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Stadt Offenbach

Wiederentdeckung einer vergessenen Oper: „Riccio“ feiert Aufführung in der CCL

07.10.2025 – Es ist eine Entdeckung, wie sie kulturelle Schatzgräber selten machen: Tief im Archiv des 250-jährigen Musikverlags Johann André in der Offenbacher Innenstadt wurde die Partitur einer Oper gefunden, die seit über 75 Jahren nicht mehr erklungen ist. Fast hundert Jahre alt, voller Liebe und Tod – wie sich das für einen temperamentvollen Opern-Einakter der 1920er-Jahre gehört. Es ist die Oper „Riccio“ des in Offenbach aufgewachsenen Deutsch-Engländers Erich Riede auf ein Libretto der Frankfurter-Offenbacher Autorin Martha Wertheimer. Nun kehrt das Werk aus den Goldenen Zwanzigern, das genre- und zeitgemäß eine schwelgerisch romantische Mixtur der Leidenschaften zelebriert, auf die (Konzert-)Bühne zurück. Am Sonntag, 9. November 2025 um 17 Uhr präsentiert das Capitol Symphonie Orchester unter der Leitung von Yuval Zorn die Wiederaufführung der Oper „Riccio“ im Capitol Theater Offenbach.

Entdeckt haben das Werk der Offenbacher Kulturamtsleiter Dr. Ralph Philipp Ziegler gemeinsam mit gleich zwei Generationen der Unternehmerfamilie André, Hans-Jörg und Moritz. „Erich Riede war damals mit 26 Jahren schon an der New Yorker MET engagiert und Assistent von Arturo Toscanini, des berühmtesten Dirigenten der Epoche“, so Ziegler, „und seine Oper spiegelt völlig die faszinierende Kunstszene der 1920-er Jahre. Dramatisch, packend und mit einer absolut eigenen stilistischen Note.“ 

Auch Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke ist begeistert: „Die Wiederentdeckung dieser Oper ist ein echter Glücksfall für Offenbach. Sie zeigt, dass der traditionsreiche Musikverlag Johann André, der im vergangenen Jahr sein 250-jähriges Bestehen gefeiert hat, auch lange nach Mozart spannende Werke publiziert hat. Mit seinen beiden Schöpfern und deren enger Offenbach-Verbindung ist die Wiederaufführung ein lebendiges Zeichen für die kulturelle Kraft Offenbachs am Beispiel der ‚Roaring Twenties‘ – und eine Verbindung unserer Stadt zur internationalen Musikgeschichte. Ich freue mich sehr, dass ein Werk mit Offenbacher Wurzeln nach 75 Jahren endlich wieder erklingt.“ 

„Riccio“ spielt am Hof Maria Stuarts, wo die Königin und der italienische Sänger Riccio einander verfallen – eine Liebesgeschichte, die unaufhaltsam auf die Katastrophe zusteuert. Die Tonsprache ist spät(est)romantisch, die Handlung zwischen sinnlich und turbulent gelagert – kurz, eine faszinierende klingende Welt. Zeitgenössische Kritiker sahen nach der Uraufführung 1947 in Coburg und der zweiten Inszenierung am Nationaltheater Mannheim deutliche Parallelen zu Richard Strauss‘ Meisteroper nach Oscar Wilde, der „Salome“. Aber „Riccio“ hat eben auch sehr eigene Züge. 1950 verschwand das Werk wieder von den Spielplänen – nicht aus Qualitätsgründen, sondern weil die Wirtschaftswunderzeit wenig Raum für die fiebrigen Klangwelten der 1920er ließ.

Die Oper stammt aus der Feder von Erich Riede (1903-1986), einem Komponisten mit Offenbacher Wurzeln und einer bemerkenswerten Biografie: Geboren in London, aufgewachsen in Offenbach, ging er 1929 nach New York als Assistenzdirigent für deutsches Repertoire an der Metropolitan Opera. Bei den Bayreuther Festspielen assistierte er Arturo Toscanini, der ihm ein begeistertes Empfehlungsschreiben ausstellte. Die Textautorin Dr. Martha Wertheimer (1890-1942) war damals eine enorm agile Figur in der Kulturszene Offenbachs und Frankfurts. So war sie als Redakteurin der Offenbacher Zeitung unter anderem publizistische Wegbereiterin von Helene Mayer, dazu eine enthusiastische Aktivistin in kulturellen und religiösen Dingen. Später kämpfte sie mit aller Kraft gegen Verbrechen des NS-Regimes, 1942 verstarb sie auf der gewaltsamen Deportation ins Vernichtungslager Sobibor. 

