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Stadt Offenbach

Auf einen Kaffee mit ...

Dr. Uwe Heinold

Die vhs ist ein offenes Haus, bunt und vielfältig. Im Format „Auf einen Kaffee mit ...“ plaudert vhs-Leiter Dirk Wolk-Pöhlmann in der Cafeteria mit Menschen, die er im vhs-Gebäude trifft, und fragt sie nach ihren Geschichten rund ums Lernen, Wissenteilen, Ausprobieren und Neuentdecken. Zum heutigen Interview traf er Dr. Uwe Heinold, der in der Produktionsschule der vhs, dem Start Projekt, als Lehrer arbeitet. Er unterrichtet hier einmal die Woche die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und bereitet sie auf den Hauptschulabschluss vor. Ein interessanter Gesprächsteilnehmer, aber lesen Sie selbst…

Ich treffe sie im Volkshochschulgebäude im ersten Stock in der Cafeteria. Wer sind Sie? Wie heißen Sie? Was führt Sie heute und immer wieder in die Volkshochschule (vhs)?

Dr. Heinold: Also ich bin ja Deutsch- und Englischlehrer, erteile aber auch PoWi-Unterricht und ich bin heute hier, weil es meine Arbeit ist und weil ich schon seit mittlerweile zehn Jahren am Start Projekt aktiv beteiligt bin. Inzwischen gerne. 

Dirk: Oh, inzwischen gerne. Das lässt mich natürlich prompt aufhorchen. Das heißt, das war nicht immer so? 

Dr. Heinold: Anfangs war es, ich sage einmal, sehr anstrengend. Ich meine, es ist immer noch mein anstrengendster Unterricht, muss ich wirklich sagen, mit der intensivsten Vorbereitung.  

Dirk: Sie sind Gymnasiallehrer? 

Dr. Heinold: Ja, ich unterrichte praktisch alle Stufen über Intea, eine Maßnahme zur schulischen Eingliederung von Migrantinnen und Migranten, über das Start Projekt bis in die Fachoberschule.  

Dirk: Also Sie unterrichten als Gymnasiallehrer an einer Offenbacher Schule?  

Dr. Heinold: Ich bin an der Käthe-Kollwitz-Schule.  

Dirk: Und die Käthe-Kollwitz-Schule schickt Sie zu uns? Sie wollte, als Ihr Einsatz vor 10 Jahren begann, zunächst nicht? 

Dr. Heinold: Nein, das war so, wir kamen aus Brasilien. Ich war länger im Auslands-Schuldienst und hatte dann die Option, an verschiedenen Schulen zu hospitieren. Letztendlich entschied ich mich für die Käthe-Kollwitz-Schule.

Dirk: War das die Zeit des Referendariats. 

Dr. Heinold: Nein, das war vor ca.10 Jahren. Wir waren länger in Südamerika und dann hatte der Dezernent einige Schulen vorgestellt, die in Frage kamen? Ich hatte mir ein paar Schulen angesehen und die Käthe-Kollwitz-Schule hat mir am besten gefallen. Und dann sagte man mir: „Donnerstags, da sind Sie nicht hier, sondern da sind Sie in einer Dependance, und die Dependance war dann hier im Start Projekt.“

... inzwischen sage ich ganz ehrlich, es ist mit einer meiner Liebsten, ja, mein liebster Unterricht, obwohl es der Anstrengendste ist.

Dr. Uwe Heinold

Dirk: Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Stunde? War es Deutsch, Englisch oder PoWi? 

Dr. Heinold: PoWi. Absolut chaotisch.  

Dirk: Wie viele Teilnehmer waren es so?

Dr. Heinold: Ungefähr 12 bis 15. Das ist immer schon eine geballte Ladung, sage ich mal salopp. Ja, so fing der Tag damals an, und inzwischen sage ich ganz ehrlich, es ist mit einer meiner Liebsten, ja, mein liebster Unterricht, obwohl es der Anstrengendste ist.
Und ja, es ist deswegen der Fall, weil ich die Schüler als sehr ehrlich einschätze. Das mag ich, sie sagen gleich das ist Schrott oder ich find sie als Lehrer toll und gut.
(…) Und sie haben halt auch eine Vitae, mit der ich absolut keine Berührung habe. Ja, absolut nicht. Und nie hatte im schulischen Leben. Das finde ich ist eine gewisse Herausforderung.  

