Mamma mia – Vom Mutterwerden im öffentlichen Dienst
Romina Weber arbeitet in der Offenbacher Stadtverwaltung als persönliche Referentin im Dezernat III. Hier berichtet sie in drei Teilen über die aufregende Zeit, nachdem der Schwangerschaftstest zwei Striche für sie bereithielt - und was das kommende Kind in Bezug auf den Job bei der Stadt in ihr auslöst. Denn das ist neben Vorfreude auch Vieles andere.
Zwei Striche - Und jetzt? (1/3)
Februar 2022. Zwei Striche. Beide sehr rot. Man konnte von einem recht eindeutigen Ergebnis sprechen, das keine Zweifel zugelassen hat. Zwar schreibe ich hier nicht von zwei Strichen auf einem Coronatest (der war glücklicherweise bisher immer negativ), in lautstarken Jubel bin ich dennoch nicht ausgebrochen, als ich den ganz offensichtlichen Beweis vor mir liegen hatte, dass ich schwanger bin. Kurze Zeit später (gefühlt aber dennoch eine halbe Ewigkeit) folgte dann auch die ganz offizielle Bestätigung der Frauenärztin mit den Worten: „Herzlichen Glückwunsch, Frau Weber! Sie sind schwanger!“
Schwanger. Diese Nachricht hat mich sehr plötzlich erwischt und es brauchte einige Tage, um diese lebensverändernden Neuigkeiten erst einmal sacken zu lassen. Zunächst herrschte Chaos im Kopf und so ziemlich jedes Gefühl und viele Gedanken waren dabei vertreten: Aufregung, Panik, Vorfreude, Unsicherheit, großes Glück und Dankbarkeit, noch mal Panik und Vorfreude gleichzeitig, Angst, und ganz schnell auch ein schlechtes Gewissen. Und vor allem dieses schlechte Gewissen hat mich sehr geärgert und zum Nachdenken gebracht. Wieso habe ich als Frau ein schlechtes Gewissen wegen meiner Schwangerschaft?! Weil in mir ein neues Leben entsteht und sich nun einige Dinge ändern werden? Privat, aber natürlich auch im beruflichen Kontext? Wieso führt eine so tolle Sache zu so einem Gefühlschaos und Ängsten, wie es beruflich nun weitergeht?
Das Privileg Schwangersein im öffentlichen Dienst
All diese Gedanken habe ich, obwohl ich einen festen und sicheren Job im öffentlichen Dienst habe. Dank dieser Sicherheit konnte ich mich und meinen Kopf glücklicherweise auch recht schnell wieder einfangen. Ich bin keine Selbstständige, die keinen Anspruch auf Mutterschutz hat und bis zur Geburt arbeiten muss, wenn sie finanziell nicht komplett sorgenfrei aufgestellt ist (dies wurde kürzlich auch in der Presse aufgrund einer Petition (Öffnet in einem neuen Tab) gegen diesen Missstand heiß diskutiert). Im Mutterschutz bekomme ich weiter Geld. Danach geht es mit der Elternzeit weiter. Dann zwar mit weniger Geld, aber schließlich gehe ich in dieser Zeit auch nicht arbeiten. Stattdessen kann mich voll und ganz dem kleinen Menschen widmen, der sich in dieser Sekunde noch in meinem Bauch befindet und dort Purzelbäume macht, die immer spür- und sichtbarer werden.
Nach den ersten Tagen des Verdauens der großen News habe ich mich dann zu dem Thema Schwangerschaft im öffentlichen Dienst informiert. Und auch hier wurde eine Sache für mich ganz zentral: Sicherheit. Als Beschäftigte im öffentlichen Dienst ist alles geregelt. So auch der ganze Ablauf rund um die Schwangerschaft. Und gerade diese Sicherheit gibt mir wiederum mehr Zeit und Ruhe, um mich in dieser plötzlich neuen Situation besser zurechtzufinden.
Antragschaos
In meiner Arbeit im Offenbacher Rathaus habe ich täglich mit Fristen, Anträgen und Genehmigungen zu tun. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass mich die Anträge rund um Elternzeit, Elterngeld, Mutterschutz und Co. maximal verwirren und hin und wieder frustriert zurücklassen. Glücklicherweise wird Mitarbeitende der Stadt alles gut aufbereitet, zur Verfügung gestellt und man wird gut an die Hand genommen.
