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Stadt Offenbach

Inklusive Pädagogik. Was heißt das eigentlich? Beim Fachtag Inklusion diskutierten Mitarbeiterinnen des EKO über Konzepte und Möglichkeiten

20.11.2018

Offenbach am Main, 20. November 2018 – Um Inklusion, um Einschluss, ging es beim Fachtag Inklusion für Mitarbeiterinnen des EKO Eigenbetrieb Kindertagesstätten am 6. und 7. November im Deutschen Ledermuseum. „Inklusion wird gemeinhin mit der Teilhabe Behinderter gleichgesetzt“, erklärte der stellvertretende Jugendamtsleiter Roberto Priore in seiner Funktion als stellvertretender EKO-Betriebsleiter, „inklusive Pädagogik meint jedoch mehr. Nämlich das Erkennen und Zulassen von Unterschieden und Vielfalt.“ Dies ist vor allem in einer Stadt wie Offenbach eine besondere Herausforderung, der sich auch die Mitarbeiterinnen in den Kindergärten täglich stellen: Die betreuten Kinder kommen aus unterschiedlichen Ländern, sprechen verschiedene Sprachen, manche sind traumatisiert, waren auf der Flucht und andere haben unbearbeitete Erlebnisse, die sie mit in den Kita-Alltag einbringen. Dann geht es nicht mehr um kleinere Raufereien, sondern um klare Konfliktlinien zwischen den Geschlechtern, Religionen, unterschiedlichen Familien. Um dies besser austarieren zu können und in Workshops später gemeinsam Handlungsempfehlungen zu entwickeln, hatte der EKO Professorin i.R. Dr. Heidi Keller, Fachbereich Humanwissenschaften an der Universität Osnabrück zur inhaltlichen Begleitung eingeladen. Keller hat sich in vielfältigen grundlagenwissenschaftlichen Publikationen intensiv mit der Anwendung kultur - und entwicklungspsychologischer Erkenntnisse im Bereich der Elementar - und Krippenpädagogik auseinandergesetzt.

„Nicht die oder der Behinderte ist das Problem, sondern die Treppe“: In ihrer Begrüßungsrede forderte  die für den Bereich Jugend zuständige Stadträtin Sabine Groß eine grundsätzliche  Änderung der Blickrichtung. Der Inklusionsbegriff müsse an Schärfe gewinnen. „Letztlich“, so die Dezernentin weiter, „geht es um die Frage, wie wir unser Leben gestalten und wie wir mit Vielfalt umgehen.“ Da setze das  Qualifizierungsprogramm des EKO an, das Erzieherinnen und Erzieher auch im Umgang mit Eltern unterstützt, um den vielfältigen Herausforderungen besser zu begegnen.  

Der andere Blick - drei Blitzlichter

In den 1920er Jahren erforschte die US-amerikanische Ethnologin Margaret Mead Kulturen im Südpazifik  und schlussfolgerte daraus, dass die bis dahin bekannten Geschlechterrollen kulturell bedingt seien und nicht genetisch vorgegeben sind. Das war das erste von drei  sogenannten „Blitzlichtern“, mit denen Priore die Anwesenden inhaltlich auf den Fachtag einstimmte. Das zweite widmete sich jungen Menschen, die beispielsweise für ein Semester ins Ausland gehen und sich dort im günstigen Fall neben Sprachkenntnissen auch interkulturelle Kompetenz aneignen. Das dritte und letzte befasste sich mit Kindern der zweiten und dritten Einwanderergeneration, deren „zwischen den Stühlen“ häufig als Problem und selten als Chance begriffen werde. Der Mainzer Pädagoge Franz Hamburger hat sich mit dem Verhältnis von Anerkennung und Zumutung in der Einwanderungsgesellschaft beschäftigt und fordert eine „Waffengleichheit der Perspektiven“.

Den Raum als dritten Pädagogen nutzen

Statt von Inklusion sollte besser von Diversität gesprochen werden: Ersteres ist für Professorin Heidi Keller nur ein Sammelbecken von Begrifflichkeiten, während die Menschheit ohne Vielfalt schon lange ausgestorben wäre. Trotzdem: „Wieviel Vielfalt können wir – insbesondere in der pädagogischen Arbeit - berücksichtigen?“ Zumal diese, so Keller, immer auch biographische Arbeit darstellt, nämlich des sich-selbst-vergewisserns und ständigen neu-verortens, wenn jede pädagogische Fachkraft schließlich auch ihre eigenen Werte und Normen miteinbringt. „Sie müssen auch immer ihre westlichen Mittelschichtsfamilien mitreflektieren und im nächsten Schritt Wertung von Wahrnehmung abkoppeln.“ Diversität betrachte nicht defizitorientiert, sondern lasse ein Nebeneinander zu. So bräuchten Kinder mit Fluchterfahrungen zwar Normalität, aber keine Strukturen die Kindern fremd seien. Etwas, was häufig zu Unverständnis und Resignation führe, so Keller: „Räume wirken für diese Kinder dann oftmals beklemmend. Sie sind verschlossen und oftmals apathisch.“ Sie empfiehlt in solchen Situationen, einfach rauszugehen und das wertneutrale Draußen als dritten Pädagogen zu nutzen. 

Kein Thema zum Abhaken

Der Umgang mit Menschen, die hier ankommen wollen, erfordert eine besondere Sensibilität, da sind sich alle einig. Das zeigen auch die Ergebnisse aus den Workshops, in denen sich Pädagoginnen und Pädagogen einmal anders mit ihrem Arbeitsalltag auseinandersetzten. Dabei ging es um Eltern, die nicht zum Elternabend kommen ebenso wie um die Zuordnung von Eltern und Kindern in den ihnen vertrauten Peergroups. Eine Erkenntnis: „Nichts ist selbstverständlich“, sondern muss ganz im Gegenteil immer neu verhandelt werden. Eine weitere: „Der Fachtag bestätigt die Relevanz des Themas. Das ist nichts zum Abhaken.“

Bildinformation:

Stadträtin Sabine Groß bei der Begrüßung

Professorin i.R. Dr. Heidi Keller

Fotos: Stadt Offenbach

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