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Stadt Offenbach

1911: Waldheim war eine Reformidee

Es gibt noch einige Ureinwohner-Familien in Waldheim. Sie sind eine Minderheit im Stadtteil und im einstigen „Verein der Kolonisten Waldheim“, der sich schon lange „Einwohnergemeinschaft Waldheim“ nennt. Die Pioniere gingen auf in einer bunter gewordenen Gemeinschaft. Aber sie fanden Würdigung, als der Verein im Feuerwehrhaus an der Mühlheimer Straße Jubiläum feierte. Zu begehen war das hundertjährige Bestehen sowohl dieses Offenbacher Stadtteils als auch seines Vereins.

Hl. Kreuz Waldheim

Beider Geschichte beginnt mit dem Lebensmittel-Kaufmann Jakob Latscha aus Frankfurt, der dem Bund Deutscher Bodenreformer verbunden war. Die Villenkolonie Buchschlag im Westen des Kreises Offenbach war von 1904 bis 1912 sein erster Versuch, Menschen aus der Enge der Großstadt zu einem Leben in Luft und Grün zu führen. Als er erkannte, dass sich die Wohnungsnöte einer breiten Schicht nicht mit Villenprojekten lösen lassen, fiel sein Blick auf das Grenzgebiet der Gemeinden Rumpenheim und Mühlheim.

Latscha gründete eine nach seinem Schwiegersohn benannte „Mariothgesellschaft“, und die erwarb den Boden, auf dem heute Waldheim steht, dazu die später an die Stadt Offenbach verkauften Areale des Neuen Friedhofs und der „Mariothsiedlung“, die mittlerweile dem neuen Wohngebiet „An den Eichen“ wich.

Jochen Wege hieß der „Kolonist“, der im September 1911 auf dem Anwesen Bischofsheimer Weg 18 das erste Haus bezog. Das nächste war drei Tage später mit der Adresse Am Klingenrain 10 fertiggestellt. Es war ein extrem heißer Sommer, in dem die Siedler 1911 in gegenseitiger Hilfe bauten. Die Brunnen versiegten. Die Arbeiten stockten, bis Jakob Latscha das benötigte Wasser in Fuhrwerken heranschaffen ließ. Als 1914 der Erste Weltkrieg erst einmal alles lähmte, standen an Bischofsheimer Weg und Klingenrain 25 Häuser.

Zwar nahm sich nun eine „Gemeinnützige Kleinwohnungsbaugesellschaft für Offenbach und Umgebung“ des Vorhabens an. Doch der halbstündige Fußweg von der Kolonie nach Offenbach schreckte viele von einer Ansiedlung ab. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg setzte mit Flüchtlingen, Vertriebenen und Ausgebombten wieder eine rege Bautätigkeit ein. 1952 wurde die Friedrich-Ebert-Schule eröffnet. Zwei Kirchen entstanden 1955 und 1958..

Zu Offenbach kam die „Rumpenheimer Tochtersiedlung“ erst 1942 bei der Eingemeindung der Mutter. Seitdem und erst recht seit 1911 hat sich dort viel verändert. Den Wald, der Waldheim tatsächlich einmal umgab, gibt es nicht mehr. Von der Latscha-Idee der Selbstversorgung aus dem eigenen Garten sind nur Obstbäume geblieben. Verspeist und vergessen sind die Ziegen, Hühner und Kaninchen der ersten Kolonisten. Die Platzkonzerte des Musikvereins „Eintracht“ jeweils im Frühjahr und Herbst sind Vergangenheit. Auch das Gefühl des Zusammengehörens hat sich gelockert. Doch noch immer lassen sich nachbarschaftliche Nähe und Hilfsbereitschaft wahrnehmen.

„Hier sind die Menschen aufgeschlossener als beispielsweise in Rumpenheim,“ urteilt der freireligiöse Pfarrer Heinrich Keipp, der dem Verein als Schriftführer dient. Vielleicht ist das eine Ursache dafür, dass dem Verein auch Bewohner der benachbarten Mühlheimer Siedlung „Rote Warte“ angehören. Was das Wohnen in Waldheim sonst noch angenehm macht? „Die kurzen Wege ins Grüne, bei schneller Verkehrsanbindung an die Stadt. Man ist draußen, aber nicht abseits“, sagt Keipp. Vermutlich hatte der Lebensreformer Latscha vor hundert Jahren es just so gemeint. Lothar R. Braun

Erlösergemeinde Waldheim
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