Dennoch müssen Entscheidungen getroffen und auf Papier abgegeben werden. Kurzum: Man muss irgendwie einen Plan haben. Und das in einer Situation, in der ich mich zuerst alles andere als gut vorbereitet und gewappnet für die Zukunft fühlte.
Ein Tipp für unverheiratete Paare: Die Vaterschafft muss offiziell anerkannt und das gemeinsame Sorgerecht beantragt werden! Sonst hat der leibliche Vater keine Rechte und wird auch nicht als Vater eingetragen. Nicht besonders up to date in der heutigen Zeit, aber immer noch der normale Ablauf.
Das Unplanbare planen
Woher soll man wissen, wie das noch ungeborene Kind sein wird? In erster Linie hofft man natürlich, dass der Nachwuchs gesund sein wird, dass man von der postpartalen Depression nicht betroffen sein wird, dass man hoffentlich voll von Hormonen im Glücksrausch sein wird. Trotzdem muss ich dieses kleine Menschlein und seine Bedürfnisse erst einmal kennenlernen. Und in meinem Kopf wollen die Fragen jetzt schon kein Ende nehmen:
Wird die Geburt okay?
Wird mein Kind gesund sein?
Wird es gerne in die Krippe und Kita gehen?
Wann komme ich zurück auf die Arbeit?
Wie wird sich die Rückkehr anfühlen?
Wie werde ich dort aufgenommen?
Werde ich den Aufgaben noch gewachsen sein, nach all der Schwangerschafts- und Stilldemenz und wenig Schlaf?
Wie kriege ich Kind und Job unter einen Hut?
Wie wird das Familienleben?
Wie teilt man sich zuhause auf?
Werde ich noch Zeit für mich haben?
Werde ich eine gute Mutter sein?
Und dann hört man zu allem Überfluss auch noch: „Naja, warte mal ab. Das wird alles noch viel schlimmer, sobald das Kind da ist.“ Wow, okay!
Und plötzlich wird alles bewertet (2/3)
Der Druck auf berufstätige Frauen ist ungemein hoch. Und dazu braucht es nicht einmal eine Schwangerschaft. Aber diese verstärkt den Druck dann natürlich noch mal sehr ordentlich. Plötzlich scheint jede Veränderung zu einer Kommentierung aufzufordern. Der einen Person erscheint der Schwangerenbauch ungewöhnlich groß, einer anderen Person wiederum zu klein. Nach der Meinung gefragt habe ich auf jeden Fall nicht. Ich vertraue in dieser ganzen Achterbahnfahrt der Schwangerschaft einfach voll und ganz auf meinen Körper und das kleine Menschlein, das wohl wissen wird, wie viel Platz es in mir einnehmen möchte. Zumindest versuche ich es. Verunsicherung lauert an jeder Ecke.
Der ganze Körper ist also plötzlich eine Baustelle, die fast vom einen auf den anderen Tag ganz genau beäugt wird. Auch jede Entscheidung der Schwangeren, wie zu den Plänen einer Betreuung (des wohlgemerkt noch ungeborenen Kindes), lädt offensichtlich zur Bewertung ein – meist ebenfalls vollkommen ungefragt. Ich für meinen Teil habe mir (zum jetzigen Zeitpunkt und gemeinsam mit meinem Partner) überlegt, dass wir unser Kind mit ungefähr einem Jahr in die Krippe geben möchten. Diese Entscheidung trifft man natürlich nicht einfach mal so und mit Sicherheit muss sie immer ganz individuell getroffen werden. Für mich fühlt es sich so am besten an, da ich mir nicht vorstellen kann, dass ich für mehrere Jahre zuhause sitze und meinen Job, den ich wahnsinnig gerne mache, so lange auf Eis lege. Und ein ganz wesentlicher Faktor: Finanziell ist es auch einfach nicht für jede Person möglich, über einen längeren Zeitraum in Elternzeit zu bleiben. Ich möchte weiterhin mein eigenes Geld verdienen, unabhängig sein und auf eigenen Beinen stehen können.
