalte setzen sich lediglich aus einer Person zusammen (Offenbacher Schnitt: 49,7 Prozent). „Das Nordend weist, wie alle Innenstadtteile, eine überdurchschnittliche Bevölkerungsfluktuation auf“, führt Schulze-Böing aus, „sie lag im Jahr 2013 im Statistischen Bezirk 13 mit 16,0 Prozent und im Bezirk 14 mit 14,2 Prozent über der durchschnittlichen Quote von 11,2 Prozent in allen städtischen Bezirken.“ Nur 12,1 Prozent der Einwohner im Nordend leben dort schon länger als 20 Jahre, rund 52 Prozent sind dort erst seit weniger als fünf Jahren ansässig. Getoppt werden diese Zahlen nur noch durch die Fluktuationsraten von jeweils mehr als 20 Prozent in den Innenstadtbezirken rund um die Wilhelmschule und Mathildenschule.

Der Ausländeranteil an der Bevölkerung beträgt 48,0 Prozent und liegt damit deutlich höher als im Durchschnitt der Stadt (34,3 Prozent). Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund hat einen Anteil von 72,0 Prozent im statistischen Bezirk 13 und 67,7 Prozent im Bezirk 14 und liegt damit ebenfalls weit über dem Gesamtschnitt (57,1 Prozent). Höher ist auch die Langzeitarbeitslosigkeit: Im Dezember 2013 lebten 2.301 Leistungsberechtigte in 1.038 Bedarfsgemeinschaften nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dies entsprach 11,9 Prozent aller SGB II-Leistungsberechtigten in Offenbach – ein seit Jahren unveränderter Anteil. Der Anteil der Leistungsberechtigten im SGB II an der erwerbsfähigen Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren erwies sich mit 25,9 Prozent erkennbar höher als der Durchschnittswert der Stadt von 22,2 Prozent.

Hinweis:
Der statistische Vierteljahresbericht zum Nordend kann über folgenden Link kostenlos heruntergeladen werden: http://www.offenbach.de/stepone/data/pdf/3e/28/00/2von2014.pdf  

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