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Stadt Offenbach

Viele Welten unter einem Dach: das Mehrgenerationenhaus KJK in der Sandgasse

20.05.2016

Offenbach am Main, 20.05.2016 – Ab und zu informiert ein Plakat über ein Konzert, gibt es eine Ankündigung, eine Einladung. Dass es in der Sandgasse an über 250 Tagen im Jahr einiges zu erleben gibt, erfährt nur, wer eintaucht in das Universum des KJK: Das Kinder- und Jugend und Mehrgenerationenhaus in der Sandgasse 28 feiert am 22. Mai sein 15-jähriges Bestehen mit einem Haus- und Hoffest. Dann öffnen sich die Türen und offenbaren einen Ausschnitt auf eine bunte Welt aus Theater, Film und Medien, Musik, aber auch aus Hilfe, Unterstützung und Freundschaft. Wir haben uns vorab schon mal umgeschaut.

Knurrender Bauch studiert nicht gerne

Stimmengewirr, Gelächter und das Klappern von Geschirr klingt aus den geöffneten Fenstern nach Draußen. Es ist Mittagszeit und im Kinder- und Elterntreff im Erdgeschoss herrscht reges Treiben. Von Montag bis Donnerstag gibt es um 13 Uhr den Mittagstisch, „dann“, erklärt Sine Lange, „können sich die Kinder günstig satt essen“. Die Sozialpädagogin weiß um die Relevanz des Angebotes: „Bei manchen Familien ist das Geld knapp. Manche Kinder kommen jeden Tag nach der Schule her.“ Neben dem Mittagsessen können sie täglich von 13.30 bis 15 Uhr die Hausaufgabenhilfe besuchen.

Parallel dazu gibt es bis 15 Uhr einen „Offenen Treff“ mit Spielen und Beschäftigung und jeden Montag von 15 bis 17 Uhr trifft sich die „Montagsgruppe Himmelblau“ für gemeinsame Unternehmungen. Weil es am Dienstagnachmittag einen Mädchentag gibt, denkt das Team darüber nach, den Termin am Montag Jungs vorzubehalten: „Wir merken immer mehr, wie wichtig es ist, den Kindern geschlechtsspezifische Angebote zu machen.“

Mittwochs findet von 15 bis 17 Uhr ein offener Treff und ein Zirkusprojekt statt und donnerstags stehen im zweiwöchigen Wechsel Kinderkino und Ausflüge ins Schwimmbad, auf Spielplätze oder den Skaterpark auf dem Programm. Lange arbeitet mit sieben Kollegen und Kolleginnen im Kinder- und Elterntreff, kümmert sich um Organisatorisches. Sie ist wie alle hier Ansprechpartnerin und gute Seele. Außerdem leitet die Pädagogin die Theatergruppe für neun bis dreizehnjährige Jungen und Mädchen. Treffpunkt ist jeden Freitag von 14 bis 16 Uhr, dann arbeitet die derzeit aus sechs festen Teilnehmern bestehende Gruppe an ihrer aktuellen Produktion „Aliens meet Sandgasse“, ein 20minütiges Stück, dessen Rahmenhandlung und Szenen aus Improvisationen entstanden sind. Minimalistisches Bühnenbild, wenig Requisiten. Für die Kinder und Jugendlichen eine echte Herausforderung, weiß Lange. „Die Kinder sollen vor allem lernen zu improvisieren, im Spiel und in ihrer Rolle zu sein, da würde zu viel Chi-Chi einfach nur ablenken.“ Die Kinder profitieren davon, wenn sie in der Situation bestehen: „Sie gehen dann mit einem gestärkten Selbstbewusstsein von der Bühne.“

„Aliens meet Sandgasse“ ist beim Haus- und Hoffest zu sehen. Danach ist die Gruppe übrigens wieder für Interessierte offen, wer Bühnenluft schnuppern möchte, wendet sich dann an Sine Lange.

Eltern und Erwachsene stehen übrigens nicht nur im Namen des Treffs, sondern auch im Programm: So startet die Woche jeden Montag von 9 bis 11 Uhr mit einem Deutschkurs für Frauen, Mittwochs gibt es von 9.30 bis 11 Uhr eine Spielgruppe, Donnerstags zur gleichen Zeit ein Müttercafé mit Kleinkinderbetreuung und Freitags eine Fitnesseinheit für Mütter, „dezidiert keine Rückbildungsgymnastik“, erklärt Lange, „aber ebenfalls mit Kleinkinderbetreuung.“ Spätestens Freitagnachmittag um 15 Uhr macht das KJK seinem Namen als Mehrgenerationstreff beim Treff 55+ und auch bei der anschließenden Trommelgruppe für Erwachsene alle Ehre.

Kultur? Am besten selbst gemacht!

