„Auch das Nordend wird sich stark verändern“
10.12.2015 – Investor Andrzej Lyson im Gespräch mit Jörg Muthorst, SOH, über den Hafen, das neue Quartierszentrum und seine Jugend in Offenbach.
Herr Lyson, mit Vornamen heißen Sie Andrzej, das ist der polnische Name für Andreas. Sind Sie auch in Polen geboren?
Ja, ich bin in Krakau geboren und habe dort auch meine Kindheit verbracht. 1961 bin ich dann mit 14 Jahren nach Offenbach gekommen und bin hier auch aufgewachsen.
Wie lange haben Sie in Offenbach gelebt?
Das waren etwa drei, vier Jahre gewesen. Meine Familie hat in der Mainstraße gewohnt. Wir sind dann zwar nach Frankfurt gezogen, doch in Offenbach bin ich weiter zur Schule gegangen. Mein Abitur habe ich an der Rudolf-Koch-Schule gemacht.
Sie kennen das Nordend und insbesondere das Mainufer also recht gut.
Ja, da bin ich ja wirklich aufgewachsen. Bei Hellas habe ich gerudert. Damals hat Offenbach noch völlig anders ausgesehen. Die Berliner Straße gab es so noch gar nicht. Heute vollzieht Offenbach immer noch eine sehr spannende Entwicklung und ich glaube, vor allem auch das Nordend wird sich stark verändern. Da bin ich mir ganz sicher. Die Strukturen des Stadtteils werden sich ähnlich entwickeln wie im Frankfurter Nordend. Die alte Bausubstanz und die Mischung der hier lebenden Menschen, darunter immer mehr Künstler und andere Kreative, das ist sehr reizvoll und ich weiß, dass das alles gut sein wird.
Wie haben Sie als Jugendlicher den Offenbacher Hafen erlebt?
Der Hafen war damals eigentlich überhaupt nicht zugänglich. Nur mit dem Ruderboot sind wir damals zu diesem Uferabschnitt des Mains und in das Hafenbecken gelangt. Die Stadt Offenbach hat aber schon sehr früh, noch als ich hier zur Schule ging, damit begonnen, den östlichen Teil ihres Mainufers anzulegen und so zu gestalten, dass man sich dort aufhalten kann. Die meisten Frankfurter wissen gar nicht, dass Offenbach über solch ein attraktives Mainufer verfügt, es sei denn, sie kommen mit dem Fahrrad dorthin. Weiter östlich, in der Naturlandschaft des Mainbogens bei Bürgel und Rumpenheim, glaubt man gar nicht, so nahe bei Frankfurt zu sein.
Welches Verhältnis haben Sie heute zu Offenbach?
Ich lebe zwar in Frankfurt, habe aber nie wirklich Distanz zu Offenbach entwickelt . Wir veranstalten ja hier immer noch unsere Klassentreffen. Ich bin wirklich sehr gerne in Offenbach zur Schule gegangen. Die Straßenbahnlinie 16 fuhr ja fast bis vor die Schule. Zwei, drei meiner sehr guten Freunde sind aus Offenbach und wir treffen uns hier regelmäßig. Ich kenne die Stadt also immer noch gut.
Ein Frankfurter Investor engagiert sich in Offenbach. Das ist angesichts der früher gepflegten Rivalität beider Städte bis heute nichts Selbstverständliches.
Ich glaube nicht, dass bei Investitionen die Rivalität zwischen Städten eine große Rolle spielt. Als Investor bin ich eher zufällig nach Offenbach gelangt. Vor sechs Jahren sprach mich der ehemalige Frankfurter Planungsdezernent Martin Wentz an. Er hatte die Entwicklung des Hafens Offenbach eine Zeit lang betreut und die Stadt Offenbach auf unser Riedberg-Zentrum aufmerksam gemacht. Im Juni 2009 wurden wir dann von Seiten der Stadt Offenbach angerufen und gefragt, ob man sich das Riedberg-Zentrum einmal näher anschauen könne, weil auch im Hafen Offenbach ein Quartierszentrum entstehen solle.
