Berufscoaching als Praktikumsersatz vom 1. bis 9. November 2021
Auch in diesem Jahr gestaltete sich die Praktikumsplatzsuche aufgrund der fortwährenden Corona-Pandemie nicht einfach. Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule, die keinen Praktikumsplatz finden konnten, hatten die Gelegenheit, sich auf andere Weise einen Einblick in die Berufswelt zu verschaffen. Der zweiwöchige Workshop zum Thema Berufsorientierung des Projekts TickA–Ticket in Ausbildung bot Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Schule eine spannende Alternative zum Praktikum, über die sich ebenfalls Einblicke in die Berufswelt sammeln ließen.
Berufsorientierung als Äquivalent zum Praktikum im Betrieb
Schule – und dann? Mit dieser Frage sehen sich alle Schülerinnen und Schüler gegen Ende ihrer Schullaufbahn konfrontiert. Häufig wird da auf den Erfahrungsschatz der Familie, Freunde und des Bekanntenkreises zurückgegriffen. Manchmal hat man auch gar keine Idee, wie es weitergehen soll.
Dieser herausfordernden Frage nimmt sich das Projekt TickA-Ticket in Ausbildung an. TickA unterstützt Schülerinnen und Schüler der allgemeinbildenden Schulen Offenbachs dabei, ihren Kompass auszurichten, Wünsche zu testen und ihre Bewerbungsmappe zu erstellen.
Auch die unversorgten Schülerinnen und Schüler der Klasse 9 der Geschwister-Scholl-Schule konnten sich im Rahmen der beiden Orientierungswochen Gedanken zu ihrer beruflichen Zukunft machen.
Workshop-Inhalte:
- Gemeinsames Brainstorming: Gibt es bereits Wünsche und Pläne für die eigene Zukunft?
- Festlegen der eigenen Kriterien: Was ist mir bei meiner Berufswahl wichtig, was weniger wichtig?
- Ausfüllen eines Interessensfragebogens: Welche Arbeiten liegen mir, welche eher weniger?
- Nutzung von VR-Brillen zum Erkunden der Ausbildungslandschaft: Welche spannenden Ausbildungsberufe gibt es? Und welche kommen für mich infrage
- Eigenständige Recherche: Wo und wie finde ich passende Ausbildungsplätze?
- Die perfekte Bewerbungsmappe: Wie sieht eine optimale Bewerbung aus? Gibt es Hilfsmittel?
- Einstellungstests: Was sind sie, wie funktionieren sie und kann ich sie üben?
- Vorstellungsgespräche: Wie bereite ich mich am besten auf sie vor?
- Wünsche testen: Ein Betriebsbesuch als Praxisbeispiel
Von Brainstorming bis hin zur nonverbalen Kommunikation
Gestartet wurde mit einem Kennenlernspiel als Eisbrecher, bei dem sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Projektmitarbeiterinnen selbst aktiv werden mussten.
Es folgte ein gemeinsames Brainstorming zum Sammeln aller Gedanken, Wünsche und Vorstellungen zu den Themen Schule, Ausbildung, Beruf und Zukunft.
Dazu wurden diejenigen Kriterien festgelegt, die den Jugendlichen bei ihrer Berufswahl wichtig sind, darunter: Verdienstmöglichkeiten, Spaß im Job, Arbeitsort, Arbeitsbedingungen, gesellschaftliches Ansehen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und vieles mehr.
Konkreter wurde man dann beim Ausfüllen eines anschaulichen Interessensfragebogens. Die aufgeführten Tätigkeiten galt es jeweils mit Punkten nach einer Skala von 1 bis 5 zu bewerten. Die Ergebnisse, welche die Schülerinnen und Schüler erhalten würden, sollten diesen im Anschluss an den Workshop als Orientierungshilfe dienen.
Zum Kennenlernen diverser Ausbildungsberufe bot sich die Nutzung der VR-Brillen an. Mithilfe der VR-Brillen von Studio2B in Berlin konnten die Schülerinnen und Schüler virtuell in den Alltag von 120 Ausbildungsberufen eintauchen.
Angeregt von den „erlebten“ Ausbildungsberufen hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre Recherche online zu vertiefen. Dabei wurden Ausbildungsberufe entdeckt, die zuvor nicht bekannt waren und im Anschluss zu den Favoriten zählten. Über etwaige Links und Informationen zu Stellenbörsen, Speed-Datings und Co. konnten auch schon potenzielle Ausbildungsbetriebe erkundet werden. Schlüsse, die die Jugendlichen aus der Recherche gezogen wurden, waren: „Der Beruf Bestattungsfachkraft klingt total interessant. Ich wusste gar nicht, dass es den gibt.“ Oder: „Bauzeichner machen ja so was Ähnliches wie Architekten, das ist genau das, was ich will.“
Im nächsten Schritt wurde die Bewerbungsmappe zusammengestellt. Hierzu wurden die beiden Tools YouBot plus und azubisuche-OF als Hilfsmittel herangezogen. Erstaunt waren die Jugendlichen darüber, wie einfach es doch sein kann, ein perfektes Anschreiben zu erstellen. Der Bewerbungsassistent YouBot plus vom Verlag Ausbildungspark macht es möglich. Ergänzend dazu bringt auch die Online-Plattform azubisuche-OF eine praktische Funktion zum simplen Generieren eines tabellarischen Lebenslaufs mit sich.
