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Stadt Offenbach

1852: Freie Fahrt: Der Kaiserlei musste weg

Was es mit dem Namen des Stadtteils Kaiserlei auf sich hat, das wird in Offenbach häufig gefragt. Im Jahr 1852 wurde im Main der Kaiserlei gesprengt, der bis dahin die Schifffahrt schwer behindert hatte. Lei, auch Ley oder Lay geschrieben, ist das alte deutsche Wort für Felsen. Es lebt fort, beispielsweise, im sagenumwobenen LoreIei, dem Lorefelsen am Rhein, oder eben im Kaiserfelsen des Mains, dem Kaiserlei.

Alte Karte Kaiserlei

Eine Skizze in der verdienstvollen Datensammlung „Offenbacher Regesten" von Kurt, Ruppel und Schlander zeigt, wie das Riff nahe der heutigen Kaierleibrücke sich vom Frankfurter Ufer ins Flussbett schob. Für die Schiffe blieb nur eine schmale Rinne dicht am Offenbacher Ufer frei - eine Falle, in der immer wieder Schiffe zu Schaden kamen.

So weit, so gut, aber wie kommt dort der Kaiser ins Spiel? Warum trug das Riff den Namen Kaiserlei? Die Antwort führt über die alte Gewannbezeichnung ,,Am Großen Kaiser-Fach" zurück bis in die Zeit der fränkischen Herrscher. Ihnen allein stand die Verfügung über die fließenden Gewässer zu. Was dort gefischt wurde, war des Kaisers.

Und das Fach? Es ist ein anderer Begriff für Abschnitt. Für den Fluss- und Uferabschnitt, von dem man noch wusste, dass er des Kaisers war, bevor er in immer wieder andere Hände gelangte.

Der Kaiserlei war eine Unfallquelle. Gleichwohl ist der Main schon früh befahren worden, von flachen Booten ohne Tiefgang, flussauf bewegt von den Pferden der Leinreiter. Schon um 1400 konnten die Landesherren in Offenbach Zoll erheben. Woraus zu schließen ist, dass es Schiffer gab, die man abkassieren konnte.

Das 18. Jahrhundert kannte sogar einen regelmäßigen Marktschiff-Verkehr nach Frankfurt. Wo Goethe in „Dichtung und Wahrheit“ seine Offenbachjer Zeit beschreibt, ist die Rede von einer „tätigen Schifffahrt“ aus Flößen sowie „gelenken Markschiffen und Kähnen“

Den Main bei Offenbach zu befahren, das ging zwar mit Ach und Krach, aber es ging. Doch 1842 konnten die Offenbacher auf ihrem Fluß das erste Dampfboot bestaunen. Es machte deutlich: Der Main könnte eine zukunftsträchtige Wasserstraße werden, gäbe es nicht das Offenbacher Nadelöhr. Der Felsen musste weg.

Zehn Jahre nach dem ersten Dampfboot-Besuch jagten sie ihn in die Luft. Dennoch kam es zu einem regelmäßigen Dampfschiff-Verkehr erst 1863, dann aber gleich mit einer Verbindung zwischen Offenbach und Köln. Immer drängender wurde dabei die Forderung, den Fluss auch für Schiffe mit Tiefgang auszubauen.

Konkrete Pläne gediehen freilich erst nach der Reichsgründung von 1871. Und dann legte sich der alte Rivale Frankfurt quer. Kanalisiert wurde lediglich von der Mündung bis Frankfurt. Die Offenbacher Wirtschaft protestierte erbost, aber vergebens.

Den bei seiner großherzoglichen Landesregierung in Darmstadt fand Offenbach zunächst keine Unterstützung. Die hessische Regierung wollte nicht ihre wichtigere Hafenstadt Mainz schädigen. 1886 war der Main von der Mündung bis Frankfurt kanalisiert. Der Abschnitt Frankfurt-Offenbach folgte erst 1901. Dabei verschwand vom Kaiserlei, was die Sprengung von 1852 überstanden hatte.

1902 weihte Offenbach seinen Hafen ein; 770 Meter lang, 65 Meter breit, 4,40 Meter tief. Um 1960 war daraus der größte hessische Umschlaghafen für Mineralöl geworden, mit Hochtanks, Bahnanschluss und der Last des Tankwagen-Verkehrs auf den Straßen. Der OIffenbacher Hafen versorgte einen Raum, der von Mainz bis Würzburg reichte.

Mittlerweile ziehen die Schiffe an Offenbach vorbei. Die Hochtanks sind abgewrackt. An ihrer Stelle sieht die Planung Büros und Wohnhäuser wachsen. Bleiben wird wohl der Name „Hafenspitze“ für den Zipfel der Hafen-Halbinsel. So wie vom Kaiserlei nichts als ein Name blieb.

Von Lothar R. Braun

Veröffentlicht in der Offenbach Post

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