Seit 35 Jahren stark für Frauen und Mädchen: Das Frauenbüro feiert Geburtstag
04.07.2023
„Girls just wanna have fundamental rights“ oder auch „Lebt das Leben, das ihr Leben wollt“: Aus insgesamt dreizehn nicht nur feministischen Motiven können Frauen, Mädchen, Queers und Transgenderpersonen, aber natürlich auch Männer, wählen und diese als Postkarten verschicken. „Wir wollten starke feministische Botschaften senden, die die Lebenswirklichkeiten von Frauen und Mädchen abbilden. Dass es ausgerechnet 13 geworden sind, ist aber dem Zufall geschuldet,“ erklärt Dr. Inga Halwachs. Die kommunale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte leitet seit 2020 das Frauenbüro der Stadt Offenbach und arbeitet mit ihren Kolleginnen daran, der Gleichbehandlung der Geschlechter mit unterschiedlichen Formaten und Aktionen mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Der regelmäßig im Oktober stattfindende Mädchentag, bei dem die Kernbotschaften auf den Karten entstanden sind, ist eine davon. Aber auch mit Filmreihen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie einem Frauenmarsch, Straßengraffiti und der Teilnahme an übergeordneten Projekten wie „Orange your City“ gehören dazu. „Natürlich wurde seit dem Bestehen des Frauenbüros einiges erreicht und hat sich die Gesellschaft positiv verändert“, sagt sie. „Aber von echter Gleichberechtigung und Chancengleichheit sind wir noch weit entfernt, vor allem in Hinblick auf körperliche Selbstbestimmung, auf die Rechte von mehrfach marginalisierten Personen, aber auch hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf. Und die Errungenschaften müssen ständig neu verteidigt werden.“
„Trotzdem“, räumt Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke ein, „gibt es vieles, worauf man schon jetzt stolz sein kann. Frauen bei der Berufsfeuerwehr, das war lange nicht vorstellbar und ist in Offenbach schon seit 1997 Realität. Auch die Aufstiegsmöglichkeiten haben sich verbessert, so sind Leitungspositionen wie beispielsweise bei der Wirtschaftsförderung oder bei Zukunftsprojekten wie dem Innovationscampus weiblich besetzt. Und auch in puncto Care-Arbeit hat sich einiges getan, neben der Elternzeit ist auch die Pflege von Angehörigen heutzutage als gesellschaftlich Notwendigkeit anerkannt und gesetzlich verankert. Leider machen noch immer wenig Männer von ihrem Recht, sich Zeit für den Nachwuchs und die Familie zu nehmen, Gebrauch und verpassen damit eine einmalige Chance." Das Frauenbüro kümmert sich gemeinsam mit vielen Akteurinnen und Akteuren um diese Themen ebenso wie um Vergewaltigung oder häusliche Gewalt, Catcalling oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Dafür gibt es das Projekt Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung, einen Handlungsleitfaden zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, das Hilfesystem bestehend aus Mitgliedern des Arbeitskreises gegen häusliche und sexualisierte Gewalt, die Catcallsofoffenbach und vieles andere mehr.
Kommunale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Dr. Inga HalwachsFrauen müssen jeden Tag ihre Grenzen aufzeigen und ihre Rechte einfordern – wir unterstützen sie dabei.
Empowerment und Lobbyarbeit
Das war 1988 noch etwas anders als „Glasnost“ und „Perestroika“ die Gemüter bewegten und in Offenbach auf Antrag von SPD und Die Grünen eine Frauenbeauftragte die Arbeit aufnahm. Ein Jahr zuvor war die Abteilung für Frauenpolitik im Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit in Bonn gegründet worden. Hatte anfangs die Diskussion um die Anerkennung von Erziehungszeiten den Takt vorgegeben, gab es 1994 Novellierungen im Familienrecht und trat 1994 das zweite Gleichberechtigungsgesetz in Kraft. Die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz war übrigens bereits seit 1980 festgeschrieben – der Gender Pay Gap offenbarte 1987einen Einkommensunterschied von 50 Prozent, es gab zu diesem Zeitpunkt keine weibliche Amtsleitung bei der Stadt Offenbach – heute liegt diese Quote bei 50 Prozent.
1988 wurde Ilona Hakert erste Frauenbeauftragte der Stadt Offenbach. Karin Dörr, die seit 1989 die Geschicke des Frauenbüros mitbestimmte, übernahm 2004 dessen Leitung und hinterließ nach insgesamt 31 Jahren im Frauenbüro 2020 ein „geordnetes Haus“. Halwachs knüpfte unmittelbar da an, wo ihre Vorgängerin aufgehört hatte, sie nutze die bestehenden Netzwerke und unterstützenden Strukturen wie der Gleichstellungskommission oder auch der AG Mädchenarbeit und setzte neue Impulse, wie beispielsweise mit der 2021 erstmaligen Beteiligung von Offenbach an der Internationalen Beleuchtungsaktion „Orange your City“ zum Tag gegen Gewalt an Frauen oder dem 2022 gegründeten Netzwerk familienfreundlicher Unternehmen in Offenbach. „Wir müssen weiter unbequem sein“, sagt die Stadträtin und Vorsitzende der Gleichstellungskommission Gertrud Marx. „Es braucht Solidarität und beständig einen wachen Blick auf die Gesellschaft. Frauen können heute beinahe alles erreichen – wenn die Voraussetzungen stimmen.“ Daher gelte es, Ungleichheit beispielsweise bei Fragen der Integration und frühkindlichen Bildung von Anfang an entschieden entgegenzutreten. „Wir müssen auf gesellschaftliche Entwicklungen unmittelbar reagieren“, ergänzt Halwachs. „Kommunikation ist schneller, aber Mädchen sind auch selbstbewusster geworden und wissen sich heute besser zu verteidigen. Catcalling beispielsweise, also sexualisierte Komplimente oder auch schlicht plumpe Anmache, findet heute Kanäle. Parallel dazu sind Themen wie Empowerment unser tägliches Brot. Frauen müssen jeden Tag ihre Grenzen aufzeigen und ihre Rechte einfordern – wir unterstützen sie dabei.“
Das Frauenbüro feiert ein Jubiläum! Unter anderem mit einer Ausstellung im Rathaus Obergeschoss: Bis zum 30. Juli sind die 13 feministischen Motive, die von den Offenbacher Grafikerinnen und HFG Absolventinnen Turbo Type erstellt wurden, dort während der Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen.