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Stadt Offenbach

Stolperstein für Paul und Getrude Goldschmidt, geb. Liebmann

Produktion in der Hassiafabrik

Beschreibung

Paul Goldschmidt wurde am 14.Dezember 1882 in Nordhausen im Harz geboren. Der jüdische Kaufmann heiratete am 22. März 1920 in Offenbach Gertrud Liebmann, die am 16. Oktober 1893 als Tochter des jüdischen Schuhfabrikanten Emil Liebmann und seiner Ehefrau Fanny in Offenbach geboren wurde. Das Ehepaar wohnte zuerst in der Frankfurter Straße 120 und ab 1934 in der Körnerstraße 32.

Gertruds Vater Emil Liebmann, geboren 28.Januar 1855 in Vöhl, hatte sich sich bereits 1875 in Offenbach niedergelassen und produzierte seit 1901 in der renommierten Firma in der Sedanstraße hochwertige Damen- und Herrenschuhe. Das Geschäft lief gut und 1921 vergrößerte Liebmann das Fabrikgebäude mit zwei fünfstöckigen Seitenflügeln. Um diese Zeit trat auch Schwiegersohn Paul Goldschmidt in die „Schuhfabrik Hassia“ ein. Liebmann wandelte die Firma in eine Aktiengesellschaft um, die die folgende Inflation recht gut überstand.Neben dem Firmengründer Emil Liebmann und Schwiegersohn Paul Goldschmidt gehörte Sohn Ernst Liebmann, geboren am 10. August 1892 in Offenbach dem Vorstand an. 

Die Tochter von Emil und Fanny Liebmann, Alice Liebmann, wurde am 17. Dezember 1894 in Offenbach geboren und war seit 1921 in der Schuhfabrik als Prokuristin tätig.

In der Zeit der Weimarer Republik, aber auch noch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden in dem Unternehmen Markenschuhe mit dem Namen „Hassia Sana“ von mehreren hundert Arbeitskräften gefertigt. Hassia war nach der überstandenen Weltwirtschaftskrise für jüdische und nichtjüdische Fach- und Hilfsarbeiter ein gefragter Arbeitgeber in Offenbach.

Ab Mitte der dreißiger Jahre stand das jüdische Unternehmen Liebmann unter dem Druck der NSDAP und „arischer Kaufinteressenten“. Aufgrund der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschafts-leben“ waren Emil Liebmann und seine Familie im Oktober 1938 gezwungen, die Hassia AG weit unter Wert zu veräußern. Nach dem Verkauf des Unternehmens wurden ab dem 04.November 1938 alle Führungspositionen der Firma "arisch" neu besetzt. 

Emil Liebmann, Ernst Liebmann und Paul Goldschmidt mussten ihre Vorstandsmandate niederlegen und Alice Liebmann ihre Position als Prokuristin aufgeben. Durch den Verkauf entging die jüdische Firma von Emil Liebmann während der Pogrome in Offenbach der Zerstörungswut von SA-Leuten und NS-Sympathisanten. 

Emil Liebmann, inzwischen 83 Jahre alt, blieb wohl wegen seines Alters von einer Verhaftung verschont, während Paul Goldschmidt am 16. November 1938 von der Gestapo abgeholt und mit vielen anderen Juden ins KZ Dachau transportiert wurde. Dort war er mit der Nr. 28530 bis zum 28. November 1938 interniert und wurde mit der Auflage, Deutschland möglichst schnell zu verlassen, entlassen.

Laut Angaben in seiner Offenbacher Meldekartei ist er am 13. Juli 1939 mit seiner Frau Gertrud geb. Liebmann, nach England emigriert. Beiden wurde 1941 die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt.

Nach dem Verlust der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz versuchten sie, sich unter großen Schwierigkeiten eine neue Existenz in London aufzubauen. 

Stolperstein für Paul und Getrude Goldschmidt, geb. Liebmann

Körnerstraße 32
63067 Offenbach

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