Beschreibung
Salomon Schwarzwald wurde 1883 in Lopitza in der Nähe von Warschau geboren. Er heiratete Sarah Friedrich, die 1878 in Rawa Ruskaja geboren wurde. Die ersten drei Kinder Samuel 1908, Anton (Anschel) 1910 und Emma (Esther) 1911, wurden ebenfalls in Polen geboren. Aufgrund wirtschaftlicher Probleme wanderte Salomon um 1912 nach Deutschland aus, und kam nach Offenbach, die Stadt galt seinerzeit als "Geheimtip" . Hier kamen die Söhne Moritz, Heinrich und Josef wurden dann in Offenbach geboren. zur Welt. Moritz 1912, Heinrich 1914 und Josef 1923.
Salomon Schwarzwald arbeitete in Offenbach von Anfang an als selbständiger Schuster. Seine Frau Sarah ging im Nebenerwerb hausieren, um die Familie mit ernähren zu können. Sie wohnten erst in der Bleichstraße, dann in der Domstraße, schließlich in der Herrnstraße und später in der Großen Marktstraße, dort war die Schuhmacherei.
Sarah starb Anfang 1925, so dass der letztgeborene Sohn Josef zeitweise im Kinderheim in Neu-Isenburg aufwuchs. Um 1930 heiratete Salomon Schwarzwald Chaja Feder (1891 in Tomaszow geboren), die er aus der polnischen Heimat nach Offenbach holte.
Wie fast alle sogenannten „Ostjuden“ lebte die Familie in ärmlichen Verhältnissen, doch die wirtschaftliche Situation besserte sich mit der Zeit. Die Söhne Salomons waren als Gürtelmacher, Anschel/Anton als Handlungsgehilfe und Moses/Moritz als Portefeuiller tätig.
Vater Salomon Schwarzwald war ein gebildeter und strenggläubiger Jude. Er sprach hebräisch und besuchte – wenn möglich - zweimal täglich den Gottesdienst in der Synagoge im kleinen Betsaal.
Mit Unterstützung des Rabbiners Dr. Max Dienemann schickte Salomon seinen Sohn Heinrich im Alter von 9 Jahren in eine Religionsschule, um ihn als Vorbeter ausbilden zu lassen. Aber Heinrich war nicht allein am späteren Synagogendienst, sondern auch an Sport und Politik interessiert.
Anfang der dreißiger Jahre kam er durch seinen Bruder Moritz zur Sozialistischen Arbeiterjugend, sie wurden Mitglieder im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und der SPD mit dem Ziel, die Weimarer Republik gegen die Feinde der Demokratie zu verteidigen. Heinrich und Moritz nahmen durchaus wahr, dass es in Deutschland Antisemitismus gab, aber vor 1933 sahen beide noch keine direkte Gefahr für die Juden in Offenbach. Dies änderte sich in kurzer Zeit nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Josef Schwarzwald erinnert sich noch genau an den 01. April 1933:
„Die Nazis pinselten auf die Scheiben von jüdischen Geschäften mit weißer Farbe: "Kauft nicht beim Juden" und "Juda verrecke". Wir hatten eine kleine Schusterei in der Marktstraße. Das Geschäft meines Vaters war zunächst nicht betroffen. Dann blieben aber im Laufe der Zeit die Kunden weg.“
In der Familie wurde der Gedanke an Auswanderung nun konkreter. Heinrich brach die Ausbildung zum Kantor ab und ließ sich in Siegburg als Vorbereitung für die Emigration zum Schreiner ausbilden. Samuel wanderte 1934 als erster mit seiner Ehefrau nach Palästina aus. Nachdem Heinrich sein Zertifikat für die Einreise nach Palästina erhalten hatte, drängte er den Vater ebenfalls zur Emigration. Doch der lehnte dies entschieden ab. Heinrich entschloss sich schließlich, allein fortzugehen und gelangte 1935 über London nach Palästina, wo er in verschiedenen Berufen tätig war.
Vater Salomon blieb mit Ehefrau, Tochter Emma und den Söhnen Anton, Moritz und Josef in Offenbach zurück. Sie erlebten in den folgenden Jahren die zunehmende Entrechtung der jüdischen Bevölkerung bis hin zur Pogromnacht. Josef Schwarzwald wurde am frühen Morgen des 10. November 1938 Zeitzeuge des brutalen Überfalls von SA-Leuten auf die Besucher des Gottesdienstes in der kleinen Synagoge. Mit Entsetzen schildert er 1985 in seinen Erinnerungen, dass Hunderte von Menschen vor der Synagoge standen und zusahen, wie die große Synagoge innen brannte und Thorarollen sowie hebräische Bücher ins Freie geworfen wurden. Während Josef die Zerstörung der Synagoge verfolgte, erlebten die anderen Familienmitglieder den Angriff von Nazis auf ihre Wohnung in der Großen Marktstraße 15.
