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Stadt Offenbach

Geschichten aus dem Integrationsbereich – Ehrenamtliche erzählen

27.08.2020 – Viele Menschen in Offenbach sind neben ihren täglichen Pflichten zusätzlich ehrenamtlich aktiv. Sie schenken Zeit, hören zu, helfen, übernehmen Tätigkeiten und engagieren sich selbstlos zum Wohle der Allgemeinheit. Dr. Khairalla El-Cheikh ist einer von ihnen, seit seinem Ruhestand begleitet der 75-jährige als Integrationslotse andere Menschen beim Ankommen in der Stadt.

In loser Folge stellen wir Ehrenamtliche in der Stadt vor. Nach Dr. Adriana Marinescu, Mitglied des Ausländerbeirats der Stadt Offenbach und Integrationslotse Khairalla El-Cheikh, folgt nun Sarbast Al-Khder, Mitglied der Yezidischen Gemeinde OF. Die Geschichten von Integrationslotsin Yodit Embaie-Zekarias und Semra Yilmaz, Gründerin einer Fraueninitiative, bilden den Abschluss der Reihe. Alle Interviews finden sich dann auf: 

  • Integration und Zusammenleben

    Geschichten aus dem Integrationsbereich – Ehrenamtliche erzählen

    Es gibt viele in Offenbach, die freiwillig anderen Menschen von ihrer Zeit schenken und sich neben ihren täglichen Pflichten für das Allgemeinwohl engagieren. Auch im Bereich der Integration finden sich zahlreiche Ehrenamtliche, deren wertvoller Beitrag gar nicht genug betont werden kann.

Ehrenamtlich aktiv im Ruhestand

Viele Jahre lang betreute Dr. Khairalla El-Cheikh als Hals- Nasen- Ohrenarzt seine Patientinnen und Patienten. Bis zu seiner Rente führte er eine eigene Praxis in Obertshausen und Belegbetten im Ketteler Krankenhaus Offenbach. Doch die Zeit des Ruhestands wollte der heute 75-jährige nicht ungenutzt lassen: „Ich wollte auch in meiner Rentenzeit aktiv bleiben und überlegte, wo ich meine Erfahrungen und Fähigkeiten am besten einbringen kann“, erzählt Khairallah El-Cheikh. Gemeinsam mit seiner Frau besuchte er daher die Sprechstunde des Ehrenamtsbeauftragten der Stadt Offenbach Manuel Dieter und informierte sich über die vielfältigen Möglichkeiten ehrenamtlich aktiv zu werden.

Ein Engagement im Integrationsbereich erschien ihm naheliegend. „Wenn alles neu und anders ist, kann es ganz schön schwer sein, sich zurechtzufinden. Das kenne ich aus eigener Erfahrung. Deswegen gefiel mir die Idee, Neuankommenden Tipps zu geben, wie es in einer schwierigen Situation weitergehen kann“, erklärt El-Cheikh. So wurde er vor zwei Jahren einer der ersten Integrationslotsen des Freiwilligenzentrums.

Aller Anfang ist gar nicht so schwer, dank Familie und Freunden

Khairallah El-Cheikh kam 1964 aus Syrien nach Deutschland. Er wollte unbedingt Medizin studieren, etwas, was für ihn in seinem Heimatland nicht möglich war und da sein älterer Bruder bereits in Deutschland Medizin studierte, beschloss er, ihm in das ferne Land zu folgen. Beide wollten sich am Frankfurter Flughafen treffen. „Das Flughafengelände war zu dieser Zeit zwar nicht so groß wie heute, aber ich konnte meinen Bruder einfach nicht finden. Also bin ich mit meinem Koffer zu einem der Mitarbeiter gegangen und wollte um Hilfe bitten. Ich weiß noch genau, wie ich nach den richtigen Worten gesucht habe. Heraus kam dann ‘Ich, Bruder, hier, wo?“, lacht Khairallah El-Cheikh. Glücklicherweise verstand ihn der Mitarbeiter trotzdem richtig und zeigte den Ausgang, wo der Bruder schon wartete.
In der ersten Zeit in Deutschland ging es vor allem darum, die Sprache zu lernen. „Das Erlernen der Sprache ist der erste Schritt. Ohne sie funktioniert nichts“, stellt El-Cheikh fest. Jeden Tag studierte er anhand seiner Bücher und mit der Hilfe seines Bruders und der Schwägerin Deutsch. Eine weitere Hürde war die finanzielle Unabhängigkeit. Für die Unterstützung durch seine Familie in Syrien hätte er einen Nachweis über einen Studienplatz gebraucht. Um diesen zu erhalten, benötigte man ein in Deutschland anerkanntes Abitur und den Nachweis entsprechender Sprachkurse. Daher besuchte El-Cheikh zunächst ein Jahr lang das Studienkolleg in Frankfurt. Dessen Direktor wurde irgendwann auf den jungen Syrer und seinen Traum vom Medizinstudium aufmerksam und vermittelte ihn zum Studentenpfarrer, der ihn bei der Beantragung eines Stipendiums unterstützte. „Ab diesem Zeitpunkt wurde alles leichter“, sagt El-Cheikh.

„Natürlich gab es Momente, da wirkte die eigene Situation schwierig und verfahren. Aber diese Momente kamen glücklicherweise nicht oft vor.“ Das lag vor allem an dem großen Zuspruch und der Hilfe, die er von so vielen freundlichen Menschen, von der Familie und Freunden erfahren habe.  

Nicht alleine gelassen werden, gibt Kraft

Jemandem zur Seite zu stehen und eine Unterstützung zu sein, sind für Khairallah El-Cheikh gute Gründe für sein Engagement als Integrationslotse. Wegen seiner Sprachkenntnisse betreut er überwiegend Personen aus dem arabischsprachigen Raum, die sich beim Freiwilligenzentrum melden. „Eine ganz besonders außergewöhnliche Fragestellung oder Begegnung gab es keine“, sagt er, „es sind eher mehrere schöne, kleine Momente.“ Alleine für eine Übersetzung oder ein paar erklärende Worte wären viele schon unglaublich dankbar.  

Einen konkreten Fall schildert er dann aber doch. Ein Mann suchte Rat, da er nach einem Autounfall nicht überblicken konnte, was als Nächstes zu tun war und wo er dafür hingehen musste. Gemeinsam hatten sie sich dann erkundigt, die Versicherung angesprochen oder auch einen Termin wegen einem Gutachten ausgemacht. Als alles korrekt geregelt war, war der Mann ganz erleichtert. Das zu sehen, freute auch Khairallah El-Cheikh. „Es gibt in Deutschland eigentlich für jedes Anliegen eine Anlaufstelle. Aber diese Orte und Ansprechpartner zu ermitteln, das ist das Schwierige. Und genau dann bedeutet es einem viel, wenn man nicht alleine gelassen wird. Das gibt einem Kraft“, sagt er.

Sein Ehrenamt möchte El-Cheikh solange weiterführen, wie es seine Gesundheit zulässt: „Ich glaube, es ist wichtig, auch für andere dazu sein. Wir leben doch alle zusammen in dieser Gesellschaft, wir sind aufeinander angewiesen.“

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