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Stadt Offenbach

1927: Die Zwiwwel sah so manches Rendezvous

Viele sind es nicht mehr, die sich an das Uhrtürmchen auf dem Alten Markt erinnern können. Aber sie sprechen darüber, so wehmütig wie die vorangegangene Generation. Ein bisschen schwärmerisch, ein wenig zärtlich. Am Uhrturm, den sie ,,die Zwiwwel" nannten, hängen Gefühle. Im Jahr 1927 verschwand das Wahrzeichen aus der Stadtmitte

Der Turm war eine Stiftung. Vom 28. Juni bis 6. Juli 1885 hatte Offenbach ein Fest ausgerichtet, das Sportschützen aus Baden, der Pfalz und dem Gau Mittelrhein im Wettbewerb vereinte. Die ganze Stadt stand im Schmuck, als ein Festzug das Ereignis krönte. Der Darmstädter Großherzog Ludwig IV. brachte dazu seine gesamte Familie mit. Sie wurde respektvoll an der Sprendlinger Landstrasse empfangen und von Oberbürgermeister Wilhelm Brink in die Stadt geleitet. Musik, Tanz und Volksbelustigung am Schießhaus auf dem Erlenbruch ließen die Bevölkerung teilhaben am großen Schützenfest. Dem Offenbacher Schützenverein trug es einen Reingewinn von 14 658 Mark ein.

Was tun mit dem Geld? Der OB schlug vor, es zum Nutzen aller Einwohner anzulegen, in einem Uhrturm auf dem Marktplatz. So beschloss es die Hauptversammlung am 3. September 1885. Zwei Jahre später wird die Uhr wohl gestanden haben. Wer durch die Große Markt- Straße zum Markt ging, lief darauf zu. Das Türmchen mit der Zwiebelspitze, die ,,Zwiwwel" eben, überragte das Marktgeschehen und wurde zum Treffpunkt für Tausende von Rendezvous.

Es war ein Teil der Offenbacher Identität geworden, als die Stadtverwaltung es 1927 abmontieren und im Schwimmbad auf der Hafenspitze aufstellen ließ. Denn der Marktplatz, der schon lange keinen Wochenmarkt mehr kannte, musste verbreitert werden. Benötigt wurde Raum für die Schienen der Straßenbahnlinie 27, die fortan in die Waldstraße führte, bis etwa zur Höhe des heutigen Odenwaldrings.

Zehn Jahre nach der Verpflanzung ist das Uhrtürmchen auch von der Hafenspitze verschwunden. 1937 hat man es schnöde verschrottet, aus welchen Gründen auch immer. Geblieben ist eine zählebige Erinnerung. Noch 1970 und dann noch einmal 1983 befasste sich die Stadtverordnetenversammlung mit dem Gedanken, auf dem Alten Markt wieder ein Uhrtürmchen aufzustellen. Es wurde nichts daraus. Und allmählich schwindet die Generation jener, denen das Türmchen etwas bedeutet hat.

Von Lothar R. Braun

Treffpunkt Uhrtürmchen

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