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Stadt Offenbach

1953: Egerländer Gmoi z’Offenbach gegründet

Sie kamen nicht aus eigenem Antrieb, und sie waren nicht willkommen in den Hungerjahren nach dem Krieg. Doch als sich 1953 die aus ihrer böhmischen Heimat vertriebenen Egerländer in Offenbach organisierten, zählten sie bereits zu den Triebkräften des so genannten Wirtschaftswunders. Die „Egerländer Gmoi z’Offenbach“ beging das Jubiläum mit der Eröffnung einer Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte. Sie führt vom Ehedem zum Heute und wird bis zum 30. Juni gezeigt.

Volkstümliche Melodien aus dem westböhmischen Egerland füllten den Saal. Ein kopfstarkes Ensemble aus Hirschhorn musizierte in der überlieferten Volkstracht. Auch viele Besucher hatten sich mit den farbfrohen Trachten gekleidet. Bei den Männern war sie einst einheitlich im gesamten Landstrich, bei den Frauen konnte sie sich von einer Gemeinde zur nächsten anders entwickeln. Das ließ sich von der Offenbacher Vorsitzenden Gertraud Hirsch erfahren, die natürlich ebenfalls in Bunt auftrat.

 

Fünfzig Jahre nach der Gründung gehört die Vorsitzende natürlich nicht mehr zur Gründergeneration. Sie ist in Offenbach geboren. Die von den Eltern erlernte nordbayerische Mundart der Egerländer beherrscht sie zwar, aber nur mit einer Offenbacher Klangfärbung. Gertraud Hirsch hat, wie sie sagt, zwei Heimaten. Die reale, in der sie aufwuchs, und dann noch eine „Heimat im Kopf und im Herzen“.

 

„Ach nein,“ sagt sie, wenn sie gefragt wird, ob sie die Offenbacher Heimat gern mit der Heimat der Väter tauschen würde. Und Ehemann Erich, auch er ein Trachtenträger mit egerländischen Wurzeln, meint: „Ich kenne bei uns keinen, der dort leben möchte.“ Doch das Wissen um eine verlorene Kultur, das wollen sie bewahren, die 170 Offenbacher, die in der „Gmoi“ organisiert sind. Sie lieben ohne die Tränen; die ihre Mütter vergossen haben.

 

Das meinte wohl auch der Festredner Dr. Wolf-Dieter Hampel, als er sagte, der Generation der Vertriebenen sei die Generation der Bewahrer gefolgt. Hamperl ist der Kulturwart der egerländischen Bundesorganisation. Er berichtete, wie vor Jahrhunderten ein unglückliches politisches Geschäft dazu führte, dass die Egerländer nach 1945 vertrieben werden konnten. 1322 war das zum bayerischen Bistum Regensburg gehörende Eger mit seiner staufischen Kaiserpfalz dem böhmischen König verpfändet worden. Nur weil dieses Pfand nie eingelöst wurde, gelangte Eger 1918 mit dem einstigen Königreich Böhmen in die Tschechoslowakei. Seinen Vortrag illustrierte Hamperl mit Abbildungen aus dieser untergegangenen Kultur.

 

Dass mit der Vertreibung „Unrecht mit Unrecht vergolten“ wurde, erwähnte in einem Grußwort des Magistrats die Stadträtin Marianne Herrmann. Sie lenkte den Blick aber auch auf die 1946 zunächst nur zäh angelaufene Eingliederung der Vertriebenen: „Das war unter den Bedingungen der Zeit eine unvorstellbar große Aufgabe“. Dass sie relativ rasch gelöst wurde, habe enormer Energie auf beiden Seiten bedurft. Die Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte an der Herrnstraße dokumentiert auch diese Nachkriegsgeschichte. Eine Fülle von Zeitungsausschnitten macht den langen Weg in die Gegenwart anschaulich. Dazu vereinen sich Gebrauchsgegenstände, Textilien, Musikinstrumente aus egerländer Produktion, Fotos und erklärende Texttafeln zu einem breiten Einblick in eine versunkene Kultur, die wenigstens in Erinnerung bleiben will.

                                                                                                       Lothar R. Braun

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