Stadt Offenbach modernisiert ihre inneren Verwaltungsabläufe
26.04.2024
Die Möglichkeiten der Digitalisierung so nutzen, dass es den Bürgerinnen und Bürgern etwas bringt – das hat eine lange Tradition bei der Stadt Offenbach. Erstmals in größerem Ausmaß für die Bürgerinnen und Bürger spürbar wurde dies bei der großen Reform des Bürgerbüros hin zur online Terminvergabe im Jahre 2015. Die Digitalisierung für möglichst guten Bürgerservice nutzen, ist auch ein strategisches Ziel von Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke seit seinem Amtsantritt. Dies war einer der Gründe für die Einführung der Stabsstelle Digitalisierung im Jahr 2021. Seit etwa einem Jahr setzt sich die Verwaltung intensiv mit der Frage auseinander, wie eine Kommune vom Einsatz künstlicher Intelligenz profitieren kann. Jetzt gibt es hier erste grundlegende Fortschritte.
„Wir führen eine Softwarelösung namens EMMA ein. Sie ist von Oktober 2023 bis Januar 2024 als Pilotprojekt im Bürgerbüro unter Leitung der Abteilung Informations- und Kommunikationstechnik des Hauptamtes getestet worden und wird nun dauerhaft eingesetzt. Erstens ist es mir sehr wichtig, dass die Stadtverwaltung bestmöglichen Service für die Bürgerinnen und Bürger bietet. Vom ersten Tag an habe ich allen Führungskräften dabei den Rücken gestärkt, alle existierenden technischen Möglichkeiten für dieses Ziel zu nutzen. Zweitens zeigt der Geburtenbaum eindeutig: es stehen in Deutschland jetzt von Jahr zu Jahr weniger Arbeitskräfte zur Verfügung, dies gilt auch für Fachkräfte. Das spüren wir schon heute: für etliche Stellen finden wir keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr. Dann leidet aber auf Dauer natürlich auch die Qualität des Service für die Bürgerinnen und Bürger. Mein Anspruch an unsere Verwaltung ist daher: Wir wollen auch das schaffen, was Versicherungen und Banken hinbekommen. Wiederkehrende Routineaufgaben müssen technisch automatisiert erledigt werden. Wir müssen nicht immer mehr Stellen schaffen, die wir sowieso nicht besetzen können“, so Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke zur Einführung von EMMA. Das haben die Dezernenten auch in mehreren Mitarbeiterveranstaltungen im Haus erläutert und Digitalisierung wird Thema der nächsten Führungskräfteklausur.
„Das klare Ziel ist, mit Hilfe von Technik die Arbeit für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger machen. Dann haben wir auch mit wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Zeit, uns um die qualitativ hochwertigen und für die Bürgerinnen und Bürger wichtigen Aufgaben zu kümmern“, macht Oberbürgermeister Schwenke deutlich, dass bei der Stadt nun mit langem Atem und konsequent Schritt für Schritt an einer tiefgreifenden Veränderung der internen Verwaltungsabläufe gearbeitet werde.
„Meinen Kolleginnen und Kollegen im Magistrat bin ich sehr dankbar, dass wir diese große Aufgabe einer Verwaltungsreform in enger Geschlossenheit anpacken“, ergänzt der OB. „Bei der intensiven Suche nach Werkzeugen, wie wir modernste Technik bis hin zu KI für eine Verwaltungsmodernisierung nutzen können, ist uns mit einer robotergesteuerten Software für Prozessautomatisierung ein für die Bürgerinnen und Bürger auf Dauer sehr wertvoller Fortschritt gelungen“, so OB Schwenke.
„Dank des Einsatzes unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es gelungen, weite Teile des vorgegebenen Wunschziels zu erreichen: wiederkehrende Routinearbeit können nun in einem nennenswerten Ausmaß digitalisiert erledigt werden.“ Schwenke kündigt daher an: „Das werden wir nun in den kommenden Jahren Schritt für Schritt auf die gesamte Verwaltung und auch den Stadtkonzern übertragen.“
„Digitalisierung und Automatisierung lenken den Blick auf Arbeitsabläufe, Aufgaben, Prozesse und Strukturen, die dann durch Software optimiert werden“, sagt Martin Wilhelm. Als Stadtkämmerer hat er die steigenden Personalkosten im Blick, aber eben auch bislang nicht erkannte Potentiale oder Möglichkeiten für Synergien. „Wie softwaregestützte Lösungen funktionieren, sehen wir nach der Testphase jetzt im Bürgerbüro.“
Der konsequente Einsatz von EMMA neben zahlreichen weiteren digitalen Prozessen und Verfahren machte es möglich, die Einbürgerung als neue Aufgabe mit einer hohen Anzahl erwarteter Anträge übernehmen zu können. „Natürlich stecken wir Kapazitäten in die Entwicklung solcher Verfahren. Das kann vorübergehend zu Einschränkungen in anderen Bereichen führen, nutzt am Ende aber allen Bürgerinnen und Bürgern“, wirbt Wilhelm für diesen Weg. Er sei eine wichtige Investition in die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Dazu brauche es Mut und Risikobereitschaft bei allen Beteiligten. „Ich erlebe in unserem Bürgerbüro, dass solche Veränderungen eine neue Dynamik entstehen lassen und spannende und herausfordernde Aufgabenstellungen viel Motivation und Energie freisetzen“, so Wilhelm.
EMMA eignet sich für wiederkehrende Prozesse, die in großer Anzahl bearbeitet werden müssen: je mehr Klicks, umso mehr Potenzial für eine Automatisierung. Aber auch nicht so zeitaufwändige Prozesse werden in den Blick genommen, wenn durch den Einsatz von KI und intelligenter Automatisierung eine Ausfallsicherheit und Entlastung von Mitarbeitenden erreicht werden kann. Die Voraussetzung für den Einsatz ist eine gewisse digitale Reife – beispielsweise die Nutzung der eAkte – sowie ein digitaler Posteingang und -ausgang.
