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Stadt Offenbach

Naturschutzrechtliche Anforderungen an Bauherren in Bieber-Nord

30.11.2018

Offenbach am Main, 30. November 2018 – Die Erschließung für das Neubaugebiet Bieber-Nord ist in vollem Gange, die ersten Bauherren werden tätig. Viele Grundstücke weisen dichte Vegetation auf, die zur Baufeldfreimachung gerodet werden muss, und es mehren sich beim Amt für Umwelt, Energie und Klimaschutz die Anfragen, ob und wie Anträge zur Beseitigung geschützter Grünbestände gemäß Grünschutzsatzung der Stadt Offenbach am Main zu stellen sind. Im Folgenden Informationen des Amtes zu den naturschutzrechtlichen Rahmenbedingungen:

Im Zuge der Bebauungsplanaufstellung waren sämtliche Grünbestände mit in die Eingriffs- und Ausgleichsbilanz aufgenommen worden (vor der Erschließung war das Baugebiet Teil des planerischen Außenbereichs). Das bedeutet, dass auch für die privaten Grundstücke bereits ein Ausgleich geplant ist oder schon hergestellt wurde. Der Ausgleich gliedert sich in mehrere Maßnahmen: Für den weit größten Teil wurden von der Stadt Ausgleichsmaßnahmen auf Flächen außerhalb des Plangebiets durchgeführt. So wurden beispielsweise Streuobstwiesen oder Aufforstungsflächen angelegt. Einen weiteren Teil gleicht die Stadt durch die Erhaltung eines Wäldchens sowie Neuschaffung und Gestaltung der im Baugebiet liegenden Grünflächen (Parkanlage) aus.

Ein kleiner Teil des Ausgleichs wird auf die Grundstückseigentümer in Form von Pflanzverpflichtungen umgelegt. Nähere Informationen finden sich in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans zu Baumpflanzungen. Erst, wenn diese Pflanzverpflichtungen erfüllt sind, gilt für die gepflanzten Bäume (egal mit welchem Stammumfang) die Grünschutzsatzung. Es sind also für die Baufeldfreimachung keine Baumfällgenehmigungen vom Amt für Umwelt, Energie und Klimaschutz erforderlich.

Allerdings gelten weiterhin die Vorschriften des Artenschutzes gemäß § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes. Demnach muss ausgeschlossen werden, dass durch die Rodungen Tiere der besonders geschützten Tierarten verletzt oder getötet werden können, deren Entwicklungsformen (zum Beispiel Vogeleier) beschädigt oder zerstört werden können, oder dass Fortpflanzungs- und Ruhestätten dieser Tiere gestört oder vernichtet werden. Dies wird zunächst durch die Einhaltung des Rodungsverbots während der Vegetationsperiode und der Vogelbrutzeit gewährleistet.

Hinsichtlich möglicher Winterquartiere (im vorliegenden Fall im Wesentlichen alte Spechthöhlen, die von den streng geschützten Fledermäusen oder den besonders geschützten Bilchen, etwa Siebenschläfern, zur Überwinterung genutzt werden könnten) muss der Gehölzbestand jedoch vor der Rodung geprüft werden. Diese Prüfung muss durch sachkundige Personen wie Biologen oder Landschaftsarchitekten mit ökologischer Schwerpunktsetzung erfolgen.

Eine Besonderheit des Gebiets Bieber-Nord ist eine (aus vorheriger Räumung von Gartenanlagen entstandene) sehr hohe Vielfalt an Strukturen in dem Gebiet. So finden sich auf manchen Grundstücken lediglich Brombeerhecken und Baumschösslinge, die im Zeitraum Oktober bis Ende Februar ohne große Bedenken gefällt werden können. Manche Flächen sind sogar gänzlich ohne Gehölzbestand. Auf vielen Flächen finden sich jedoch Altbäume oder alte Streuobstbestände, die besonders häufig solche Winterquartiere aufweisen. Nachweislich kamen (und kommen immer noch, bis alles gerodet ist) dort Grünspecht, Grauspecht, Buntspecht und Kleiber vor, auch mehrere Fledermausarten wurden in dem Gebiet kartiert.

Im Zuge der Baugebietsherstellung wurden zwar (unabhängig der Besitzverhältnisse der Grundstücke) die konkret gefundenen potenziellen beziehungsweise unbesetzten Winterquartiere versiegelt und dafür Ausgleich in Form von Nistkästen und Nisthöhlen geschaffen – allerdings war dies flächendeckend nicht möglich. Mit der Erschließung musste auf städtischen Flächen vor jedem Rodungsgang eine neue Begehung erfolgen. Viele Bereiche sind erst durch die Erschließung überhaupt zugänglich geworden, manche Bäume sind bis heute nicht zugänglich aufgrund meterhoher Brombeerhecken. Es gilt also auch für die privaten Eigentümer und Bauherren das tatsächliche Störungs- und Tötungsverbot aus dem § 44 BNatSchG. Vor jeder Rodung ist zu gewährleisten, dass potenzielle Winterquartiere unbesetzt sind und es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu keiner Störung/Tötung kommen kann.

Da die potenziell betroffenen Strukturen im Baugebiet sehr ungleich verteilt sind, kann nicht pauschal verlangt werden, eine artenschutzrechtliche Prüfung mittels einer Begehung durch einen Biologen durchzuführen. Das Umweltamt bitten daher die Bauherren um zeitige Rückmeldung beim Amt, damit die jeweiligen Erfordernisse je nach Grundstück festgelegt werden können.

Falls eine artenschutzrechtliche Prüfung erforderlich ist, dürfte diese (je nach Anzahl der Grundstücke) innerhalb eines Tages/einer Begehung durchführbar sein. Potenzielle Winterquartiere müssen aufgenommen und begutachtet und die Ergebnisse bei der Unteren Naturschutzbehörde gemeldet werden. Sofern die Niststätten nicht besetzt sind, kann sofort gerodet werden oder, falls es mit dem Rodungstermin noch dauert, es müssen Eingänge bis zur Durchführung versiegelt werden. Sollten zur Überwinterung besetzte Höhlen gefunden werden, sind die entsprechenden Gehölze von der Rodung auszusparen, möglichst vor Beeinträchtigungen (zum Beispiel starken Vibrationen) zu schützen und dann in einem leider recht kleinen Zeitfenster nach der Winterzeit und vor Beginn der Vogelbrutzeit (bei Überschneidung kann in enger Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde auch mit Augenmaß vorgegangen werden) zu roden.

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