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Stadt Offenbach

Träume aus der Tiefe: Offenbach und seine Mineralwasserquelle

10.08.2015

10. August 2015: Die Gäste haben sich fein gemacht. Sie sind zu einem Bankett in der Gutsschänke Neuhof eingeladen, es ist der 13. September 1965. Aufgetischt werden Ragout Fin in Muscheln, Rheinsalm, Rippenstücke garniert und Gans nach traditioneller Art. Zu feiern ist ein neuer Schub für die nun schon seit mehr als 75 Jahren sprudelnde Kaiser-Friedrich-Quelle. Am Tag nach dem Festschmaus sollen die Bohrungen für einen zweiten Mineralwasser-Brunnen beginnen.

Seit diesem Bankett sind nun 50 Jahre vergangen, und die Kaiser-Friedrich-Quelle gibt es schon lange nicht mehr. Nur eine Büste des unglücklichen Kaisers Friedrich III. erinnert noch an das Unternehmen. Sie steht an der Ecke Ludwigstraße und Geleitsstraße, als habe jemand sie dort vergessen. Doch 1965 ließ sich noch auf Zukunft vertrauen. Die neue Bohrung sollte die Förderkapazität vor allem für den sommerlichen Spitzenbedarf steigern. Erweitert werden sollte dabei auch die bisherige Lagerkapazität von 1,5 Millionen Flaschen.

Vom neuen Brunnenhaus versprach man sich zudem eine publikumswirksame Attraktivität. Durch eine Glaswand an der Ludwigstraße sollten Passanten beobachten können, wie aus der Tiefe des Offenbacher Bodens pure Gesundheit in Flaschen gelangte. Wäre es dazu gekommen, dann hätte der neue Brunnen als Denkmal sprudelnder Träume gelten können. Als Erinnerung daran, wie dort einst die Regimentskapelle aufspielte, während Gäste mit einem Glas in der Hand die Zukunft der Kurstadt Offenbach erörterten.

Begonnen hatte das alles schon 1886, als der Fabrikant Adam Neubecker (1840-1900) mit der Stadtverwaltung haderte. Er benötigte Wasser für seine Produktion, viel Wasser. Als Großabnehmer meinte er, für das Wasser aus dem städtischen Netz einen Rabatt beanspruchen zu können. Und weil die Stadtverwaltung das verweigerte, engagierte er eine Brunnenbau-Firma für die Suche nach Wasser unter dem eigenen Grundstück. Die Firma gab auf, als der Bohrer nach hundert Metern auf festes Gestein stieß. Doch jetzt wurde die Sache zu einem sportlichen Wettbewerb. Verbissen begann Neubecker, nun mit eigenen Leuten zu bohren, wochenlang, monatelang. Es ging um Ehre, Trotz und schon viel fortgebohrtes Geld. Den Offenbachern bescherte es einen nicht versiegenden Gesprächsstoff.

Neubecker aber schien zu gewinnen. Auf einer Tiefe von fast 300 Metern stieß der Bohrer nach zwei Jahren tatsächlich auf Wasser. Allerdings war es so mineralisiert, dass der Fabrikant es für den gewünschten Zweck nicht nutzen konnte. Lediglich als Fußnote ist anzumerken, dass die Stadtverwaltung nun doch den gewünschten Rabatt einräumte.

Der Adam Neubecker aber erwies sich als flexibel. Er ließ eine Halle mit Zapfsäulen bauen, an denen sein Mineralwasser gegen Entgelt zu genießen war. Bald gab es an der Ludwigstraße einen Musikpavillon und eine Halle mit Tischen und Bänken. Der kaiserliche Hof in Berlin erlaubte die Firmenbezeichnung Kaiser-Friedrich-Quelle. Schließlich war der Brunnen 1888, in der kurzen Regierungszeit des totkranken Herrschers, erschlossen worden. Unter diesem Namen geht das Offenbacher Wasser nun in die Welt.

Bereits 1889 wird ihm auf einer internationalen Ausstellung in Köln unter allen ausgestellten Mineralwassern die höchste Auszeichnung zugesprochen. 1891 sieht ein Fachblatt sogar ein „Bad Offenbach“ nahe: „Hand in Hand mit der steigenden Anerkennung (seines Mineralwassers) wird sich auch Offenbach (…) zur vielbesuchten Kurstadt entwickeln“.

Im selben Jahr gewährt die Eisenbahnverwaltung den Offenbachern einen Sondertarif für den Transport des Kaiser-Friedrich-Wassers an den österreichischen Mittelmeer-Hafen Triest, ein Tor nach Übersee. Neubeckers Kurbetrieb jedoch wird bald insolvent. Seine Maschinenfabrik kann er noch retten, die erlischt erst 1989. Brunnen und Abfüllbetrieb aber werden Eigentum einer Aktiengesellschaft, die an Kurgästen und Militärmusik kein Interesse mehr hat. Sie beliefert Handel und Gastronomie.

Beim Festbankett von 1965 auf Gut Neuhof ist das noch immer ein florierender Betrieb Niemand an der Tafel ahnt, wie nah bereits das Ende ist. 1996 verliert das Wasser die staatliche Anerkennung als Heilwasser. Die Brunnen werden geschlossen, die Rechte an dem Namen Kaiser-Friedrich-Wasser gehen an ortsferne Unternehmen. Wo einst Flaschenkästen klapperten und Lastzüge ein- und ausfuhren, findet man heute nur noch die Stille eines Seniorenheims. Es ist ein Neubau, voll von alten Erinnerungen.

Hinweis an die Medien:

Dieser Text stammt von unserem freien Mitarbeiter Lothar R. Braun. Er darf bei Nennung des Urhebers kostenlos veröffentlicht werden.

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