Hatte man Erfolg bei der Ausbildungssuche, stellt ein Einstellungstest nicht selten die nächste Hürde dar. Damit ein solcher Test nicht zur Überraschung wird, bot sich die Übung und Prüfungssimulation mittels des eTrainers vom Verlag Ausbildungspark an. Die Bandbreite an Aufgaben war groß, die Fragen nicht immer leicht, doch spannend und hilfreich war die Erkenntnis über die eigenen Stärken und Schwächen in jedem Fall.
Ist der Einstellungstest erstmal überwunden, kommt auch schon die nächste Herausforderung an die Reihe: das Vorstellungsgespräch. Einen Tag zuvor erhielten die Schülerinnen und Schüler den Arbeitsauftrag, sich so anzuziehen, wie sie es bei einem reellen Vorstellungsgespräch machen würden. Die Resultate des Tests fielen sehr positiv aus. Die Kleidung der Schülerinnen und Schüler entsprach im Wesentlichen dem Anlass. Interessanter wurde es, als es um die nonverbale Kommunikation ging. Denn die Körpersprache und Mimik sagt mehr aus, als man denkt. Und so waren die Schülerinnen und Schüler sehr erstaunt, als sie erfuhren, dass das gesprochene Wort weniger Aussagekraft hat, als es bei Haltung, Mimik, Gestik, Haltung, Betonung und Sprechgeschwindigkeit zusammen der Fall ist.
Ein besuch bei "natürlichfrei - unverpackt einkaufen" in Mühlheim
Die zwei Wochen neigten sich dem Ende zu. Es stand nun noch der Betriebsbesuch am letzten Tag aus. Bevor der angekündigte Betriebsbesuch bei „natürlichfrei – unverpackt einkaufen“ stattfand, bekamen die Schülerinnen und Schüler den Auftrag, sich über die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit zu informieren. Zudem sollten sie sich etwa drei Fragen überlegen, die sie der Geschäftsinhaberin zum Thema Ausbildung und Einzelhandel allgemein stellen möchten. Tatsächlich wurden es sogar mehr. Einige gestellte Fragen waren: „Wieso sind Bio-Produkte so teuer?" “Wie ist Ihr Umsatz?“ „Wie läuft die Ausbildung bei Ihnen ab?“
Dort angekommen wurden alle von der Geschäftsinhaberin Frau Nina Bornemann herzlich in Empfang genommen. Zuerst berichtete Frau Bornemann von der Geschäftsidee, die zur Gründung geführt hat und davon, dass auch sie zunächst viele Jahre in ihrem erlernten Ausbildungsbetrieb arbeitete, bevor sie und ihr Ehemann den Schritt in die Selbstständigkeit wagten.
Später gab es einen Rundgang, bei dem sie den Schülerinnen und Schüler etwas zu den Produkten, welche zumeist verpackungsfrei und bio und/oder aus regionaler Herstellung verkauft werden. Dabei ging sie schwerpunktmäßig auf das Thema Plastik ein und darauf, wie vermeidbar es eigentlich ist. In dem Zusammenhang konnte jeder sein eigenes Konsumverhalten kritisch reflektieren und dabei mögliche Änderungen in Hinblick auf das eigene Verhalten in Betracht ziehen.
Besonders spannend empfanden die Jugendlichen das Sortiment, das sich deutlich von dem in Supermärkten in Discountern unterschied. Neben frischen Schokoladenpralinen aus eigener Herstellung fand man hier verschiedenste Getreidesorten oder gar Seife aus Aleppo vor.
Nachdem die Schülerinnen und Schüler Frau Bornemann ihre Fragen stellen konnten, hatten sie die Gelegenheit, sich ein Produkt in ein zuvor mitgebrachtes Behältnis, zum Beispiel ein leeres Marmeladenglas, abzufüllen.
Feedback und Abschied
Mit guten Vorsätzen und einer genaueren Vorstellung über Arbeits- und Geschäftsprozesse im Einzelhandel verließen die Schülerinnen und Schüler das Geschäft. Es folgte eine Feedbackrunde zu den vergangenen Tagen. Kritik war dabei ausdrücklich erwünscht, denn durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge ließen sich künftige Workshops und Veranstaltungen des neuen Projekts optimieren.
Der Abschied vom Tick-A-Team fiel nicht schwer. Man war sich nämlich sicher, einander künftig in der Hassia-Fabrik wieder zu begegnen: bei den Lerngruppen oder der Bewerbungs-AG. Denn eins ist klar: Wenn man sich beruflich qualifizieren will, kommt man an guten Schulnoten und Bewerbungen nicht vorbei.