Und wieder finden das einige Menschen sehr früh, andere sehr spät. Auch hier gilt: Das muss wohl jede*r ganz individuell entscheiden. Und diese Entscheidung sollte respektiert werden, denn die Beweggründe können ganz unterschiedlich sein. Ich für meinen Teil bleibe hoffentlich entspannt, lasse mir keine Flöhe ins Ohr setzen und vertraue auf meinen Körper, meinen Instinkt und mein Bauchgefühl und darauf, dass sich das neue Leben zu dritt mit all seinen Höhen und Tiefen einpendeln wird.
Elternsein und Finanzen
Weniger Gependel möchte ich auf Seiten der Finanzen haben. Im Moment geht es mir gut. Ich kann in den Urlaub fahren, kann Geld zurücklegen und das Essen kaufen, das mir schmeckt, ohne dabei jedes Mal rechnen zu müssen – ganz im Gegensatz zu Unizeiten mit einer mehr als knappen Haushaltskasse. Ich bin daher sehr dankbar dafür, dass ich in einem Job arbeiten kann, der mir großen Spaß macht UND mir das Geld zum Leben bietet.
Und ich bin auch dankbar, dass ich während der Zeit des Mutterschutzes mein volles Gehalt bekommen werde. Verändern wird sich die Situation dann nach dem offiziellen Mutterschutz, denn dann beantrage ich Elterngeld. Das wiederum berechnet sich nach dem vorherigen Einkommen. Bei mir werden es 65% des Voreinkommens sein. Klar: Ich gehe in dieser Zeit nicht arbeiten und es landet trotzdem Geld auf meinem Konto. Auch hier ist man als Arbeitnehmerin gut abgesichert und das Kindergeld beträgt immerhin auch 204 Euro. Dennoch fällt ein Anteil an Geld weg, der die Monate zuvor immer da war. Hinzu kommen steigende Energiepreise und die Inflation. Hier heißt es also auch wieder Planen, Überlegen, Rechnen, Anträge stellen, Priorisieren und gerne auch immer wieder ebay Kleinanzeigen checken für günstige Babysachen.
Kleiner Tipp am Rande: Bei der Beantragung von Mutterschaftsgeld und Elterngeld gibt es einige Dinge zu beachten, die Förderdauer hat ein Ende, es gibt verschiedene Modelle (auch für die Partner*innenmonate!), je nach eigener Planung gibt es Vor- und Nachteile in den verschiedenen Modellen, das eine wird auf das andere angerechnet und es gibt viele leicht falsch zu verstehende Infos im Netz. Eine Beratung kann daher sehr sinnvoll sein.
Ich stehe nun unmittelbar vor meinem Mutterschutz. Der Weg bis dahin kam mir eigentlich immer vor wie eine Ewigkeit. Nun geht alles ganz schnell. Und in dem immer größer werdenden Hormonchaos ist es einfach ungeheuer beruhigend, wenn man sich gut abgesichert und einigermaßen vorbereitet weiß.
Von 100% auf 0% (3/3)
Die Möglichkeit des Mutterschutzes ist eine riesige Beruhigung. Zwar konnte ich mir die ganze Zeit nicht vorstellen, dass ich von einem auf den anderen Tag der Arbeit erstmal den Rücken zukehre. Das ändert sich aber im inzwischen neunten Monat und andauernder Hitze. In mir wird gerade ein ganz neuer Mensch produziert, nebenbei erledige ich meine Arbeit in Vollzeit und arbeite meine Vertretung ein. Nach so einem Tag ist es inzwischen ganz normal, dass man mich spätestens um 21 Uhr schlafend auf der Couch vorfindet.
Ich kann nicht leugnen, dass ich mich inzwischen sehr auf das Ausschlafen und die Ruhe freue. Und natürlich muss auch noch viel vorbereitet werden. Die freie Zeit kurz vor der Geburt brauche ich also sehr dringend.
