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Stadt Offenbach

Stolperstein für Sali, Selma, geb. Feitler, Walter Ferdinand, Irmgard Johanna Lorch und Philippine Feitler

Beschreibung

Sali Lorch, 1887 in Bingen geboren, ließ sich 1912 in Offenbach als Kaufmann nieder und war seit dieser Zeit bei der Firma Rowenta tätig. Nach der Eheschließung mit Selma Feitler (geb. 1889) im Jahr 1913 lebte das Ehepaar zunächst in der Kaiserstraße 84, wo die Kinder Walter und Irmgard Johanna zur Welt kamen.

Inzwischen Teilhaber der Firma Rowenta, erwarb Sali Lorch 1925 das Haus im August-Bebel-Ring 19. Bis 1938 wohnte die Familie dort, war in der Offenbacher Gesellschaft bekannt und gut integriert. Als ehemaliger Frontkämpfer, wichtiger Exportunternehmer und Arbeitgeber in der Stadt, fühlte sich Sali Lorch selbst nach der Machtübernahme der Nazis noch sicher und zog eine Emigration ins Ausland nicht in Betracht. Geschäftlich war er ständig auf Reisen - vor allem nach England, wo es eine Niederlassung in London gab.

Walter, 1914 in Offenbach geboren, musste auf Druck der Nationalsozialisten das Frankfurter Gymnasium verlassen und ging 1937 nach London zur kaufmännischen Ausbildung bei der Firma Rowenta. Von England aus verfolgte er die zunehmende Diskriminierung der Juden in Deutschland. Er bedrängte seinen Vater, Offenbach zu verlassen. Doch der konnte sich noch immer nicht zur Emigration der Familie entscheiden. Tochter Irmgard Johanna, geb. 1923 in Offenbach, musste ebenfalls das öffentliche Mädchen-gymnasium auf Druck der Nazis verlassen und besuchte danach die Bezirksschule, die 1934 für jüdische Schülerinnen und Schüler in Räumen der Synagoge eingerichtet worden war.

Vater Sali Lorch wurde 1938 nach seinem 25jährigen Jubiläum bei Rowenta auf Druck der Nationalsozialisten aus der Firma ausgeschlossen und zur „Arisierung“ gedrängt. Durch den Verkauf seiner Geschäftsanteile an den in der Firma tätigen Prokuristen namens Heuckeroth wurde das Unternehmen – wie von den Nazis gefordert - „arisiert“.

In der Hoffnung, im Londoner Rowenta-Büro eine Anstellung zu finden, entschloss sich Sali Lorch nun doch zur Emigration. Hierfür musste er das Haus unter Wert verkaufen. Der Termin für die Flucht der Familie aus Offenbach wurde bis zum Schluss geheim gehalten.

Großmutter Philippine Feitler (Jg. 1867) blieb allein in Offenbach zurück. Am 09. November 1938 erlebte sie dort den Überfall von SS-Leuten, die Sali Lorch noch im Haus versteckt vermuteten. Frau Feitler entging der Verhaftung durch Unterstützung der neuen Eigentümer. 1939 konnte sie der Familie nach Birmingham folgen, wo Sali Lorch nach Verlust aller finanzieller Güter, Arbeit in einem Galanterieunternehmen gefunden hatte - das Londoner Büro der Firma Rowenta hatte ihm keine Anstellung gewährt.

Nach Kriegsbeginn litt die Familie Lorch in England unter der Einstufung als „feindliche Ausländer“. Sali Lorch behielt zum Glück seine Arbeit in dem zum Rüstungsunternehmen umgestalteten Betrieb, aber Walter Lorch wurde für ein Jahr auf der Isle of Man interniert. Irmgard Lorch, die sich nun Joan nannte, konnte trotz der Kriegswirren ihre Schulausbildung auf der „King Edward High School of Girls“ fortsetzen und sogar ein Studium der Biologie anschließen und 1944 beenden.

Nach der Haftentlassung aus dem Internierungslager trat Walter in die britische Armee ein. Er war so kein „enemy alien“ mehr und erhielt die britische Staatsbürgerschaft.

Nach Kriegsende setzte Joan ihre Studien fort und machte sich in der Folgezeit an der Universität in London mit verschiedenen biologischen Veröffentlichungen einen Namen. 1947 nahm sie die britische Staatsbürgerschaft an, ebenso ihre Eltern und ihre Großmutter. Nach ihrer Eheschließung mit dem englischen Dentisten Peter Hugh Staple beendete Joan Staple 1952 ihre wissenschaftliche Tätigkeit in England und widmete sich der Kindererziehung. Mitte der sechziger Jahre wanderte sie mit ihrer Familie in die USA aus und setzte als Biologieprofessorin am Canisius College in New York ihre berufliche Karriere fort. Joan Lorch-Staple starb 2022 in Buffalo in New York.

Stolperstein für Sali, Selma, geb. Feitler, Walter Ferdinand, Irmgard Johanna Lorch und Philippine Feitler

August-Bebel-Ring 19
63067 Offenbach

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