Besonderer Vorteil der eingesetzten EMMA: Um einen Prozess zur Übergabe zu entwickeln, braucht man nicht zwingend einen fachlichen IT-Hintergrund, auch Mitarbeitende mit Verwaltungs- oder kaufmännischer Ausbildung können sich dafür in überschaubarer Zeit qualifizieren. Wichtig ist, dass geeignete Prozesse vorab identifiziert, strukturiert und optimiert sowie dokumentiert sind.
Was ist intelligent an EMMA?
Es handelt sich um eine kognitive KI, das heißt, EMMA imitiert menschliche kognitive Fähigkeiten. Sie erkennt, sortiert und verarbeitet Informationen nach entsprechendem Training. Im Unterschied zu einer generativen KI wie beispielsweise ChatGPT erzeugt EMMA keine neuen Inhalte durch beständiges Lernen. Das ist in einer Kommune sehr wichtig für Transparenz, Steuerung und Datensicherheit.
„Wir werden jetzt eine Erhebung zur digitalen Reife der Abläufe in Fachabteilungen angehen, um Handlungsfelder und Herausforderungen strategisch zu planen“, wirft der Oberbürgermeister einen Blick in die nahe Zukunft. Dass technische Lösungen wie EMMA nicht einfach alle Probleme lösen können, ist im Magistrat insgesamt keine neue Erkenntnis. „Und dennoch brauchen wir Fortschritte und Erfolge, auch wenn wir uns anschauen, wie viele unserer erfahrenen und hochqualifizierten Mitarbeitenden in den nächsten Jahren altersbedingt ausscheiden werden“, so Schwenke weiter.
Stadtkämmerer Wilhelm ist überzeugt, dass auch die Mitarbeitenden von einer besseren Digitalisierung profitieren und mit neuen Aufgaben motiviert werden können. Er sieht es als Aufgabe des Magistrats und der gesamten Führungskräfte, ein gutes Veränderungsmanagement sicherzustellen und den Mitarbeitenden so unter anderem die Angst vor Jobverlust zu nehmen.
Im Laufe des Jahres sind weitere Einsatzgebiete in anderen Ämtern geplant, die nach Priorität angegangen werden. Bürgermeisterin Sabine Groß, die für das Wohnungsamt zuständig ist: „Ich unterstütze die Digitalisierung und die Arbeit mit automatisierten Prozessen auch für die künftige Verwendung zur Bearbeitung von Wohngeldanträgen. So können unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertvolle Zeit gewinnen, um sich intensiver um Bürgerinnen und Bürger zu kümmern.“
Das Wohnungsamt optimiert seit 2023 zusammen mit der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung den digitalen Wohngeldantrag. Mit automatisierten Prozessen wird in Zukunft direkt geprüft, ob der Antrag alle Anforderungen erfüllt. Im nächsten Schritt werden aus den eingereichten Unterlagen antragsrelevante Daten ausgelesen. Auch außerhalb des Fachverfahrens prüft das Wohnungsamt, wo eine Technik wie EMMA eingesetzt werden kann. Eine Arbeitsgruppe untersucht momentan die automatisierte Ablage der Wohngeldbescheide in die elektronische Akte. Es ist geplant, dass alle Verfahren bis zum Sommer 2024 umgesetzt werden.
Die Einführung des digitalen Bauantragsverfahrens in Offenbach ist ein weiteres Projekt der Digitalisierung und steht kurz vor dem Abschluss. Paul-Gerhard Weiß, Dezernent für Planen und Bauen, teilt mit: „Wir starten im April mit der Testphase im Echtbetrieb. Dann werden die ersten echten Bauanträge mit diesem neuen digitalen Verfahren bearbeitet. Ziel der Testphase ist es, Software und Technik mit echten Bauanträgen zu überprüfen, um etwaige Fehler und Schwachstellen zu beseitigen. Außerdem prüfen wir im laufenden Verfahren, wie die Abläufe und die Kommunikation zwischen Bauaufsicht, Bauportal, Bauherrschaft, Entwurfsverfassern und beteiligten Stellen funktionieren. Diese Verfahren im Testbetrieb münden dann in tatsächliche Baugenehmigungen.“
EMMA wird auch in der interkommunalen Zusammenarbeit eine Rolle spielen und die Stadt weiter daran arbeiten, sich mit anderen Kommunen zu vernetzen und im Idealfall entwickelte Prozesse untereinander auszutauschen. Dazu nutzt die Stadt bereits vorhandene Netzwerke und die Expertise und Erfahrung ihrer Software-Partnerunternehmen.
Zahlen – Daten – Fakten
- 63 Prozent der Ämter der Stadt Offenbach am Main nutzen aktuell die elektronische Akte
- 25 Prozent der Ämter nutzen den digitalen Posteingang und/oder -ausgang
- 38 online verfügbare Dienstleistungen aktuell
- Mitarbeitende im Bereich IT: zentrale Abteilung IuK im Hauptamt (24 Mitarbeitende zuzüglich 6 Auszubildende); dezentrale IT-Fachadministrationen (22 Mitarbeitende zzgl. Stundenkontingente auf anderen Stellen); Stabsstelle Digitalisierung: 6 Mitarbeitende; Stadtschulamt baut gerade Kapazitäten zur Betreuung der Schulen auf
- Rund 4,1 Millionen Euro jährlich Budget für IT-Ausgaben im Hauptamt, Bedarf steigend (IT-Ausgaben dezentral und Fachverfahren, usw. bei den OE und nicht zentral erfasst