Aber ich weiß auch jetzt schon, dass mir der Abschied auf der Arbeit wahnsinnig schwerfallen wird. Natürlich ist mein Job sehr oft sehr stressig. Es gibt Tage, da wollen plötzlich 100 Leute auf einmal etwas, alles ist wichtig, alles ist dringend und wurde am besten schon gestern fertig. Aber meine Arbeit ist auch einfach ein großer Bestandteil meines Lebens. Sie macht mir Spaß, ich habe das Gefühl, dass ich sinnvolle Aufgaben aus den verschiedensten Aufgabenbereichen von Soziales bis hin zu städtischen Finanzen erledige. Neben dem Gefühl des erfüllenden Jobs arbeite ich gerne mit den Menschen um mich herum zusammen und gehe tatsächlich auch so gut wie jeden Tag gerne und mit einem guten Gefühl zur Arbeit. All das wird mir fehlen. Und in 1,5 Tagen vorerst vorbei sein.
Sicherheit gibt mir wiederum, dass man im öffentlichen Dienst keine Angst haben muss, dass man als Schwangere nach der Babyauszeit ohne Job dastehen wird. Und nicht nur ich bekomme ein Kind. Auch mein Freund wird plötzlich zu einem Elternteil und wird Elternzeit nehmen, sodass ich wieder im Job einsteigen kann.
Für mehr Männer in Elternzeit
Der Offenbacher Oberbürgermeister Dr. Felix Schwenke hat es vorgemacht: Auch Männer können sehr wohl in Elternzeit gehen. Die „Light“-Variante davon sind die Partnermonate. Und auch ich kriege in meinem Arbeitsumfeld sehr oft mit, dass Männer sich diese Zeit mit Kind nehmen. Das ist toll, richtig und wichtig. Wieso soll nur die Frau die Care-Arbeit übernehmen und dabei auch noch finanziell zurückstecken müssen? Natürlich ist es so, dass nur ich als Mutter das Kind in der ersten Zeit durch meine Muttermilch ernähren kann. Diese Zeit will und werde ich mir nehmen. Aber spätestens mit dem Abstillen kann der Partner das Fläschchen geben und auch schon vorher ermöglichen Milchpumpen eine größere Flexibilität. Was spricht dann also dagegen, dass ich schon wieder auf der Arbeit einsteige und mein Partner dafür zuhause bleibt?
All das schreibe ich natürlich, ohne dass ich bereits ein Kind habe und diese ganzen Dinge schon einmal mitgemacht habe. Dennoch empfinde ich es als einen wichtigen Baustein der Gleichberechtigung, wenn Männer auf der Arbeit pausieren und sich um das Kind kümmern. Und ich hoffe sehr, dass das immer normaler wird und ohne komische Blicke oder doofe Sprüche passieren kann. Nur so kann das kleine Team Familie funktionieren.
Ein Hoch auf die Mütter!
Vermutlich befinde ich mich aktuell im Hormonrausch. Spontane Heulausbrüche ohne richtigen Grund und anschließende große Euphorie bestätigen das wahrscheinlich. Aber schwangere Frauen haben mich eigentlich schon immer fasziniert. Es ist einfach ein riesiges Wunder, wenn so ein neues Leben entsteht. Es ist absolut krass, was der weibliche Körper da über Monate leistet. Und dann erst die Geburt. Völlig irre! Mütter, ihr alle habt meinen vollsten Respekt.
Jeder Mensch in Offenbach und auf der ganzen Welt hat eine Mutter, die ihn zur Welt gebracht hat. Es hat also schon sehr oft funktioniert und passiert auch weiterhin jeden Tag. Ich finde, das ist eine sehr beruhigende Vorstellung mit Blick auf die Geburt des ersten eigenen Kindes in wenigen Wochen.
Und nach der Schwangerschaft geht es ja dann erst so richtig los mit dem Muttersein…
Momentan fühlt sich die Schwangerschaft noch an wie ein großes Abenteuer und ich bin wahnsinnig gespannt auf das, was alles auf mich und meine dann kleine Familie zukommen wird. Von Tag zu Tag wird es realer, der Bauch dicker, das Kinderzimmer fertiger und die Aufregung größer.
Ich konnte mir die Zeit nehmen für meine ganz persönlichen Gedanken zum Thema Schwangerschaft und Mutterwerden. Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich haben werde, wenn diese kleine Person rund um die Uhr an meiner Seite sein wird. Aber ich bin sicher, dass es auch dann wieder eine Vielzahl an Themen gibt, über die es sich zu Schreiben lohnt.
To be continued…