Kindertrommelgruppe am Montag, Breakdance am Donnerstag, diverse Theater- und Musikprojekte und internationale Jugendkulturbewegungen in Serbien, Frankreich oder Indianderreservaten in den USA: Man könnte sagen, das Jugendkulturbüro ist ‚gut unterwegs‘. „Das müssen wir auch sein“, bestätigt Claudia Weigmann-Koch. Gemeinsam mit ihrem Team ist sie ständig in Bewegung, auf der Suche nach neuen Themen, die „die Kids begeistern“, aber auch nach neuen Finanztöpfen, um auch über das Alltagsgeschäft hinausgehende Projekte anbieten zu können. „Wir arbeiten unglaublich vernetzt und konnten dadurch in den letzten 15 Jahren fast 250.000 Euro Drittmittel akquirieren.“ Damit lassen sich dann beispielsweise Produktionen wie die Multiarttheatershow „Last Exit“ im vergangenen Jahr im Ledermuseum oder das Musikcamp mit 70 Jugendlichen in 11 Gruppen auf der Burg Hohensolms realisieren. „Ein Riesenprojekt, ein tolles Projekt“. Wer mit Weigmann-Koch spricht, merkt schnell, mit welcher Leidenschaft im Jugendkulturbüro gearbeitet wird. Daraus entstanden Projekte wie das OffRock-Mobil, das dezentral in der Stadt unterwegs ist und das Musikmachen vor die Tür bringt. Oder das KidsMusikfestival im November: „Eine „wichtige Plattform, um die Sandgasse kennenzulernen und Lust am Machen zu bekommen.“

Fast 30 Trommeln gibt es in der Sandgasse, dazu zwei Proberäume und ein Studio im Keller. Aktuell proben elf Bands wöchentlich in den Räumen, neben „den Youngsters auch drei Seniorenbands“, erklärt Weigmann-Koch augenzwinkernd. „Ras(t)los“ nennt sich die Formation der 55Plus-Jährigen, die neben den „Flavours“ und den „Outlanders“ beim Haus- und Hoffest zu hören sein werden.

Neben dem Schwerpunkt Musik, Tanz und Theater geben weitere Projekte wichtige Impulse. Wie mit dem seit 15 Jahren bestehenden Format „Let´s talk about us“, das in Kooperation mit dem Jugendbildungwerk (JBW) durchgeführt wird. Gemeinsam werden die interessierten Gruppen mit Technik, Sachmitteln und Know How unterstützt. Die Inhalte kommen von den Jugendlichen. In bis zu 20 Gruppen arbeiten sie in vier bis fünf Monaten interdisziplinär an einem Thema, in diesem Jahr „Meine Platz, Deine Straße, unsere Stadt“. Die Ergebnisse dessen, was die Jugendlichen aktuell umtreibt, sind am 30. September in einer großen Präsentation im KJK zu sehen.

Den Surfschein und mehr gibt es in der Medien-Etage

Noch 30 Sekunden, noch 20, noch 10,..der Countdown läuft, dann sind sie live: Marium Kauser und Nora Abu-Sukhen moderieren heute das Yougendmagazin „Standby“, das einmal im Monat im Offenen Kanal live gesendet wird. Insgesamt 45 Minuten dauert die Sendung, die sich immer wechselnden Schwerpunkten widmet. „Heimat und Flucht“ stehen auf dem Programm, das Redaktionsteam hat Einspieler vorbereitet, Studiogäste eingeladen und hinter einer von insgesamt vier Kameras macht der 21-Jährige Syrer Mohammad Al Assali seine ersten Fernseherfahrungen. Ralph Mann, feste Honorarkraft der Medien-Etage, gibt ihm noch ein paar Tipps, bevor es losgeht. Norbert Bommersheim von der Medien-Etage wirft nochmals einen prüfenden Blick über die Szenerie, stimmt das Licht, sind alle im Bild und hebt den Daumen.

„..02, 01, Maz ab“: Im Schnittraum sitzen die beiden Schüler Malte und Shivam und wachen mit Blick auf die Uhr über den Ablauf der Sendung. Die beiden sorgen gemeinsam mit Medienwissenschaftlerin Bea Müller dafür, dass die Kamera, die auf Studiogast Bürgermeister Peter Schneider gerichtet ist, auch übertragen wird, wenn der gerade spricht oder dass der richtige Einspielfilm punktgenau läuft. Alle sind konzentriert bei der Sache, die Anspannung lässt sich beinahe mit Händen greifen. „Eine Live-Sendung ist immer eine Herausforderung, wir sind nach über 100 Sendungen aber ziemlich routiniert“, erklärt Pia Praschma von der Medien-Etage im KJK. „Es ist eher die Ausnahme, dass vorproduzierte Sendungen über den Äther gehen, die Beiträge entstehen bei Projektwochen in den Schulen, in Ferienprojekten oder bei uns in der Sandgasse.“