Dirk: Was macht die Schülerinnen und Schüler aus ihrer Sicht so ehrlich oder so liebenswert? Heute, zehn Jahre danach? 

Dr. Heinold: Na gut, die sagen, was sie denken. Ganz klipp und klar. 

Dirk: Das ist ja eine Tugend? 

Dr. Heinold: Ja, durchaus. Was sie sagen, ist mehr vom Leben gezeichnet. Ich bilde mir ein, da wir alle, die wir hier arbeiten, eine gewisse Lebenserfahrung haben, kommt es auch so gut an.

Dirk: Vom Leben gezeichnet ist ein treffender Begriff. Das ist aus dem wahren Leben und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind aus dem wahren Leben. Ich sage sonst immer, das ist der sensibelste Bereich, den wir hier in der Volkshochschule haben.  

Dr. Heinold: Na klar. Weil die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Startprojekt aus dem wahren Leben kommen, mit allem, was es so mit sich bringt an Geschichten, die sie im Rucksack mit sich tragen. 

Dirk: Wenn Sie so spontan überlegen, was war denn der bewegendste Moment und was war der kniffligste Moment? Oder der Schönste, Berührende? 

Dr. Heinold: Das war vor ein paar Jahren, da war die Abschlussfeier noch hier oben in der vhs. Eine Schülerin hielt eine Rede. Die war ganz pfiffig und rief, als sie mich sah: „Juhuu, Herr Heinold. Und vielen Dank für alles. Es war so schön.“ Das fand ich emotional den schönsten Moment bisher. 

Dirk: Das ist auch das Ehrliche.

Dr. Heinold: Ja, ja. Das Schlimmste war die Beleidigung: „Hey, Sie Pisser! Was wollen Sie überhaupt von mir?“ Das ist bei allem, was mir passiert ist, bei aller pädagogischen Distanz und bei aller Professionalität – da schluckst du erst einmal. Und da musst du gucken, wie du damit umgehst. Wir sprechen dann natürlich immer mit den Coaches darüber. Ja, das geht so nicht. Das war das Persönlichste. Das muss man auch manchmal aushalten.

Wenn Sie so spontan überlegen, was war denn der bewegendste Moment und was war der kniffligste Moment? Oder der Schönste, Berührende?

Dr. Heinold: Ich mache sehr gern Musik; Rock und Blues mit Freunden von mir.  

Dirk: Sie spielen Gitarre?  

Dr. Heinold: Genau. Ich bin ein passionierter Musiker. Wenn man so will, ein Rocker, ein echter, noch aus den 70er Jahren. Aber ich habe nie professionell Musik gemacht, weil meine Eltern mir immer gesagt haben, das ist ja alles schön und gut, aber zweigleisig ist immer besser. Das habe ich dann auch getan. Aber Musik mache ich gerne. Das werde ich auch ein bisschen stärker noch machen, wenn ich dann in Pension gehe.  

Dirk: Spielen Sie in einer Band? Treten Sie auch auf?  

Dr. Heinold:  Ja, „The Divin` Trees“ heißt die Band.  

Dirk: Die tauchenden Bäumen? 

Dr. Heinold: Ja, da gibt es auf YouTube so 2-3 Seiten, da kann man mal gucken. (Anmerkung der Redaktion: www.youtube.com/@thedivintrees4676) 

Dirk: Wie lang machen Sie das? Seit wann gibt es Ihre Divin´ Trees? 

Dr. Heinold: Schon seit 2015, glaube ich. Das ist schon eine Zeit lang her. 

Dirk: Und neben der Musik, was machen Sie noch so, Dr. Heinold?  

Dr. Heinold: Ja, Sprachen lernen macht mir Spaß. Französisch mache ich zurzeit wieder intensiv und ich habe Russisch angefangen, weil ich das auch interessant fand.  

