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Stadt Offenbach

Mozart, André, Offenbach: Der Klang der Zeitkapsel

Exakt 250 Jahre nach der Gründung des Verlags Johann André widmet sich die Stadt Offenbach in einer umfangreichen Veranstaltungsreihe einem einzigartigen Bestand historischer Erstdrucke, der gewissermaßen eine Zeitkapsel hochwertiger und doch vielfach vergessener Musik darstellt. Das André‘sche Archiv versammelt gut 17.000 Musikwerke und spiegelt darin nicht allein die respektable Kulturgeschichte von Stadt und Region, es ist auch national und international einer der wertvollsten Bestände seiner Art.

Dabei wird Musik aus dem André-Archiv in bisher einmaligem Ausmaß in Sinfonie- und Opern-, Kammer-, Vokal-, Klavier- und Orgelkonzerten, einer zentralen Ausstellung sowie begleitenden Publikationen in Wort und Klang erlebbar gemacht.

Schlaglichter auf die ersten Jahrzehnte des Musikverlags André

Das Umfeld, in dem die Andréschen Drucke entstanden, war herausragend: Im durch Parks geprägten Quartier rund um das heutige Offenbacher Büsingpalais lagen Sommersitze begüterter Frankfurter Familien ebenso wie elegante Häuser solcher Offenbacher, die durch die Ansiedlungspolitik der Isenburger Fürsten hierhergekommen waren. Der Fabrikant Peter Bernard finanzierte hier das erste bürgerliche Berufsorchester der Region, Johann André schrieb mit Goethe gemeinsame Werke und Andrés Sohn (Johann) Anton brachte schließlich gut 300 Manuskripte W.A. Mozarts als Grundlage für 79 Erstausgaben hierher.

Das Verhältnis zum Thema ‚Innovation in den Künsten‘ stellte sich zum Zeitpunkt der Gründung des Musikverlags Johann André 1774 völlig anders dar als heute. Während in heutigen Praktikerkreisen der Pflege klassischer Musik das Bonmot kreist, dass Publikumsaffinität am ehesten so zu erreichen ist, ausschließlich auf Komponisten mit zwei Lebensdaten zu setzen, galt in Spätklassik und Frühromantik vielfach klar das Fortschrittsparadigma. Der Gedanke einer Kanonbildung war keinesfalls die Regel, vielmehr erwartete das Publikum in der Regel Neues. 

Auch wenn der Name „Wolfgang Amadeus Mozart“ selbst nach dessen frühem Tod für eine außergewöhnliche und musikalisch absolut herausragende Persönlichkeit stand, dürfte es doch niemanden verwundert haben, dass nur ein ganz junger – 24jähriger – Musikverleger über den Mut [oder den Wahnsinn] verfügte, der Witwe Constanze Mozart den musikalischen Nachlass ihres Gatten abzukaufen für ein dreifaches Jahreseinkommen, das in Raten abzuzahlen war. Breitkopf & Härtel beispielsweise waren Constanze Mozarts Preisvorstellungen definitiv zu teuer gewesen.

Johann Anton André war seiner Zeit voraus – und hatte Erfolg mit seinem Konzept, aus den fast 300 Manuskripten zuletzt insgesamt 79 Erstausgaben Mozartscher Werke zu publizieren. Unter anderem wurde in der Offenbacher Domstraße die Serenade G-Dur KV 525, oder: ‚Kleine Nachtmusik‘, erstmals gedruckt; wie die anderen Ausgaben Andrés mit großer Sorgfalt und dem Verweis darauf, aus dem Manuskript gesetzt worden zu sein. 

Nicht zu vergessen, dass André auf der Rückreise aus Wien in München den Erfinder Alois Senefelder, den Entwickler der Lithografie [und damit dem Ursprung des heutigen Offsetdrucks] dafür gewann, mit ihm nach Offenbach zu kommen und seine Erfindung erstmals für die Alltagspraxis des Druckens einzurichten.

Diese beiden innovativen Schritte mögen als Schlaglichter für das unternehmerische Potenzial der Familie André stehen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zählte der Verlag definitiv zu den kaum übersehbaren, relevanten Musikverlagen im deutschsprachigen Raum. 

Die Andrés komponierten zudem. Schon der Verlagsgründer Johann André ging bald nach der Gründung von 1777-1784 als Musikdirektor nach Berlin und brachte dort eine Vielzahl eigener Singspiele auf die Bühne. Das im Nachhinein bekannteste davon ist ‚Belmont und Constanze‘, von dem Wolfgang Amadeus Mozart später ungefragt das Libretto für seine ‚Entführung aus dem Serail‘ verwandte. „Ein gewisser Mensch Namens Mozart, in Wien hat sich erdreistet, mein Drama ‚Belmont und Constanze' zu einem Operntexte zu mißbrauchen“ protestierte Andrés Librettist damals gegen die mozartsche Übernahme. 

Johanns Sohn Johann Anton André komponierte ebenfalls mit Leidenschaft und Qualität; dieser wiederum mehr im sinfonischen, kammermusikalischen und konzertanten Bereich.

Die Geschichte des Verlags und der Verlegerpersönlichkeiten spinnt sich weiter durch die folgenden beiden Jahrhunderte. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hielt man seinen Rang als dem eines Verlags, mit dem man rechnen musste – aber auch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts und den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts veröffentlichte das Haus André noch bemerkenswerte Werke.

Förderung

Das Projekt wird großzügig unterstützt vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain, der Dr. Marschner Stiftung, der Kulturstiftung der Städtischen Sparkasse Offenbach, der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, der Frankfurter Volksbank Rhein-Main, dem Freimaurer Wohltätigkeitsverein, der Internationalen Stiftung zur Förderung von Zivilisation und Kultur, der Stiftung Citoyen, den Freunden des Capitol Theaters Offenbach und dem Musikhaus André. 

Das Programm im Jubiläumsjahr

Programmbuch

Das Programmbuch zum Download

Im Programmbuch zum Jubiläumsjahr "Mozart, André, Offenbach - der Klang der Zeitkapsel" finden sich neben dem kompletten Veranstaltungsprogramm musikwissenschaftliche Hintergrundtexte, Interviews sowie Fotos aus dem alten Notenlager der Andrés. 

Podcast: Musikgeschichte made in Offenbach

Es geht um Flucht, Migration, Mozart und Goethe. Aber auch um den Klang einer einzigartigen Zeitkapsel. Was dies alles mit dem 250-jährigen Firmenjubiläum des Offenbacher Musikhauses André zu tun hat – darüber hat die Energieversorgung Offenbach in einer neuen Folge des Podcasts „Nah!“ mit dem Inhaber Hans-Jörg André und dem Leiter des Amts für Kulturmanagement der Stadt Offenbach Ralph Philipp Ziegler gesprochen.

Infos des Musikhauses André

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