Sie entgingen an diesem Tag der Verhaftung und Deportation ins KZ. Aber in der Folgezeit traf es die Familienmitglieder sehr hart: Sie mussten auf Anweisung des Hauseigentümers die Wohnung, die Schuhmacherwerkstatt in der Herrnstraße 11 und den kleinen Laden in der Großen Marktstraße 15 -17 verlassen. Ab Januar 1939 fand die Familie Zuflucht im Haus eines jüdischen Altmöbelhändlers im Kleinen Biergrund 31. Über ihre wirtschaftliche Situation ist nichts bekannt.
Eine reguläre Auswanderung kam für sie aufgrund der mangelhaften wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr in Betracht. Die in Palästina ansässigen Söhne Samuel und Heinrich konnten angesichts ihrer eigenen prekären Lage nicht für die Eltern und Geschwister bürgen. Außerdem entschied die britische Mandatsmacht über die Zahl der Aufnahmeanträge nach Palästina und schränkte die Zuwanderung ab 1939 für ältere und nicht gut ausgebildete Personen ein.
Anschel/Anton Schwarzwald gelang im Juli 1939 noch die Flucht nach England. Wie und auf welchem Weg ihm dies kurz vor dem Ausbruch des Krieges möglich war, ist unbekannt.
Am 9. September 1939 wurden Salomon Schwarzwald und seine Söhne Moses/Moritz und Josef verhaftet und im Offenbacher Gefängnis inhaftiert. Am 26. Oktober 1939 folgte die Deportation in das KZ Buchenwald deportiert. Vater Salomon wurde 1941 in die Tötungsanstalt Pirna Sonnenstein überführt, wo Tausende von kranken und nicht mehr arbeitsfähigen Menschen im Rahmen der geheimen NS-„Aktion T4“ ermordet wurden. Salomon Schwarzwald kam dort am 14. Juli 1941 ums Leben.
Chaja Schwarzwald und Ester/Emma Schwarzwald blieben bis 1942 in Offenbach wohnen. Am 30.September 1942 sind sie ab Darmstadt deportiert und vermutlich in Treblinka ermordet worden.
In den Offenbacher Meldekarten von Moses/Moritz und Josef wurde für den seit 1939 währenden KZ-Aufenthalt in Buchenwald der Eintrag festgehalten: 1942 und 1943 auf Reisen. An die Jahre in Buchenwald erinnerte sich Josef Schwarzwald nur mit Grauen. 1985 sagte er dazu:“ ... Ich leide heute noch körperlich sowie seelisch an dieser grauenhaften Zeit... Mein Bruder und ich wurden am 11. April 1945 von der US-Army befreit.“
Josef und sein Bruder Moritz kehrten schwer krank und arbeitsunfähig aus dem KZ nach Offenbach zurück und waren auf die Hilfe der amerikanischen Besatzungsmacht und der Stadtverwaltung angewiesen. Aufgrund ihrer in Offenbach erlebten Erniedrigungen, der Zeit im KZ und der Ermordung von Familienmitgliedern entschlossen sie sich, Deutschland zu verlassen. Moritz Schwarzwald emigrierte 1946 in die USA. Josef Schwarzwald ging zuerst nach Frankreich, um durch eine Fortbildung die Aufnahme in Palästina zu erreichen. Im März 1946 kam er dort an und hat in den folgenden Jahren als Soldat in den Befreiungskriegen gekämpft.
Auch Heinrich Schwarzwald kämpfte für den neugegründeten Staat Israel, auch für ihr war Palästina das Land der Zuflucht. Doch wurde er auf Dauer dort nicht heimisch. 1957 kehrte er nach Offenbach zurück. Er fand Arbeit bei den Stadtwerken und da auch wieder Anschluss an die aktive SPD-Betriebsgruppe. „Aber er war nicht einfach Mitglied und Funktionär. Sein Credo: war: Friede und Vergebung. (...)“, schrieb der ehemalige SPD Oberbürgermeister Wolfgang Reuter anlässlich des Todes von Heinrich Schwarzwald am 1. April 2006.
Kurz zuvor hatte sich Heinrich Schwarzwald dem Redakteur der Offenbach Post, Lothar Braun, anvertraut, dass er sich immer wieder Vorwürfe machte, weil es ihm 1935 nicht gelang, seinen Vater zur Auswanderung zu bewegen. In Erinnerung an die von den Nazis ermordeten Eltern und ihre Schwester ist von den überlebenden Söhnen ein Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof errichtet worden.
Stolpersteine für Salomon, Chaja, geb. Feder, Samuel, Anton und Emma, Moritz, Heinrich und Josef Schwarzwald
Große Marktstraße 15
63065 Offenbach