Yuval Zorn

Nun kehrt „Riccio“ zurück, dargeboten von sechs Soli und acht Choristinnen und Choristen. Darunter sind langjährige Stars der Frankfurter Oper wie Simon Bailey in der Rolle des König Darnley und Johannes Martin Kränzle als Earl of Bothwell. Die Hauptrollen verkörpern Rinnat Moriah (Maria Stuart) und Tristan Blanchet (Riccio); beide befinden sich in der ersten Blüte vielversprechender Karrieren. Fünfter im Bund ist Gleb Ivanov als Duncan, der im vergangenen Jahr beim André-Jubiläum in Offenbach debütierte. Das Ensemble wird ergänzt durch ein Frauen- und ein Männerstimmenquartett.

Yuval Zorn dirigiert das 65-köpfig besetzte Capitol Symphonie Orchester. Ästhetisch ergänzt wird die konzertante Aufführung durch Video-Projektionen des Mixed-Media-Künstlers Tim Seger. Die Rekonstruktion der nach dem Tod des Komponisten verlorengegangenen Partitur aus den Orchesterstimmen und dem Klavierauszug übernahm Michael Strecker. Die Aufführung ist Teil der Capitol Classic Lounge und eingebettet in das Jahresprojekt „Der Anfang, das Ende und alles dazwischen. Love Stories“. Damit erhält Offenbach nicht nur eine einzigartige musikalische Wiederentdeckung zurück, sondern auch ein Stück musikalischer Stadtgeschichte, das lange Zeit verschüttet war. 

Yuval Zorns künstlerisches Schaffen umfasst ein breites Repertoire. Seine Auftritte sowohl als Dirigent wie auch als Pianist wurden für ihre Sensibilität, Energie und Detailreichtum vielfach gelobt. Besonders leidenschaftlich widmet er sich der Oper, der zeitgenössischen Musik und der Präsentation neuer Werke auf Konzert- und Opernbühnen. Derzeit ist er Künstlerischer Leiter des bedeutenden Israel Music Festival. Zuvor war er Kapellmeister an der Oper Frankfurt. Er arbeitete mit führenden Opernhäusern, Orchestern und Ensembles sowie bei bedeutenden Festivals kontinuierlich auf mehreren Kontinenten.

Das Capitol Symphonie Orchester ist das Hausorchester des Capitol Theaters Offenbach und der Stadt und ihrer Kulturszene eng verbunden. Der musikalische Radius geht jedoch weit über die Stadt hinaus bis hin zum Royal Opera House in Muscat im Oman. Das Capitol Symphonie Orchester schlägt in seiner Arbeit Brücken zwischen Klassik, Pop, Rock, Filmmusik und Elektronik. 2024 erschien die jüngste CD „Brücken aus dem Gestern – Orchesterwerke jüdischer Komponisten 1927-1929“; in 2025 folgt unter anderem eine Stummfilm-DVD mit Ludger Vollmers „Lost World“ in Kooperation mit ARTE.

Karten ab 22 Euro sind bei www.frankfurtticket.de (Öffnet in einem neuen Tab), im OF InfoCenter sowie an allen bekannten VVK-Stellen erhältlich.

Sonntag, 9. November 2025, 17 Uhr
Capitol Theater Offenbach
Goethestr. 1–5
63065 Offenbach am Main

Das Capitol Theater ist barrierefrei zugänglich. Die Offenbacher S-Bahnstationen Marktplatz und Ledermuseum befinden sich in der Nähe, der Bus (Theater/Messe) hält vor dem Eingang. Parkplätze für Menschen mit Beeinträchtigungen stehen auf dem Hof des Capitols zur Verfügung.

Weitere Informationen: www.capitol-classic-lounge.de.

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