Das Redaktionsteam trifft sich immer montags und überlegt sich die Themen der nächsten „Standby“-Sitzung. Heute wollen sie die Moderation für die nächste Sendung drehen. Die elfjährige Larissa besucht die 5. Klasse der Leibnizschule und gehört seit eineinhalb Jahren zum Team. Gefragt nach ihren Interessen antwortet sie „Schauspiel, Schnitt und Moderation“. Außerdem mag sie tanzen und macht Eiskunstlauf. Klar, dass sie lieber vor als hinter der Kamera steht. Die Moderationen teilt sie sich mit der zehnjährigen Samantha, die über ihren Freund Paul in die Medien-Etage gekommen ist. Paul ist heute nicht dabei, die elfjährige Rümeysa fehlt ebenfalls bei dem Treffen. Aber Lukas und Malte sind gekommen, die beiden stärken sich gerade noch mit einem Nutellabrot. Malte war am Wochenende mit seinem Onkel unterwegs und hat fotografiert. „Bilder machen, am liebsten bewegte“. Das kann er sich auch später als Beruf vorstellen. Ihn interessieren Technik und Schnitt, auch wenn er schon Szenen vor der Kamera dargestellt hat.

Nicht nur ums Foto, Film und Fernsehen machen geht es in der Medienetage, sondern auch um Medienkompetenz. „Dazu gehört auch der `richtige´ Umgang mit dem Internet“, erklärt Sozialarbeiterin Praschma. Sie gehört seit 1988 zum Team des Jugendamtes, hat sich auf Medienpädagogik spezialisiert und die Medien-Etage mit aufgebaut. Praschma weiß, dass Medien den Kindern zwar Spaß machen, aber auch Gefahren bergen: „Die Kinder und Jugendlichen können bei uns beispielsweise lernen, welche Internetseiten okay sind und woran sie das erkennen. Oder das sie nicht jedes Foto ins Internet stellen können, sondern Urheberrechte und Persönlichkeitsrechte beachten müssen.“ Das gilt nicht nur für junge Menschen, daher gibt es auch Angebote für Ältere und solche, bei denen die Generationen miteinander in Berührung kommen. Beim Haus- und Hoffest zeigt die Medien-Etage „15 Jahre Sandgasse – der Film“, zudem gibt es Videotricks und eine Fotoaktion.

Erfahrung weitergeben: Das Patenschaftsmodell Offenbach (PMO)

Perspektiven zeigen und Türen öffnen: seit 2004 begleiten ehrenamtliche Paten junge Menschen auf dem Weg ins Berufsleben. Jörg Meyer hat das Patenschaftsmodell vor elf Jahren zusammen mit der Evangelischen Kirche Offenbach initiiert, über 300 Schüler haben sich seitdem an dem Projekt beteiligt beziehungsweise davon profitiert. Die Mathildenschule war die erste Schule, die beim Patenschaftsmodell mitgemacht hat, erinnert sich Meyer, dann kamen Bachschule und nach fünf Jahren die Geschwister-Scholl-Schule dazu. Nach acht Jahren folgte die Ernst-Reuter-Schule und seit einiger Zeit ist die Schillerschule dabei. „Denn ohne die Schulen geht es nicht“, erklärt Meyer. Die Lehrer schlagen Schüler für das Patenschaftsmodell vor, die sich dann wiederum bewerben müssen. Jörg Meyer und Andrea Oesterdiek suchen dann geeignete Paten aus und organisieren das Kennenlernen. Insgesamt acht Personen gehören zum Orgateam des PMO, das sich aktuell um 47 Patenschaften sowie um das Stipendienprogramm kümmert. „Da kann grundsätzlich jeder mitmachen, der einen jungen Menschen auf seinem Weg begleiten möchte“, berichtet Oesterdiek. Akademiker, Ingenieure, ehemalige Lehrer, aber auch Schüler und Studenten sind dabei und engagieren sich als Lernpaten. „Ein bisschen Zeit muss man schon mitbringen, aber dafür begegnet man vielen unterschiedlichen Menschen. Für mich war das ein Geschenk.“ Oesterdik war lange selber als Patin aktiv und kümmert sich nun um die Öffentlichkeitsarbeit. Dabei geht es neben der Außendarstellung des Projekts vor allem darum, weitere ehrenamtliche Paten zu gewinnen. Diese sollten neben Motivation nach Möglichkeit auch berufliche Erfahrung mitbringen, das PMO-Team wiederum unterstützt mit Workshops und Erlebnispädagogik.

So wie alle anderen Teams stellt auch das Patenschaftsmodell sich und seine Arbeit beim Haus- und Hoffest des KJK Sandgasse am Sonntag, 22. Mai, von 12 bis 18 Uhr vor.

Bildinformationen:

Foto 1: Theaterpädagogin Cordula (Sine) Lange mit Sozialpädagogin Regina Deiß von der Hausaufgabenbetreuung. Foto: Stadt Offenbach

Foto 2: Redaktionssitzung in der Medienetage: v.l.n.r.: Pia Praschma, Malte, Samantha, Larissa, Lukas und Norbert Bommersheim. Foto: Stadt Offenbach

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