Gewonnen oder verloren? Auswirkungen sozialer Veränderungen auf Frauen
13.03.2024
Wirtschaftliche Gesamtsituation, gesellschaftliche Veränderungen, Coronakrise: Dies sind nur drei Schlagworte, die mittelbar und unmittelbar Auswirkungen auch auf die Situation von Frauen in Offenbach haben und hatten. Ob und welche dies waren und sind, hat das in Offenbach ansässige Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik GmbH (involas) im Auftrag des Frauenbüros im vergangenen Jahr zwischen Mai und Oktober untersucht. Die explorative Studie fragte nach krisenbedingten Veränderungen, die den Alltag der Frauen beeinflussen und wie diesen in Offenbach, beispielsweise in den Quartieren, begegnet wird. Im Rahmen einer Vorstellung der Studie „Frauen im öffentlichen Raum – eine gendersensible Analyse der Auswirkungen gesellschaftlicher Krisen in Offenbach“ am vergangenen Freitag, 8. März, durch die beiden Verantwortlichen, die Soziologin Susanne Huth und die Politikwissenschaftlerin Katinka Simon, diskutierten Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke, Pia Barth vom Frauennotruf und Halte.Punkt pro familia und Sonja Schicktanz, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Agentur für Arbeit sowie Gertrud Marx im Haus der Stadtgeschichte über die aktuelle Situation. Stadträtin und Vorsitzende der Gleichstellungskommission der Stadt Marx vertrat die kurzfristig verhinderte Nadine Gersberg, MdL, auf dem Podium.
Nachdem Huth und Simon die Themenfelder der Untersuchung vorgestellt hatten, diese waren Daten zu Entgeltgleichheit/Erwerbstätigkeit, körperlicher Unversehrtheit, Bildung und Information, politische Mitbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe, konzentrierte sich das anschließende Gespräch im Wesentlichen auf Fragen nach Entgeltgleichheit/Erwerbstätigkeit, körperlicher Unversehrtheit sowie politischer Mitbestimmung.
Schnell einig waren sich die Diskutierenden darüber, dass Frauen allgemein einen guten Zugang zu Bildung benötigen und der Bedarf an Sprachkursen für jene mit Migrationshintergrund größer ist als das tatsächliche Angebot. Sonja Schicktanz bemängelte die vergleichsweise hohen Hürden, die für Spracherwerb und das Erreichen von vorausgesetzten Qualifikationsniveaus teilweise bestehen. Hinzu komme der Mangel an Kinderbetreuungsangeboten, der vielen Frauen den Zugang in den Arbeitsmarkt und damit zu gleichberechtigter Erwerbsarbeit erschwere, wenn nicht gleich verunmögliche. Zudem brauche es niedrigschwellige und mehrsprachige Informationen zu Angeboten in allen behandelten Themen, ergänzte Marx.
Auch wenn im Grundgesetz das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verbrieft ist, werden Frauen häufig Opfer von Gewalt oder Verletzungen. „Seit einigen Jahren gibt es bei uns bereits das Angebot der „medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung“, ein niedrigschwelliges Hilfsangebot, das wir in Kooperation mit dem Sana Klinikum und Ketteler Krankenhaus anbieten. Durch die Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung gewinnen betroffene Frauen Zeit, um eine selbstbestimmte und informierte Entscheidung über eine polizeiliche Anzeige zu treffen, ohne dabei ihre Gesundheit oder die Sicherung von für das Ermittlungsverfahren relevanten Spuren zu gefährden. Dazu gehört auch das Beratungsangebot Halte.Punkt zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt der pro familia Offenbach. Wenn wir Vergewaltigung oder sexuelle Gewalt schon nicht verhindern können, müssen wir Opfer stärken, um Täter zu schwächen“, erklärte Oberbürgermeister Dr. Schwenke.
Pia Barth kennt die Hürden, Vorbehalte und Herausforderungen aus der Praxis und ergänzt: „In Fällen patriarchaler Gewalt wird es immer schwierig für betroffene Frauen, dann braucht es doppelt viel Mut und Unterstützung. Gerade dann wäre eine Art Überholspur gut, dass diesen Frauen, beispielsweise bei behördlichen Anträgen schneller geholfen werden kann, wenn sie vorher eine Beratungsstelle aufgesucht haben.“ Konsens besteht, dass sich auch Männer für Frauen einsetzen müssen und Frauen Gleichstellung nicht alleine herstellen können. Auch für die politische Arbeit würde sich Stadträtin Marx mehr Bewegung wünschen, die Strukturen seien noch zu oft männlich geprägt und selbst wenn Frauen wollten, würden Sitzungszeiten und Teilnahmebedingungen in Präsenz es vor allem Müttern schwermachen. „Das erschwert jede echte Beteiligung und Gleichberechtigung, vor allem, wenn wir alle mitnehmen wollen. Und das wollen wir.“
Die Veröffentlichung der Studie „Frauen im öffentlichen Raum – eine gendersensible Analyse der Auswirkungen gesellschaftlicher Krisen in Offenbach“ ist Ende Mai geplant.