Dirk: Schwierige Sprache, also mal ganz was anderes, ganz anderer Sprachkreis. Ja, und sonst? 

Dr. Heinold: Wir reisen gerne und die Familie steht natürlich immer an oberster Stelle.  

Dirk: Wohin wird die nächste Reise gehen?  

Dr. Heinold: Meine Frau möchte gerne nach Island, aber wahrscheinlich fahren wir zunächst erneut nach Spanien. Weil wir die Sprache sprechen und weil meine Frau da Verwandte hat. Dann lassen wir es uns einfach einmal gut gehen, einfach nur entspannen …  

Dirk: Und der Rocker fährt dann auf dem Motorrad nach Spanien?  

Dr. Heinold: Ja, ich will nächstes Jahr sogar tatsächlich mit dem Motorrad fahren. Mal schauen, ob die Familie da mitspielt. (lacht) 

Dirk: Erlaubt Ihnen Ihre Frau das? 

Dr. Heinold: Meine Frau ist in diesen Dingen eher tolerant, das muss ich schon sagen. Ob ich es dann schließlich mache, weiß ich jedoch noch nicht. 

Ja, die Ausgewogenheit ist für mich wegweisend. D.h. es ist wichtig, zu versuchen, in sich selbst eine gewisse Kongruenz zu finden; zwischen Mikro- und Makrokosmos, zwischen Yin und Yang, zwischen Himmel und Hölle, zwischen gut und schlecht. Ich denke, das ist ganz wichtig. 

Dr. Heinold

Herr Heinold, eine Frage, die wir in jedem auf einen Kaffee mit stellen, was wollen Sie in diesem Leben unbedingt noch lernen? 

Dr. Heinold: Lernen? Ich glaube, Russisch.  

Dirk: Sprechen und schreiben? 

Dr. Heinold: Ich glaube, ich komme immer eher vom Sprechen und das andere entwickelt sich dann schon. Ich habe mir inzwischen das Kyrillisch angeeignet. (…) Also das würde ich gerne noch lernen. Alles andere lasse ich einmal auf mich zukommen.  

Dirk: Das ist eine gute Haltung. Die zweite immer wiederkehrende Frage: Was ist für Sie, Herr Dr. Heinold, die Mitte der Welt? 

Dr. Heinold: Philosophisch gesehen? 

Dirk: Suchen Sie es sich aus. Was ist Ihre Mitte der Welt? 

Dr. Heinold: Die Mitte der Welt? Da glaube ich, das kann man auch als Rat verstehen, ist es nicht in Extreme zu verfallen, sondern bei jeder Sache die goldene Mitte zu suchen. Bei fast jeder, sage ich einmal.  

Dirk: Gut, das ist schön. 

Dr. Heinold: Ja, die Ausgewogenheit ist für mich wegweisend. D.h. es ist wichtig, zu versuchen, in sich selbst eine gewisse Kongruenz zu finden; zwischen Mikro- und Makrokosmos, zwischen Yin und Yang, zwischen Himmel und Hölle, zwischen gut und schlecht. Ich denke, das ist ganz wichtig. 

Dirk: Ja, Herr Heinold, ich will wirklich Danke sagen und meinen tief empfundenen Respekt. In zwei Jahren, 2025, feiern wir 30 Jahre Start Projekt. Da sind Sie noch bei uns? 

Dr. Heinold: Ja. (…) Aber im Sommer 2025 ist voraussichtlich Schluss. 

Dirk: Vielleicht überredet wir sie auch, da etwas zu machen. Etwas zu sagen, zu reden, zu schreiben oder zu spielen. 

Dr. Heinold: Sprechen Sie mich an. Gerne, irgendwas mache ich dann gerne. 

Dirk: Ja, das machen wir wirklich. Also, wir planen da was, wir wollen das groß feiern.


Das Gespräch "Auf einen Kaffee mit Dr. Uwe Heinold" und Dirk Wolk-Pöhlmann fand in der Cafeteria der vhs statt.


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