So habe ich zum ersten Mal davon erfahren, was im Hafen Offenbach geplant war. Für mich war das damals ganz lustig, weil ich eigentlich der einzige war, der sofort wusste, um welches Gebiet es sich genau handelt und was da früher los gewesen war. Schließlich war ich ja dort aufgewachsen. Und dies ist dann eigentlich auch der Hauptgrund gewesen, warum ich in Offenbach investiert habe.
Was hat sie als Investor am Hafen Offenbach gereizt?
Die Idee des Hafens, eine Industriebrache in ein neues Stadtviertel mit Wohnen, Arbeit, Bildung und Freizeit umzuwandeln und wie das organisiert wird, das finde ich sehr gut. Ich bin überzeugt, dass das ein sehr schönes Projekt ist. Unser Zentrum hat da gut hinein gepasst.
Für die Stadtentwicklung und für den Imagewandel Offenbachs ist der Hafen ein besonders wichtiges Projekt.
Ja natürlich. Und um auf die von Ihnen angesprochene frühere Rivalität von Offenbach und Frankfurt zurückzukommen: Das ist Vergangenheit. Frankfurt und Offenbach gehören heute zusammen, bilden zusammen mit anderen Kommunen die Metropolregion Rhein-Main-Gebiet. Wenn nun hoffentlich bald mit der Entwicklung des Kaiserleigebietes und dem Rückbau des Kreisels begonnen und das gut organisiert wird, rücken Frankfurt und Offenbach noch enger zusammen.
Das Quartierszentrum, das Sie im Hafen Offenbach errichten, ist ein eher ungewöhnliches Projekt. Einzelhandel und Wohnen sind in einem Baukomplex vereint. Verstehen Sie sich mit diesem Konzept als Pionier?
Ja. Deshalb hat uns ja auch die Stadt Offenbach auf das Riedberg-Zentrum angesprochen, denn so etwas wollte früher niemand sonst bauen und auch niemand betreiben. Es ist technisch kompliziert, die Lärmschutzprobleme in den Griff zu bekommen. Die Wohnungsmieter dürfen durch die Anlieferung und den Geschäftsbetrieb bis 22 Uhr abends möglichst wenig gestört werden. Was unsere Gruppe anbelangt: Bei uns ist es ein bisschen anders, wir investieren hier langfristig und müssen deshalb nicht sofort einen Käufer suchen. Das unterscheidet uns von Projektentwicklern, die noch vor Fertigstellung verkaufen.
Sie zielen also eher auf Langfristigkeit.
Ganz genau. Deshalb ist auch unsere Bauweise schon etwas anders. Unsere Bauqualität ist sehr hoch. Ich denke aber, die Kombination von Wohnen und Handel hat sich inzwischen durchgesetzt. Gerade auch institutionelle Anleger haben inzwischen erkannt, dass Wohnen eine sichere Geldanlage ist. Und Wohnen am Main, das ist wirklich gefragt.
Das Quartierszentrum am Hafenplatz mit seiner Nahversorgung ist an der Schnittstelle des gründerzeitlichen Nordends und dem neuen Stadtviertel am Main entstanden.
Ja, das war mir auch sehr wichtig gewesen. Das Quartierszentrum passt an diese Stelle genau hin. Als Bindeglied zwischen beiden Stadtteilen wird es ein zentraler kommunikativer Treffpunkt sein.
Wo sehen Sie Offenbach in zehn Jahren?
Der Hafen Offenbach wird bebaut sein und er wird sehr erfolgreich sein. Und ich bin auch ganz sicher, dass sich das Nordend entwickeln wird. Das geschieht ja jetzt schon. Wir werden bereits gefragt, ob wir alte Bausubstanz in dem Viertel sanieren wollen. Und das ist ja auch unsere Spezialität. Es gibt ebenfalls Nachfragen von kleineren Stiftungen, die bereits Gründerzeithäuser gekauft haben im Hinblick auf den Hafen und das Entwicklungspotenzial, das im Nordend steckt.