Solidarität mit der Protestbewegung im Iran: Plakatkampagne des Frauenbüros
06.09.2023 – „Frau – Leben – Freiheit“: Dieser Dreiklang hallt seit dem Tod der 22-jährigen Iranerin Mahsa Amini am 16. September vergangenen Jahres durch die Welt. Ihrem Tod gingen die Verhaftung und Polizeigewahrsam voraus, weil sie das Kopftuch nicht vorschriftsmäßig getragen haben soll.
Die Kopftuchpflicht ist seit mehr als 40 Jahren Gesetz in dem Land mit fast 90 Millionen Einwohnern und gilt als eine der ideologischen Grundsäulen. In der Folge gingen viele Menschen gegen das Regime auf die Straße, um gegen die von ihm diktierten Lebensbedingungen zu protestieren. Im Verlauf der Proteste wurden mehrere Hundert Menschen getötet, 15.000 Protestierende wurden festgenommen und alleine im März diesen Jahres 143 Menschen hingerichtet. Hieß es im Dezember noch, die Sittenpolizei sei aufgelöst, wird die Kopftuchpflicht von Frauen seit Mitte Juli wieder streng überwacht.
„Seit mehreren Generationen kämpfen Frauen im Iran für mehr Rechte und hier in Offenbach leben viele Frauen, die ihre Wurzeln in dem Land haben. Mit einer Plakatkampagne möchten wir ein klares Zeichen gegen Unterdrückung und für Gleichberechtigung setzen und unsere Solidarität mit den iranischen Frauen ausdrücken“, sagt die Leiterin des Offenbacher Frauenbüros Dr. Inga Halwachs.
Dr. Ing Halwachs, Leiterin des FrauenbürosVieles von dem, was wir hier als selbstverständlich wahrnehmen und erleben, bleibt Frauen dort verwehrt.
„Der Staat greift in alle privaten und persönlichen Entscheidungen ein, bestimmt die Kleidung und reglementiert das Leben der Frauen, so können diese zum Beispiel erst seit 2019 und damit 40 Jahre nach der Islamischen Revolution ins Fußballstadion.“ Zum Ende des Stadionbesuchsverbots beigetragen hatte auch der Tod der 29-jährigen Sahar Khodayari. Sie hatte im Frühjahr 2019 versucht, als Mann verkleidet ins Stadion zu gelangen und wurde wegen "Verletzung der moralischen Ordnung" und "Beleidigung von Beamten" angeklagt. Weil sie mit einer Haftstrafe von bis zu sechs Monaten rechnen musste, zündete sie sich vor dem Gerichtsgebäude an.
Mahshid Najafi, IntegrationspreisträgerinRechte werden nicht gewährt, man muss sie erkämpfen, heißt es in einem persischen Sprichwort
Mahshid Najafi hat das Plakat initiiert, sie hatte die Kampagne der Stadt Essen gesehen und sich ähnliches für Offenbach gewünscht. Die Integrationspreisträgerin lebt seit 1985 in der Stadt am Main, nachdem sie mit ihrem Mann Ende der 80er Jahre den Iran verließ. „Wir hatten auf eine Liberalisierung der Gesellschaft gehofft, jedoch wurde die Bedrohung nach der Revolution unter der Herrschaft Chomeinis immer größer, so dass wir schließlich gingen.“ Dass die Menschen seit einem Jahr auf die Straße gehen, findet sie überfällig, zulange schon werde eine Hälfte der Gesellschaft systematisch unterdrückt, das Ehe- und Familienrecht der Scharia gibt Männern das Recht für alle Entscheidungen. So entscheide der Vater, ob seine Tochter studieren, arbeiten oder heiraten darf. Nach der Hochzeit übernimmt der Ehemann diese Rolle. Am Mittwoch, 11. Oktober, spricht Najafi um 19 Uhr im Haus der Stadtgeschichte über die Freiheitsbewegung im Iran.
Regelmäßig zum Todestag ihrer Eltern fährt Parastou Forouhar in den Iran. Diese gehörten zur Dissidentenszene des Landes und wurden 1998 vom iranischen Geheimdienst ermordet. Die international bekannte Künstlerin wurde 1962 in Teheran geboren, sie lebt und arbeitet seit 1991 in Deutschland. Ihre erste Station war Offenbach, wo sie an der Hochschule für Gestaltung Kunst studierte. Folter und Unterdrückung sind die bestimmenden Themen ihrer Arbeit, hierfür wurde Forouhar 2012 auch mit dem Sophie von La Roche-Preis der Stadt Offenbach ausgezeichnet. Unlängst kam sie von einer Reise zurück und berichtet, dass sie die Trennung von Gesellschaft und Regime noch nie so stark wahrgenommen habe, wie jetzt:
„Es gibt viele kleine Details, die zeigen, dass die Menschen sich Veränderung wünschen. Das zeigen sie mit kleinen Gesten, wie free hugs, eben Umarmungen, bei denen sie sich Durchhalteparolen zuflüstern oder eben, dass Frauen ihre Haare abschneiden.“ Aber, das sei die Kehrseite, das Regime zieht die Zügel nach Monaten wieder an, die Tatsache, dass die Moralwächter wieder auf den Straßen patrouillieren, zeige die Angst vor dem Sturz.
Parastou Forouhar, KünstlerinDie Menschen im Iran brauchen unsere volle Solidarität, jetzt
„Die Menschen im Iran brauchen unsere volle Solidarität, jetzt“, sind sich die Najafi und Forouhar sicher und freuen sich über das sichtbare Signal der Stadt Offenbach. Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke unterstützt die Kampagne und den Kampf der iranischen Frauen ausdrücklich, darf aber aufgrund des Ob-Wahltermins am 17. September aktuell keine größere Rolle einnehmen.
Das Frauenbüro hat Plakate in unterschiedlichen Größen (A1 und A3) drucken lassen, Vereine und Organisationen, die sich ebenfalls positionieren möchten, erhalten diese kostenlos im Frauenbüro.